Forschung zur Kleinen Wasserlinse: Upcycling wie im Ententeich

Ein niedersächsisches Projekt prüft den Wert der Kleinen Wasserlinse für die Wasserreinigung und die Futtermittelproduktion. Eine Win-Win-Situation?

Zwei Enten schwimmen in einem Teich, der mit grünen Wasserlinsen bedeckt ist.

Enten fressen die Wasserlinse gern – deshalb wird die Wasserlinse auch „Entengrütze“ genannt Foto: Armin Weigel/dpa

OSNABRÜCK taz | Entengrütze. Wer dieses Wort hört, denkt an grün überwachsene Teiche in malerischer Märchenwald-Idylle. Hübsch anzusehen, aber das war es dann auch. Wer mit Agrarbiologin Stefanie Retz spricht, Projektmanagerin des Verbunds Transformationsforschung Agrar Niedersachsen (Trafo Agrar), angedockt an die Universität Vechta, ahnt schnell, dass das zu kurz greift: Die Kleine Wasserlinse, die Enten so gut schmeckt, dass sie nach ihnen heißt, könnte dazu beitragen, dass die konventionelle Landwirtschaft endlich begreift, wie grundlegend sie sich wandeln muss.

Retz koordiniert bei Trafo Agrar das Forschungs- und Modellprojekt „ReWali – Reduktion des Nährstoffeintrags in Gewässer sowie Produktion von Futtermittel durch Wasserlinsen“. Anfang Mai an den Start gegangen, hat es eine Laufzeit von drei Jahren und rund eine halbe Million Euro EU-Fördergeld im Rücken, von den Europäischen Innovations-Partnerschaften für Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit. Es geht um Grundlagenforschung. Ihr Versuchsfeld: die Gänsezucht.

ReWali kombiniert Wasserreinigung und Tiernahrungsproduktion: „In der Gänsehaltung fällt Brauchwasser an, dessen Nährstoffgehalt so hoch ist, dass man es nicht in Gewässer einleiten kann“, sagt Retz der taz. „Die Wasserlinse kann dieses Wasser reinigen.“

Indem sie ihm Nährstoffe entzieht, wächst sie, produziert Biomasse, extrem schnell. Indem sie schwimmt, an oder nah unter der Oberfläche, ist sie leicht zu ernten, durch Abschöpfen, durch Siebe. „So dient sie den Gänsen als proteinreiches Futtermittel“, sagt Retz. „Wir arbeiten da also an einer lokalen Kreislauf­wirtschaft.“ Zudem gehe es um die Frage, wie man Entengrütze haltbar macht, ob die Pflanze auch als Fischfutter taugt.

Retz koordiniert ein Team aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die Universität Göttingen ist für die Untersuchung der Qualität des Fleisches im Boot zuständig. Novagreen aus Vechta-Langförden steuert das Technische bei. Und die Gänsezucht Claßen aus Bakum, stolz auf ihre von Soja freie „ausgewogene Fütterung“, stellt die Versuchstiere zur Verfügung. „Derzeit sind es nicht mehr als eine Handvoll“, sagt Retz. „Aber im kommenden Jahr starten wir in großem Stil.“

Wenn alles gut geht, ist Entengrütze womöglich bald ein Ersatz für Soja

Initialzündung der Entengrütze-Idee, erzählt Retz, war die starke Nährstoffbelastung der Ahlhorner Fischteiche, eines niedersächsischen Naturschutzgebiets nordöstlich von Cloppenburg. Eutrophierung, die Überdüngung von Gewässern, durch Anreicherung von Nährstoffen wie Nitrat und Phosphor, gebe es „überall“, sagt Retz. ReWali könnte dazu beitragen, Abhilfe zu schaffen. Und Abhilfe ist dringend nötig. Zu viel Nährstoffeintrag, und das ökologische Gleichgewicht eines Gewässers ist schnell dahin. Aus einem artenreichen Fluß oder See wird dann schnell eine lebensferne, öde Brühe.

Sogar auf Schweinegülle lässt sich die Kleine Wasserlinse einsetzen. Eine Belastung, die zu einer Entlastung beiträgt? Landwirtschaft, Hand in Hand mit dem Umweltschutz? Eine Win-Win-Situation? Retz, über die bei Trafo Agrar entstandene Idee: „Das ist schon ziemlich out of the box gedacht.“

Tierrechtler Jan Peifer, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros, sieht die Sache nicht ganz so rosig. „Als kleiner Mosaikstein mag das ganz sinnvoll erscheinen“, sagt er. „Aber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass das im Grunde nur ein Versuch ist, Symptome eines kranken System zu bekämpfen. Das Grundsatzproblem wird dadurch ja nicht gelöst: Wir halten Tiere, um sie zu essen, und diese Tierhaltung hat negative Folgen, nicht zuletzt für die Qualität unserer Gewässer.“ Peifer, selbst Veganer, ist überzeugt: „Was wirklich helfen würde, wäre eine Reduktion unserer Tierbestände!“

„Ich persönlich denke nicht, dass es sinnvoll ist, wenn die gesamte Bevölkerung vegan lebt“, hält Retz dagegen. „Wir leben ja in einer Kulturlandschaft, und um die zu erhalten, brauchen wir Tiere. Nehmen wir die Alpenwiesen, die wir alle so lieben. Wollen wir die zu Äckern machen? Wer diese Wiesen will, braucht dafür Kühe!“ Peifer lässt ihr Argument nicht gelten: „Nichts gegen Kühe, das sind wunderbare Tiere. Aber warum muss man sie halten, um sie zu schlachten?“

Wenn alles gut geht, ist Entengrütze womöglich bald ein Ersatz für Soja. Gut für den brasilianischen Regenwald, der immer mehr gerodet wird, um Platz für Futtermittel-Monokulturen zu schaffen. Gut für die CO2-Bilanz, denn so fallen Transportwege weg. Für die Enten halten sich die Vorteile in Grenzen.

Ausschließlich Entengrütze bekommen die Versuchstiere bei Claßen übrigens nicht. „Gänse sind ziemlich picky“, sagt Retz. „Die fressen nicht alles, was man ihnen vorsetzt.“

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