piwik no script img

Forscherin über Diversity in Redaktionen„Medienwandel schreckt schnell ab“

Wie werden Journalistenschulen und Redaktionen diverser? Monitoring wäre ein erster Schritt, sagt die Wissenschaftlerin Julia Lück.

Besonders vielfältig geht es in der Bundespressekonferenz nicht zu Foto: dpa
Peter Weissenburger
Interview von Peter Weissenburger

taz: Frau Lück, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: Alle Redaktionen wollen Diversity, aber sie kriegen es nicht hin?

Julia Lück: Es stimmt, dass das Problembewusstsein sehr hoch ist. Dass die meisten Redaktionen sich mehr Vielfalt wünschen – dass sie aber nicht alle in gleichem Maße Handlungsstrategien entwickelt haben, um das Problem anzu­gehen.

Sie haben mit Redak­tions­leiter*innen und Leiter*innen von Journalistenschulen gesprochen. Welche Erklärungen haben Sie da gehört, warum das noch nicht so läuft mit der Diversität?

Es gibt viele Ursachen, und alle stehen auch vor unterschiedlichen Herausforderungen. Was wohl alle gemein haben, ist, dass Medien und Journalismus im Wandel sind. Das schreckt generell ab, vor allem aber die jungen Leute, die es sich zweimal überlegen müssen, ob sie diesen Weg einschlagen. Die Bewerberzahlen gehen in einigen Medienhäusern offenbar zurück. Damit einher geht das Narrativ von der wirtschaftlich schweren Lage der Medien.

Sie meinen das Problem, dass der Einstieg in den Journalismus sehr prekär ist? Es heißt ja gerne: „Journalismus muss man sich leisten können.“

Interessanterweise habe ich mehrere Interviews in Schweden geführt, wo diese Frage gar nicht verstanden wurde. Ich musste weit ausholen, um zu erklären, was ich damit meine. Bei uns in Deutschland ist die Situation so: Wenn Sie sich bewerben, bei Journalistenschulen oder -studiengängen, dann müssen Sie ein gewisses Know-how schon mitbringen. Man muss eine Grundidee davon haben, wie man einen Bericht oder eine Nachricht aufsetzt, um überhaupt in die Ausbildung zu kommen. Dazu muss man Praktika gemacht haben, und die sind schlecht oder teilweise immer noch unbezahlt. Das gibt es so in Schweden nicht.

Was haben Sie denn von ihren Interviewpartner*innen in den oberen Etagen gehört, was diese aktiv tun wollen?

Die Häuser versuchen durchaus, Strategien zu entwickeln. Einige sind da weiter als andere. Bei vielen ist der erste Schritt, zunächst einmal breiter für sich zu werben. Dass man etwa vermehrt in Schulen geht, um mit Leuten in Kontakt zu kommen. Wenn junge Leute nämlich null Kontakt im Freundes- oder Familienkreis zu Journalistinnen oder Journalisten haben, dann haben sie auch gar keine Vorstellung davon, was den Beruf ausmacht. Eine weitere Strategie, die bislang in Deutschland weniger verfolgt wird, die meines Erachtens aber zentral ist, ist ein konsequentes Monitoring.

Im Interview: Julia Lück

ist Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni Mainz. Für die Studie „Talent and Diversity in Media“ von Uni Mainz und Reuters Institute hat sie qualitative Interviews in Deutschland, Großbritannien und Schweden geführt – vor allem mit Chefredakteur*innen und Leiter*innen von Journalistenschulen.

Was heißt das?

Wir haben jedes Mal gefragt: Können Sie uns Zahlen nennen? Wie sieht es denn bei Ihnen aus? In Großbritannien haben wir darauf aus mehreren Häusern Zahlen und oft auch Zielzahlen gehört. In Schweden wiederum wird das im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit sehr genau kontrolliert. Dort sind per Gesetz sogenannte Equal Opportunity Plans gefordert, in denen man aufzeigen muss, wie man Geschlechtergerechtigkeit im Unternehmen herstellen will. All das wird in Deutschland noch so gut wie gar nicht gemacht. Da haben wir oft gehört: Wie sollen wir das denn überhaupt erheben? Datenschutzrechtliche Bedenken wurden angeführt. Das ist natürlich richtig, aber ich glaube, man muss Wege finden, sich erst einmal ein objektives Bild davon zu machen – Wie sieht es überhaupt aus bei uns im Haus, in der Redaktion? –, um das dann konsequent anzugehen.

Zu der Frage nach journalistischem Nachwuchs mit Migrationshintergrund steht in Ihrer Studie, dass häufig fehlende Sprachkenntnisse als Hinderungsgrund genannt wurden.

Das ist tatsächlich oft, was man als Erstes zu hören bekommt. Das muss man kritisch hinterfragen. Es geht ja meistens um Menschen der zweiten und dritten Generation und nicht um gerade erst Eingewanderte. Aber auch wenn die Sprache nicht perfekt sein sollte: Gerade beim Schreiben machen Redakteure den ganzen Tag nichts anderes, als Sprache zu korrigieren. Das ist also behebbar. Schwieriger ist es tatsächlich für Einwanderer, selbst jene, die schon als Journalist im Heimatland gearbeitet haben, sich im hiesigen Mediensystem zurechtzufinden.

In der Studie heißt es abschließend: Wenn man Kolleginnen mit diversen Hintergründen eingestellt hat, sei die Aufgabe nicht zu Ende. Was heißt das?

Die Erkenntnis, dass Vielfalt nicht mit dem Einstellungsprogramm endet, ist noch nicht vollständig durchgesickert. Wenn man unterschiedlichste Leute in der Redaktion hat, aber alles andere so macht wie immer, dann geht Vielfalt unter, in den etablierten Strukturen, in den Blattlinien, den Deadlines. Da muss man sich dann überlegen, wie man Vielfalt im Arbeitsalltag leben will. Sonst wird es für die Leute mit diverserem Hintergrund schnell frustrierend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Vielfalt ist natürlich, Vielfältigkeit schützenswert.



    Vielfalt garantiert aber keine Ausgewogenheit, keine Fairness oder ähnliches.

    Der Mehrklang der Stimmen macht die einzelne Stimme nicht ausgewogener, klüger oder scharfsinniger.

    Man gewinnt den Eindruck, dass Diversity leisten soll, was sie gar nicht kann.

    • @pitpit pat:

      Zitat: "Vielfalt garantiert aber keine Ausgewogenheit, keine Fairness oder ähnliches.Der Mehrklang der Stimmen macht die einzelne Stimme nicht ausgewogener, klüger oder scharfsinniger. Man gewinnt den Eindruck, dass Diversity leisten soll, was sie gar nicht kann."

      Sehr treffend formuliert. Den Eindruck hab ich auch ganz stark.

      Ich erkläre mir meine Beobachtung wie folgt: In einer Marktwirtschaft im „Endstadium“ (nur noch die ganz großen sind übrig) geht es ganz wesentlich um Ab- bzw. Umsatzzahlen. Der Nutzen und die Qualität der Produkte spielt eine abnehmende Rolle. Wer erfolgreich sein will, der muss seine Waren vor allem attraktiv verpacken und bewerben. Ist das Produkt erst einmal an den Mann oder die Frau gebracht, sind dessen Nutzen und Qualität nicht mehr wichtig. Für das Unternehmen nicht, für den Kunden aber auch nicht. Letzterer will ja immer up to date sein, ist also mitunter gar nicht böse, wenn eine Ware nicht hält, was sie versprochen hat.

      Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung legen wenig Wert auf Nachhaltigkeit, weil sie ja keine Konkurrenz zu fürchten brauchen. Je weniger ein Produkt taugt, um so besser ist das sogar für das Unternehmen, weil es Ersatz- oder Nachfolgeprodukte verkaufen kann, wenn das ursprüngliche Produkt kaputt geht oder nichts nützt. Zur Belohnung dürfen die Marktbeherrscher auch noch die Preise anheben .

      Das kann nicht ohne kulturelle Folgen bleiben. Schon gar nicht, wenn die Zusammenhänge nicht reflektiert werden und Moral keine wichtige Kategorie ist. Dann färbt das Verhalten der Unternehmen ab. Auch den Kunden gehen gewisse Verhaltensweisen quasi in Fleisch und Blut über. Medienmenschen sind davor nicht sicher.

      Wenn sie von den „Großen“ das Siegen lernen, kann es schon vorkommen, dass sie sich ganz auf die äußere Erscheinung verlassen und das Wesen für unwichtig halten. Sie glauben dann, Frauen, „Bunte“ oder an anderen äußeren Merkmalen Erkennbare an die Spitze einer Pyramide zu hieven, würde Erfolg bringen.:(

  • Noch was. Habe ich irgendetwas verpasst odder weshalb müssen Redaktionen in bälde mit allerlei verschiedenen Menschen paritätisch besetzt werden? In erster Linie geht es um Journalismus, der beinhaltet ein Tätigkeits- und Aufgabenspektrum. Dafür bringen manche Leute ein Talent mit, andere wiederum nicht. Journalistenschulen sieben nach diesen Kriterium alles andere ist zweitrangig. Die Qualität von Medien nimmt nicht aufgrund Diversität zu, wohl aber durch Talent und Begabung einzelner Menschen, gleich welchen Geschlechts und Herkunft etc., die sich für diesen Beruf entscheiden.

    • @Pia Mansfeld:

      Auch wenn der von Ihnen beschriebene Gedanke einer Meritokratie attraktiv scheint, so hat sich doch immer wieder gezeigt, dass eine einseitig besetzte Gruppe ein starkes Indiz dafür ist, dass eben nicht ausschließlich nach Talent und Leistung ausgewählt wird, sondern auch anhand von anderen Kriterien, wie z.B. vorhandene Kontakte, Geschlecht, etc.

      Auch deswegen ist es gut, sowohl Talent und Leistung als auch die Vielfalt zu berücksichtigen, um tatsächlich eine höhere Qualität zu erreichen.

    • @Pia Mansfeld:

      Danke!

  • "Die Erkenntnis, dass Vielfalt nicht mit dem Einstellungsprogramm endet, ist noch nicht vollständig durchgesickert. Wenn man unterschiedlichste Leute in der Redaktion hat, aber alles andere so macht wie immer, dann geht Vielfalt unter..."



    Wie jetzt? Sind Print- und Online-Medien denn dann keine Unternehmen mehr, die Informationen, recherchiert, aufbereitet zu einem gewissen Zeitpunkt einer gewissen Klientel verfügbar machen möchte? Dann packen sich alle an die Hand und trallala schauen wir mal, wie wir die Vielfalt erhalten und was am Ende mit dem Produkt Information in unserem Medium hinten rauskommt? Die oberste Direktive lautet dann nicht mehr Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken, sondern Vielfalt, Vielfalt, Vielfalt und alles andere ist nebensächlich?



    Na dann viel Spaß dabei.

    "Sonst wird es für die Leute mit diverserem Hintergrund schnell frustrierend."



    Weshalb nur für die? Weil es kein Ponyhof ist? Weil sich nur die bewerben, die Journalismus dann als nette unterhaltsame Art seinen Alltag zu verbringen verstehen und nicht als Arbeitsplatz, wo Leistung gefragt ist und Dinge in Form von Informationen und Artikeln abgeliefert werden?



    Mir wird schwindelig vom vielen Kopfschütteln.