François Fillon gewinnt Stichwahl: Blankoscheck für liberalen „Schock“
Erst schlug er Sarkozy, jetzt auch Juppé: Fillon holt sich mit rund 67 Prozent die Kandidatur der französischen Konservativen für die Wahl 2017.
Mit dem deutlichen Sieg hat Fillon für sein liberales Programm von seiner politischen Familie einen Blankoscheck erhalten. Das bleibt überraschend: Denn „liberal“, das war vor wenigen Wochen noch in Frankreich im politischen Jargon ein Schimpfwort. Mit sehr konservativen Ansichten in Familien- und Gesellschaftsfragen hat Fillon zudem eine massive Unterstützung traditionalistischer und reaktionärer Kreise erhalten. Auch seine außenpolitische Nähe zu Wladimir Putin hat Fillon keineswegs geschadet.
Von der großen Mehrheit der Leute, die sich an diesen erstmaligen Vorwahlen der Republikaner beteiligt haben, wird Fillons Programm, das er selber als liberalen „Schock“ verstanden haben will, als angebrachte Alternative nach der Präsidentschaft von François Hollande betrachtet. Viel deutlicher als seine sechs Mitbewerber hat Fillon Reformen angekündigt, die eine Abkehr vom französischen Sozialmodell bedeuten und zahlreiche soziale Rechte infrage stellen würden.
Was er als Staatschef in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft zu tun verspricht, bezeichnet er selber als „radikal“ oder „revolutionär“. Dies allerdings gar nicht im Stil von Robespierre oder Lenin, sondern mehr im Sinne einer konservativen Revolution à la Reagan oder Thatcher.
Natürlich ist es immer populär, Steuersenkungen anzukündigen, aber Fillon will auch die 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich abschaffen und in fünf Jahren 500.000 öffentliche Stellen streichen. Wie schwer solche Maßnahmen selbst ansatzweise durchzusetzen sind, hat sich vor dem Sommer am langen und harten Widerstand gegen die Arbeitsrechtsreform von Staatschef François Hollande gezeigt.
Fillon gegen Le Pen
Fillon galt erst seit letztem Sonntag bei der Vorwahl des bürgerlichen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Mai 2017 als Favorit, er hatte in der ersten Runde seine Kontrahenten – unter ihnen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy – deutlich auf die Plätze verwiesen. Mehr als 4,2 Millionen Menschen hatten sich am ersten Durchgang der bürgerlichen Vorwahlen beteiligt, im Finale zeichnete sich eine noch höhere Beteiligung ab.
Eine Sprecherin aus dem Team von Fillon bezeichnete dessen Triumph im Fernsehen als „schlechte Nachricht für den Front National“ von Marine Le Pen und bestätigte so, dass der designierte bürgerliche Präsidentschaftskandidat der FN-Kandidatin im Wettkampf um die rechte Wählerschaft mit konservativen Werten Konkurrenz machen will.
Präsident Hollande will angeblich in der ersten Dezemberhälfte sagen, ob er sich um eine Wiederwahl bewirbt oder ob er diesen für die Linke sehr ungewissen Wahlkampf lieber anderen überlassen will. Sein vor Ungeduld zappelnder Premierminister Manuel Valls hat am Sonntag erklärt, er bereite sich vor – für alle Fälle.
So oder so ist die französische Linke hoffnungslos gespalten. Noch bevor die Sozialisten ihren Kandidaten nominieren, haben bereits die Grünen und auch andere Parteien und Organisationen KandidatInnen im Rennen. Jean-Luc-Mélenchon von der Linkspartei wird von den Kommunisten unterstützt. Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron situiert sich „jenseits“ von links und rechts.
Die bürgerliche Rechte dagegen ist nach diesen Vorwahlen so geeint und siegesgewiss wie nie seit Nicolas Sarkozys Niederlage gegen Hollande 2012. Bei Fillons Siegesfeier am Sonntagabend herrschte angesichts einer in Griffnähe gerückten Rückeroberung der Macht bereits eine triumphierende Stimmung. An die Kampfrufe „Fillon – Président!“ muss sich Frankreich noch gewöhnen.
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