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Französische TelefondiplomatieMacron will wieder mit Putin sprechen

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte mit Russlands Staatschef Wladimir Putin telefonieren. Derlei Versuche waren zuvor nicht gerade erfolgreich.

„Stark sein, um respektiert zu werden“, will Frankreichs Präsident Macron. Hier in Brüssel am 19. Dezember Foto: Stephanie Lecocq/reuters
Rudolf Balmer

Aus Paris

Rudolf Balmer

Wladimir Putins Sprecher Dimitri Peskow teilte am Samstag mit, der russische Präsident sei bereit, mit Emmanuel Macron zu reden. Den Anstoß dazu hatte der französische Präsident am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel gegeben. Nachdem nämlich US-Präsident Donald Trump den Dialog mit dem Kreml-Chef in Gang gebracht habe, sei es (wieder) „nützlich, mit Wladimir Putin zu reden“, hatte Macron den EU-Partnern erklärt.

Anders als für andere EU-Spitzenpolitiker ist der russische Kriegstreiber für Macron keine Unperson mehr, weil ja auch die Amerikaner kein Problem damit haben, mit Russland zu verhandeln. „Ich denke, dass wir Europäer und (auch die) Ukrainer alles Interesse haben, einen Rahmen zu finden, um diese Diskussion (mit Putin) in aller Form einzuleiten. Sonst diskutieren wir unter uns mit Unterhändlern, die dann alleine mit den Russen diskutieren, und das ist nicht optimal“, führte Macron aus.

Macron befürchtet, dass sonst letztlich zwischen Moskau und Washington unter Ausschluss der Europäer über das Schicksal der Ukraine verhandelt und entschieden werden könnte. Was nicht nur eine Demütigung für die EU wäre, sondern erst recht eine persönliche Blamage für den außenpolitisch ehrgeizigen französischen Staatspräsidenten.

Er verweist gern darauf, dass Frankreich als glaubwürdige Atommacht ein ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats ist. Und da es der EU bisher kaum wirklich gelungen ist, als eigenständige Akteurin in der Weltpolitik ernst genommen zu werden, glaubt Macron, dass Europa unter seiner Führung in der Diplomatie gleichberechtigt bei den Großen der Welt mitspielen kann und muss. In Europa eine Führungs- oder gar Vormachtrolle spielen zu wollen, gehört zu Frankreichs Selbstverständnis und Tradition.

Telefondiplomatie zuvor erfolglos

Es ist noch nicht vergessen, wie Macron mit seiner eifrigen Telefondiplomatie bis kurz vor der russischen Invasion in der Ukraine am 22. Februar 2022 versucht hatte, Putin von seiner Aggression abzuhalten. Zweifellos war es legitim, alle diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen, um den Ausbruch eines Kriegs zu verhindern. Rückblickend lässt sich jedoch konstatieren, dass Macron von Putin an der Nase herumgeführt wurde.

Nichts illustriert dies besser als das historische Foto vom letzten Treffen der beiden Staatschefs im Kreml am 7. Februar 2022: Putin und Macron saßen sich an einem grotesk langen weißen Tisch so weit voneinander entfernt gegenüber, dass eine Konversation in normaler Lautstärke wohl kaum möglich war. Seitdem haben die beiden nach offiziellen Angaben nur einmal, am 1. Juli 2025, am Telefon über die Ukraine und die atomare Aufrüstung im Iran diskutiert.

Macron hat zu Trumps Verhandlungen über eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine mehrfach klar gesagt, dass es im Interesse der europäischen Sicherheit ausgeschlossen sei, die russischen Bedingungen anzunehmen, weil diese quasi einer ukrainischen Kapitulation gleichkämen. Vor allem aber will er, dass nicht über den Kopf von Europa hinweg verhandelt wird. Selbst das nun erfolgte kleine Signal einer eventuellen Gesprächsbereitschaft seitens Russland wollte Macron am Wochenende gleich als Einladung zu Diskussionen willkommen heißen.

Ganz so naiv, wie man dies interpretieren könnte, ist der französische Staatspräsident aber doch nicht. Ebenfalls am vergangenen Wochenende kündigte Macron bei einem Besuch der Streitkräfte auf dem französischen Stützpunkt im Emirat Abu Dhabi die Konstruktion eines riesigen zweiten Flugzeugträgers bis 2038 an. Zum französischen Aufrüstungsprogramm, aber auch zu seiner Außenpolitik erklärte er: „Nur wer stark ist, wird respektiert.“ Diese unverschlüsselte Botschaft geht wohl, gemeinsam mit der Hoffnung auf eine entsprechende Antwort, Richtung Moskau.

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13 Kommentare

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  • Natürlich will er mit Macron sprechen. Macron ist im militärischen und strategischem Denken der wichtigste Mann auf der europäischen Seite. Und das französische Militär ist kampferprobt, die Auslandsgeheimdienste sind gut ausgestattet und motiviert, die Atom-U-Boote sind einsatzbereit und technisch auf der Höhe. Frankreich kann viel ins Militär und in die Rüstung stecken - auch kurzfristig.



    Dazu kann Frankreich auch auf gute militärische und wirtschaftliche Beziehungen und Kooperationen mit Deutschland, Spanien und Italien zurück greifen.



    =Putin will ausloten, ob Frankreich wirklich gegen halten wird oder nicht, ob Frankreich sein Potenzial gegen Russland stellen wird.



    = Es geht hier nicht um Frieden oder Waffenruhe.



    Und Macron wird Putin sicherlich nicht mitteilen, was er wissen will, sondern ihm verdeutlichen, dass Waffenruhe, Waffenstillstand und Friedensabkommen Priorität haben.

  • Direkte Gespräche mit Putin halte ich für besser, als die Verhandlungen nur über Trump zu führen.







    Natürlich ist es bequemer zu sagen, dass man nicht mit Kriegsverbrechern redet. Oder das sich Gespräche sowieso nicht lohnen. Oder oder oder.... Und eine Garantie hat man ja auch nicht, dass man ein akzeptables Ergebnis erhält.







    Wenigstens tut Macron etwas, auch auf die Gefahr hin, dass er nachher ausgelacht wird, wenn er nicht bewirkt. Meine Hochachtung hat er, dass er den Mut hat diesen Weg zu gehen.

  • Wie schön - ein Gespräch mit



    Putin. Den Russen zeigen, dass ihr Staatschef kein Kriegsverbrecher sondern ein akzeptabler Gesprächspartner ist.

    Kann man machen wenn man vorher weiß, dass was Vorzeigbares dabei herauskommt - ansonsten ist es Verrat an der Ukraine.

    • @A. Müllermilch:

      "Kann man machen wenn man vorher weiß, dass was Vorzeigbares dabei herauskommt - ansonsten ist es Verrat an der Ukraine."



      Etwas überzogen, oder?



      Jeder Versuch zählt, auch wenn ich ebenso wie Sie davon ausgehe, dass nix großartiges (wenn überhaupt) dabei rauskommt.



      Solange die Unterstützung der Ukraine deshalb nicht schwindet, wird Macron ganz sicher kein einziger Ukrainer einen Vorwurf machen. Die sind nämlich im Gegensatz zu Putin nicht wirklich scharf drauf, Krieg zu führen.

  • Anders als andere EU-Spitzenpolitiker

    Zitat: „Anders als für andere EU-Spitzenpolitiker ist der russische Kriegstreiber für Macron keine Unperson mehr“

    Anders als andere EU-Spitzenpolitiker plädierte er nach der russischen Invasion der Ukraine dafür, man dürfe „Russland nicht demütigen“ und müsse Putin einen „gesichtswahrenden Ausweg



    ermöglichen.“ In Kiew war man darob empört und auch hierzulande wurde er medial ans Kreuz genagelt. (Tagesspiegel 5. 6. 2022)

    Dabei hielt es schon 2019 für einen „tiefen strategischen Irrtum, Rußland von Europa wegzustoßen“: „Je pense que pousser la Russie loin de l'Europe est une profonde erreur stratégique parce que nous poussons la Russie soit à un isolement qui accroît les tensions, soit à s'allier avec d'autres grandes puissances comme la Chine, qui ne serait pas du tout notre intérêt. Je crois qu'il nous faut construire une nouvelle architecture de confiance et de sécurité en Europe, parce que le continent européen ne sera jamais stable, ne sera jamais en sécurité, si nous ne pacifions pas et ne clarifions pas nos relations avec la Russie.“ (Macron vor der Botschafterkonferenz am 27. 8. 2019 in Paris, Quelle: Elysée-Palast)

  • Das ist sehr gut. Gespräche sind wichtig und richtig. Macron verhält sich völlig anders als Merz. Was mich aber nicht wirklich wundert. Der Merz schwafelt auch was von Sudetendeutschland ...

    • @Pico :

      Ich hoffe, dass Macron etwas aus seinem Besuch in Moskau von 22 gelernt hat. Damals hatte er ja dem Kreml, wie auch Scholz, mitgeteilt, dass man lediglich ggf. über Abrüstung verhandeln kann und das alle anderen Punkte die Russland wichtig wären überhaupt gar nicht zur Disposition stehen.

  • Herr Macron hat wahrscheinlich ehrhafte Ziele für Frankreich bzw. Europa, leider macht er durch sein Verhalten und Handeln alles nur noch schlimmer.

    • @Aymen:

      Das glaube ich nicht. Macron wird ständig erstklassig gebrieft, das französische Militär und die Geheimdienste arbeiten sehr intensiv an Antworten, die vor allem Frankreich aber auch die EU und NATO schützen sollen. Wie ich gehört habe, wird die französische Armee fit für einen europäischen Krieg gemacht. Und das ist neu.

    • @Aymen:

      Oder ist es nicht genau andersrum, dass das Festhalten an unrealistischen Wunschvorstellungen und die Weigerungen realistische Gesprächsangebote zu machen erst zu der jetzigen Situation geführt hat?

      • @Alexander Schulz:

        "...dass das Festhalten an unrealistischen Wunschvorstellungen und die Weigerungen realistische Gesprächsangebote zu machen erst zu der jetzigen Situation geführt hat?"



        Das ist etwas übertrieben, stimmt aber natürlich. Putin glaubte die Ukraine innerhalb von ein paar Wochen dem russischen Reich einverleiben zu können, bis auf ein paar böse Blicke würde nichts passieren, und er würde nicht an Gesicht verlieren sondern als großer Sieger in die Geschichte eingehen.



        Tja. Ist anders gekommen. Und nun?

        • @Encantado:

          Ich kann Ihre Schadensfreude zwar gut nachvollziehen, aber der Preis dafür ist enorm. War es das wert? Besser wäre es, wenn man diesen großen Krieg verhindert hätte.



          2014 bzw. 2015 hörte Europa nicht auf die direkten Nachbarn von Russland und durch die Minsker Abkommen wurde schlimmeres verhindert. Das nächste Mal hörte man auf die direkten Nachbarn von Russland..

  • Um das letzte Telefonat Macrons einzuordnen, müsste man den Inhalt des Gespräches kennen.



    Niemand weiß, ob Putin ihn "am Nasenring geführt hat".



    Genauso könnte er eine Klärung erwartet haben, die Putin keinesfalls akzeptieren wollte.



    So wie man es 3 Jahre lang danach gehandhabt hat.



    Nun bemühen wir uns wieder ins Geschehen zu kommen.



    Ich glaube nicht, dass es eine Lösung gibt, bei der die ukrainischen Sicherheitsinteressen allein eine Rolle spielen können.



    Wenn man aus Putin Hitler macht und damit recht hätte, muss man nicht über Frieden nachdenken und Kompromisse sollte man auch nicht suchen.



    Wenn das aber allein die Relativierung des Hitlerfaschismus ist, dann gäbe es eine Chance für Macron, statt Merz der Retter Europas zu werden.



    Ich wünsche es der Ukraine und nicht zuletzt meinen Enkeln, die nicht die nächsten hundert Jahre in Konfrontation leben sollen.