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Framing in der KlimadebatteWeiche Worte, knallharte Fossilität

Europäische CO2-Neutralität ist in der Union kein Thema mehr. Die will ein Verbrenner-An, ein Verbrenner-Jawoll, ein Verbrenner-Weiter-so.

Kein Ausstieg mit Merz: „Verbrenner-Aus“ ist abgeräumt Foto: Marcus Brandt/picture-alliance

W aren Sie nicht auch schon immer für Zerstörung, Vernichtung, Niederbrennen? Ich komme drauf, weil sich am Stichwort Verbrennung sehr gut illustrieren lässt, wie weit die Deutungsmacht der Anti-Klimaschutz-Kampagne (es ist ja weit mehr als eine Anti-Grünen-Kampagne) inzwischen reicht. Es ist ihr gelungen, aus dem Verbrennen von Kohlenstoff einen schützenswerten, einen unbedingt weiter zu betreibenden Vorgang zu machen – etwas Gutes also.

CDU/CSU – und ähnlich gesinnte Parteien in halb Europa – haben den Europawahlkampf auch damit gewonnen, dass sie das „Verbrenner-Aus“ abgeräumt haben. Mit Verbrenner-Aus ist gemeint, dass die EU ab 2035 keine Neuwagen mit fossilem Antrieb mehr erlauben will. Das ist eigentlich Teil des Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Europäische CO2-Neutralität ist in der deutschen Union jedoch kein Thema mehr. Friedrich Merz wie Markus Söder – Letzteren lasse ich wegen der noch nicht erledigten Kanzlerkandidatenfrage hier mal stehen – haben das Aus für das Verbrenner-Aus erklärt. „Das steht für uns fest“, so Merz: ein Verbrenner-An, ein Verbrenner-Jawoll, ein Verbrenner-Weiter-so.

Auch der Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius hat jetzt in der Wirtschaftswoche angekündigt, man werde wieder „mehr Geld in Verbrenner“ stecken, von „High-Tech-Verbrennern“ spricht Källenius, von „relevanten Verbrennern“. Anders als BMW hatte Mercedes den Brüsseler CO2-Abbau-Kurs bisher mitgemacht, doch jetzt stellen sich die wirtschaftlichen Aussichten eben anders dar. Verbrenner bleiben stark, auch als Begriff, stärker als der Umstand, dass Verbrennung in den Köpfen doch eigentlich etwas strikt Abzulehnendes aufrufen sollte. Aktuelle Buchtitel wie „Männer, die die Welt verbrennen“ oder „Demokratie im Feuer“ (beides sehr lesenswerte Publikationen über Klimaschutz) versuchen, diesen Schrecken zu entfachen, doch der scheint sich kommunikativ nicht durchzusetzen. Die Sprache hat dem politischen Druck Richtung Fossilität nachgegeben.

Vor rund zehn Jahren entdeckte das politische Berlin ein Konzept der politischen Kommunikation noch einmal ganz neu: das Framing, wörtlich „das Rahmen“, also als Verb. Gemeint ist der Vorgang, mit dem etwa Gesetzesentwürfe durch wohlklingende Worte besser verkaufbar werden – Stichwort „Gute-Kita-Gesetz“. Oder umgekehrt. Donald Trump ist ein Meister des demütigenden, aber leider stets gut sitzenden Framings („Sleepy Joe“, „Crooked Hillary“).

Macht der Sprache

Es ist ein ziemlich geheimnisvoller Vorgang, wie sich Politik und PolitikerInnen durch passende Begriffe auf- und abwerten lassen. Viel zitiert zum Thema Framing war vor gut zehn Jahren die Linguistin Elisabeth Wehling. Sie kam aus der US-Spitzenuni Berkeley nach Berlin gereist, um hier unter anderem SPD und Grüne zu beraten; Letztere wollten damals schon das Image der Verbotspartei loswerden. Inzwischen muss man wohl sagen, dass Wehlings Rat, wenn, dann jedenfalls nicht lange genug geholfen hat.

Vielleicht liegt es daran, dass trotz aller Neurowissenschaft immer noch nicht klar ist, wie Worte im Gehirn Bedeutung entstehen lassen. Ein unabhängiges Sprach- und Sozialforschungsinstitut in Duisburg, das Diss (das ich hier auch erwähne, weil es im Bestand bedroht ist), fand dafür einmal den Begriff der „Fähren ins Bewusstsein“: Gut gewählte Worte können demnach ein ganzes Paket an Assoziationen und Vorstellungen ins Hirn mitverschiffen. Sprache ist dann sehr mächtig.

Aktuell allerdings scheint mir die fossile Lobby stärker als jeder Versuch eines klimabewussten Framings zu sein.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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16 Kommentare

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  • Auf Dauer kann die Industrie eben nicht am Kunden vorbei entwickeln und produzieren.



    Die Entwicklung wird Richtung Elektro gehen, aber halt nicht für jeden Zweck und für jeden Einsatzfall.



    Ökologisch und Ökonomisch ist immer das richtige Werkzeug für den spezifischen Einsatz.

  • Hätte man doch nur mal eine namhafte Werbeagentur damit beauftragt das "Verbrenner-Aus" in die Köpfe zu pflanzen !!!!

    • @Bolzkopf:

      Die Preise, welche die Autolobby/-industrie der Werbung bezahlt, kann "man" sich nicht leisten.

  • Die Grundprinzipien des Framings sind einfach zu verstehen, aber (offenbar, zumindest für deutsche Umwelt- und Klimaschützer:innen) schwer umzusetzen:



    1. Immer sagen, woFÜR, nicht woGEGEN wir sind, um eigene Sprachbilder zu festigen und nicht diejenigen der Gegenseite. („Denken Sie jetzt bitte NICHT an einen rosa Elefanten!“ – Na, hat das funktioniert?)



    2. Sprachbilder so wählen, dass sie mit einer schützenden, versorgenden Natur verbunden sind. Die Gegenseite stellt sie auf den Schutz der eigenen Gruppe ab („Wir sind für euch sogar bereit, unser Geld zu verbrennen, damit ihr es bequem, warm und kuschelig habt.“ – Na, ist das bedrohlich, ausschließend, rechts?)

  • Der aktuelle rollback in Sachen Klimaschutz ist traurig, aber auch verständlich.

    Da war in den letzten Jahren, ausgelöst durch Fridays for Future, viel Wunschdenken (magisches Denken) in der politischen Diskussion.

    Viele haben dabei die Triebkräfte des Kapitalismus aus dem Blick verloren, in dem es um Wachstum um jeden Preis geht, bei dem Naturzerstörung kein Preis hat, wo Politiker auf Steuereinnahmen angewiesen sind und sich Konsumenten (also wir Bürger) über Konsum definieren.

    In den letzten 50 Jahren haben wir so viel Zeit verloren, dass jetzt nur ein konsequenter Klimaschutz helfen würde, bei dem wir jedes Jahr den CO2 Ausstoß um 10 % reduzieren, was realistischerweise nur durch Verzicht gehen würde, weniger Autos, weniger Flugzeuge weniger Fleischkonsum und so weiter.



    Nur getraut sich keine Partei, diesen Verzicht zu kommunizieren weil sie fürchtet, dann sofort bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden.



    Die Klimakrise lässt sich im Kapitalismus nicht lösen und zum Kapitalismus gibt es keine Alternative. Das ist das schreckliche Dilemma, dass keiner zu denken und auszusprechen wagt.

    • @Paul Schuh:

      Zum Kapitalismus gibt es eine Reihe von Alternativen. Sie sollten sich mal in Ruhe mit Sozialismus und Anarchismus beschäftigen. Da gibt es dutzende Entwürfe, wie es anders gehen könnte. Die Erkenntnis, dass der Kapitalismus der Umwelt und den Arbeitern schadet, ist nicht gerade neu. Das war selbst bevor wir vom Klimawandel wussten ein riesiges Thema.

      Es gibt keine Alternative ist schlicht und einfach kapitalistische Propaganda. Wir könnten uns sehr wohl endlich von dem System lösen, da es keine Zukunft hat. Sie haben vollkommen Recht damit, dass endloser Wachstum auf einem endlichen Planeten unmöglich ist. Klimaschutz und Wachstum sind nicht vereinbar. Das System ist nicht haltbar. Ich verstehe in keiner Form, warum Sie dafür hier als strohdumm tituliert werden. Greenwashing und Augen verschließen bringt uns doch nicht weiter.

    • @Paul Schuh:

      Tut mir Leid, für mich ist er total unverständlich, weil strohdumm.



      Aber die Wohlstandsverwahrlosung toppt alles.

      • @Erfahrungssammler:

        Sie haben recht der "roolback" ist total unverständlich und Strohdumm.

        Mit ging es nur darum die Gründe, Ursachen und Triebkräfte dahinter zu betrachten, die zu selten erwähnt werden.

        • @Paul Schuh:

          Es war auch nicht als Kritik, sondern als Verdeutlichung gedacht..

  • Der Kampf der CxU gegen das gerade von ihr mit-beschlossene Verbrenner-Aus ist ein reiner Sturm im Wasserglas.

    Seit der BEV-Delle zum Jahreswechsel haben monatlich die BEV Verkaufszahlen wieder zugenommen. Das ist bisher noch nicht für alle offensichtlich, weil die Verkaufszahlen immer mit den Vorjahreszahlen verglichen werden und letztes Jahr erst im August die Förderung für die Dienstwagen-BEV abgeschafft wurde, so dass es in letzter Minute viele Zulassungen gab.

    2025 werden insbesondere die deutschen Hersteller die BEV Verkaufszahlen deutlich steigern (müssen), um hohe Strafzahlungen aufgrund des CO2 Flottenverbrauchs zu vermeiden.

    Außerdem laufen derzeit einige attraktive Kleinwagen verschiedener Hersteller an - einem Marktsegment, das jahrelang verwaist war, obwohl es in dem Bereich interessierte Kaufwillige gibt.

    Summa Summarum werden die BEV Verkaufszahlen ab Q4/2024 wieder deutlich zulegen. In 10 Jahren interessiert sich niemand mehr für die alten Stinker, ob mit oder ohne Verbot.

  • Positives Framing macht schlechte Politik nicht besser.



    Ersatz von "Atom" (Assoziation: Bombe) durch "Kern" (Assoziation: Kirsche, Pfirsich, Pudels Kern...) machte AKW bzw. KKW nicht akzeptabler.



    Und da wir gerade beim "Verbrenner-Aus" sind: Ich bin für das Geld-Verbrenner-Aus :-)

  • Das "Framing" wurde ja schon von B90DG bis zur Verbrennung benutzt ;-) Demzufolge hätten wir ja schon ein Apokalypseszenario haben müssen. Nach saurem Regen und Waldsterben musste es ja weitergehen.

  • Sehr geehrte Frau Winkelmann,



    danke, dass Sie die klare Positionierung der CDU in diesem Artikel so treffend beschreiben.



    Es ist schon seltsam, dass sich die deutsche



    Autoindustrie so oft selbst im Weg steht.



    Schon die Einführung des Katalysators wurde bekämpft und als Niedergang der deutschen Autoindustrie besungen. Die Geschichte zeigt: totaler Quatsch!



    Für den nachhaltigsten Imageschaden für die deutsche Wirtschaft, sich selbst eingeschlossen, sorgte die deutsche Autoindustrie durch den Abgasskandal.



    Davon wird sich " made in Germany " nicht wieder erholen. Man/frau erinnere sich, wie lange der "Elchtest" Thema blieb.



    Die Politk hat der Autoindustrie mit dem Ankurbeln der E Autos einen guten Dienst erwiesen.



    Immerhin hat VW die Zeichen der Zeit erkannt und ist bei Rivian eingestiegen.



    Vielleicht ist Mercedes dann bald ein Fall für's Museum?

    • @Philippo1000:

      Stimmt, der Katalysatorenquatsch der Automobilindustrie (genauso wie das mit dem Blei damals) fällt mir auch immer wieder ein.

      Und was m.M.n die Fossil-Lobby massiv unterschätzt ist die kostenlose Solartankstelle zu hause, die die E-Mobility in absehbarer Zukunft massiv pushen wird. Vor allem auf dem Land.

      • @Anna Bell:

        Kostenlose Solartankstelle? Wann und wie soll diese entstehen? Meine eigene Solaranlage erzeugt Energie für 8,5ct/kWh. Darauf muss ich noch die MwSt abführen, die ich beim regulären Anbieter hätte zahlen müssen. Willkommen in der Märchen-Framing-Welt.

        • @JanD:

          Tschuldigung, 8,5 ct/kWh inkludiert die Investitionskosten, die sie nach ca. 10 Jahren wieder drin haben. OK, wenn Sie teuer gekauft haben, dann nach 15 Jahren. Dann hat ihre Anlage aber noch 10 Jahre bis die Herstellergarantie von 80 % erreicht ist.

          Und Mehrwertsteuer fällt auf Eigenverbruach seit 2023 nicht mehr an.

          Willkommen beim Fakten-Check!