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Frauenbewegungen in ChileErinnerung für heutige Kämpfe

Den Kampf für Menschenrechte in Chile führten vor allem die Frauen im Leben der Verschwundenen und politischen Gefangenen.

Festnahme einer Frau in Santiago de Chile während Proteste am 02. Oktober 1988 Foto: José Giribás

Der 23. Dezember 1983 ging in die Geschichte Chiles ein: Mehr als 10.000 Frauen kamen im Theater von Caupolicán in Santiago zusammen, um unter dem Motto „Heute und nicht morgen. Für das Leben!“ ihren entschiedenen Widerstand gegen die zivilmilitärische Diktatur von Augusto Pinochet zum Ausdruck zu bringen. Es war ein historischer Moment.

Aus Betroffenheit und Verzweiflung besetzten Frauen öffentliche Räume. Sie hatten erkannt, dass das Persönliche politisch ist. Der Kampf für die Menschenrechte im südlichen Südamerika wurde vor allem von Müttern, Töchtern, Schwestern und Partnerinnen von Verschwundenen und politischen Gefangenen geführt.

Frauen zeigten eins der größten revolutionären Potenziale: die Fähigkeit, die Gesellschaft in konterrevolutionären Zeiten zu politisieren. Im Kontext des staatlichen Terrorismus waren es sowohl in Chile als auch in Argentinien Frauen, die die mutige Entscheidung trafen, öffentlich zu protestieren, zunächst mit der Motivation, die verschwundenen Verwandten und Ge­nos­s*in­nen zu finden. Aber bald entfaltete ihr Protest eine Kraft, die mehr war als das: Sie kämpften, um die Demokratie wiederzuerlangen und der Diktatur ein Ende zu setzen.

Neue Welle der chilenischen Frauenbewegung

50 Jahre Putsch in Chile

Der Text ist am 8. September 2023 als Teil einer achtseitigen Chile-Beilage in der taz erschienen. 50 Jahre ist es her, dass in Chile ein von den USA unterstützter Militärputsch am 11. September 1973 der demokratisch gewählten Regierung des Sozialisten Salvador Allende ein jähes Ende setzte. Mehr als 3.000 Menschen kamen während der folgenden Diktatur (1973 – 1990) ums Leben, noch mehr wurden inhaftiert, gefoltert und ins Exil getrieben. Die taz Panter Stiftung nimmt das Jubiläum zum Anlass, um zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und unterstützt von der Stiftung Umverteilen an die damaligen Geschehnisse zu erinnern und zugleich zu fragen, wie die Ereignisse vor 50 Jahren die gesellschaftlichen Verhältnisse von heute beeinflussen. Einige Texte wurden auch auf Spanisch veröffentlicht.

Parallel dazu begann sich Anfang der 1980er Jahre die zweite Welle der chilenischen Frauenbewegung neu aufzustellen. Die Situation von Frauen sollte auf politischer Ebene problematisiert und ernst genommen werden. Ziel war es auch, die durch die neoliberalen Reformen des Militärregimes angefachte Wirtschaftskrise zu bewältigen und den Autoritarismus, sowohl in der diktatorischen Gesellschaft als auch in der Familie infrage zu stellen.

Über Organisationen wie MEMCH 83 (Bewegung für die Emanzipation der chilenischen Frau) organisierten sich Frauen, um Aktionen, Konferenzen, Großveranstaltungen und Proteste zu organisieren und Manifeste zu erarbeiten. In diesem Kontext verschränkte sich der Kampf der Feministinnen mit dem der Frauen für Menschenrechte, versinnbildlicht in der Forderung „Demokratie im Land und zu Hause“, wie sie im Caupolicán-Theater erscholl.

Heute, 50 Jahre nach dem Putsch, fühlen wir vom Feministischen Koordinationskomitee 8. März (CF8M) uns als Erbinnen jener Kämpfe. Wir wissen, dass Feminismus sich nicht nur darauf beschränkt, eine Geschlechterperspektive in das aktuelle Regime des neoliberalen Kapitalismus einzubeziehen. Feminismus bedeutet auch die entschlossene Verteidigung gegen jeden Ausdruck des Autoritarismus sowohl im Land als auch in den eigenen vier Wänden.

Heute ist die extreme Rechte wieder auf dem Vormarsch, und das macht feministische Erinnerungsarbeit unerlässlich. Sie ermöglicht es uns, die perspektiv- und zukunftslos erscheinende Gegenwart zu überwinden und uns die unvollendeten Kämpfe und Projekte aus anderen Zeiten wieder anzueignen. Unsere Erinnerungen werden zu Utopiefabriken, zu neuen Vorstellungswelten, neuen Ideen und Hoffnungen, in denen wir unsere Gegenwart wiedererobern und um eine bessere Zukunft kämpfen.

Die Erinnerungen von uns lateinamerikanischen Frauen sind störend, wollen sie doch die Gesellschaft in Zeiten ­eines autoritären und ultrarechten Aufschwungs politisieren. Für uns ist das Erkennen und Erinnern der Geschichte ein mächtiger Prozess der ­Veränderung. Erinnern ermöglicht es uns zu verstehen, dass unsere Kämpfe nicht losgelöst von der Zeit sind: Das Vermächtnis des diktatorischen und patriarchalen Systems von gestern ist die Ursache für die Gewalt, mit der wir heute leben. Für uns ist Erinnerung die Kraft der Gegenwart.

Aus dem Spanischen: Caroline Kim

Elisa Franco, Camila Olmos und Sofía Rodríguez sind Sprecherinnen der Feministischen Koordinationsstelle 8. März (CF8M).

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