Fragen und Antworten zu Energiepreisen: Bleiben die Wohnzimmer warm?
Im dritten Entlastungspaket plant die Regierung eine Strompreisbremse, lässt aber die Gaskund:innen allein. Und nun?
Im Rahmen ihres neuen Entlastungspakets will die Bundesregierung den Strompreis senken. Wie kann das gelingen?
Normalerweise hat die Regierung mit dem Strompreis nicht allzu viel zu tun, denn der Strommarkt ist liberalisiert. Sie bestimmt höchstens Steuern und Abgaben auf den Strom. Jetzt aber soll es eine „Erlösobergrenze“ geben, damit die Gaskrise den Stromkonzernen nicht gigantische Gewinne auf dem Rücken der Verbraucher:innen verschafft.
Aber man hört doch immer nur von strauchelnden Energiekonzernen?
Das sind die Gasimporteure, die unter den ausbleibenden Lieferungen aus Russland leiden. Bei der Stromproduktion sieht das aber anders aus: Dort treibt das teure Gas auch den Preis hoch, obwohl Strom kaum aus Gas hergestellt wird. Es gibt nämlich nur einen einzigen Preis für Strom am sogenannten Spotmarkt, also an dem Ort, an dem man kurzfristig Energie kaufen kann – obwohl die Kosten der Stromherstellung je nach Energiequelle ja sehr unterschiedlich sind. Um es plakativ zu sagen: Die Sonne schickt ihre Strahlen kostenlos auf den Boden, während man Kohle, Öl und Gas kaufen muss. Den Einheitspreis setzt das Kraftwerk mit den teuersten Grenzkosten – also das, für das es am teuersten ist, über die langfristig geplante Strommenge hinaus etwas mehr zu liefern. Es geht um Angebot und Nachfrage: Als Erstes werden die Kraftwerke mit den geringsten Grenzkosten genutzt. Das sind die erneuerbaren Energien. Zu deren günstigen Preisen lohnt es sich für Unternehmen nicht, extra fossile Kraftwerke zuzuschalten. Ist genau das aber zur Deckung der Nachfrage erforderlich, steigt der Preis deshalb entsprechend. Am teuersten wird es zu den Zeiten, in denen Gaskraftwerke gebraucht werden – erst recht, seit Gas so knapp und entsprechend hochpreisig ist. Das bedeutet: Wer seinen Strom günstiger produziert als das teuerste Kraftwerk, hat eben einfach eine höhere Marge.
Wie soll die Strompreisbremse also funktionieren?
Steigt der Einheitspreis am Spotmarkt durch den Gasmangel über die Erlösobergrenze, sammelt der Netzbetreiber die Differenz für die Nicht-Gaskraftwerke ein – und verteilt die Summe zurück an die Stromkund:innen. Das Ergebnis: „Den Privathaushalten kann so eine gewisse Menge Strom zu einem vergünstigten Preis gutgeschrieben werden“, wie es im Beschlusspapier des Ampel-Koalitionsausschusses heißt. Das funktioniert also wie eine Umlage, etwa die frühere EEG-Umlage oder auch die ab Oktober greifende Gasumlage, nur eben umgekehrt: Statt um zusätzliche Kosten geht es um Gutschriften auf der Rechnung. Wie hoch die ausfallen werden, ist bislang allerdings unklar. Auf jeden Fall geht die Bundesregierung damit auf eine Kritik an ihrer Gasumlage ein: Die bekommen nämlich alle Gasimporteure, die unter ausbleibenden Lieferungen aus Russland leiden – selbst wenn sie noch andere Geschäftsfelder wie die Stromgewinnung haben, die gerade florieren. Allerdings sind zur Umsetzung noch viele Fragen offen, auch in Bezug darauf, ob und wie man mit den europäischen Nachbarn zusammenarbeiten muss.
So weit zum Strom. Die Hälfte der Haushalte in Deutschland heizt aber mit Gas – hat die Regierung diese beim Preisbremsen vergessen?
Die SPD wollte auch ein Grundkontingent an Gas preislich deckeln, die Grünen sind dafür zumindest offen. Parteichefin Ricarda Lang nannte entsprechende Vorschläge am Montag „sehr spannend“. Die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem ermäßigten Preis wollten die Sozialdemokraten den Gasversorgern erstatten. Zum Beispiel aus den Einnahmen einer Steuer auf Übergewinne, welche die Energieunternehmen aktuell einstreichen. Laut einer Hochrechnung des Netzwerks Steuergerechtigkeit machen die großen Energiekonzerne infolge des Krieges in der Ukraine in diesem Jahr Extraprofit in Höhe von 113 Milliarden Euro mit Öl (38 Milliarden), Gas (25 Milliarden) und Strom (50 Milliarden) allein auf dem deutschen Markt. Die Sozialdemokraten hätten aber auch andere Quellen angezapft und wären offen dafür gewesen, etwa die Schuldenbremse zu lockern oder auf andere Maßnahmen wie den Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommenssteuer zu verzichten. Allein: Beides fand Finanzminister Christian Lindner (FDP) unzumutbar. Die Übergewinnsteuer durch die Hintertür, die über die Strompreisbremse eingeführt wird, aber nicht so heißen darf, ist für ihn ein gesichtswahrender Kompromiss.
Hätte es denn Ideen für Gaspreisdeckel gegeben?
Einen ersten Vorschlag hatte der Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung schon im März vorgelegt. Als Grundbedarf schlug er 8.000 Kilowattstunden pro Jahr vor – das entspräche dem halben Durchschnittsverbrauch für eine Wohnung mit 100 Quadratmetern. Für Haushalte mit vielen Mitgliedern gäbe es noch etwas dazu. Für die Grundmenge dürften die Gasversorger nur einen staatlich festgelegten Höchstpreis verlangen; die Differenz zum Einkaufspreis würde ihnen der Bund erstatten. Gasverbrauch, der über den Grundbedarf hinausgeht, müssten die Kund*innen zum Marktpreis bezahlen. Die Vorteile: Es gäbe weiterhin einen Anreiz, beim Heizen zu sparen – und wer viel verbraucht, weil er sich eine große Wohnung leisten kann, würde nicht übermäßig entlastet.
Eine Weiterentwicklung des Modells haben die Wirtschaftsweise Veronika Grimm und der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) am Wochenende vorgestellt. Der subventionierte Grundbedarf läge darin bei 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs deutscher Haushalte. Wer noch weniger verbraucht, bekäme dafür eine Prämie ausgezahlt. Der Anreiz zum Einsparen wäre also noch größer.
Was spricht denn gegen einen Gaspreisdeckel?
Dass der hohe Preis beim Gas eben anders als beim Strom nicht hauptsächlich durch ein spezifisches Markt-Design kommt – sondern dadurch, dass Gas weltweit schlicht knapp ist. Es muss also dringend gespart werden, jede künstliche Preissenkung könnte dem entgegenstehen. Das könnte auch zu weiteren internationalen Ungerechtigkeiten führen. Beispielsweise beklagen sich jetzt schon asiatische Länder, dass Europa ihnen das Gas wegkaufe – während man sich hierzulande darüber freut, dass sich die Speicher füllen. Dieses Argument spricht aber natürlich nicht dagegen, die Verbraucher:innen auf anderem Wege entsprechend zu entlasten. Der Gaspreis hat sich gegenüber dem früher normalen Niveau mehr als vervierfacht. Je nach Wohnungsgröße und Dämmzustand können im Falle einer Gasheizung so durchaus Mehrkosten von mehreren Tausend Euro auflaufen.
Wie geht es jetzt weiter?
Da der Koalitionsausschuss zu keiner Einigung kam, tat er, was man in solchen Fällen eben tut: Er gründete einen Arbeitskreis. Laut Beschlusspapier soll eine „Expertenkommission mit Vertreterinnen und Vertretern u. a. aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucherschutz“ klären, „ob und wie“ ein Gaspreisdeckel realisierbar ist. Sprecher*innen der Bundesregierung konnten am Montag noch nicht sagen, wie die Kommission genau besetzt wird, ab wann sie tagt und wann es ein Ergebnis gibt. Grünen-Chefin Lang forderte, dass die Gewerkschaften in dem Gremium „eine besondere Rolle“ spielen und Ergebnisse „schnellstmöglich“ kommen sollten. Klar ist: Hält die Kommission den Gaspreisdeckel grundsätzlich für möglich, geht der Ball wieder zurück an die Ampel. Sie müsste sich dann über die Finanzierung verständigen, sich also beispielsweise doch zu einer breiten Übergewinnsteuer oder zur Aussetzung der Schuldenbremse durchringen.
Soll ich mir jetzt einen Heizstrahler für meine Wohnung kaufen?
Bloß nicht – sonst könnte eintreten, wovor etliche Energieexpert:innen warnen: dass das Stromsystem wegen der unerwarteten Nachfrage teils zusammenbricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde