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Forderungskatalog „Berliner Erklärung“Mehr Frauenquoten müssen her

Verbände fordern die Parteien auf, für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen. Dafür brauche es klare Gesetze, mehr Geld und neue Ideen.

Gemeinsam für Gleichberechtigung: „Berliner Erklärung“ 2016 Foto: Imago

Berlin taz | Es sind noch 100 Tage bis zur Bundestagswahl. Nach und nach präsentieren die Parteien ihre Wahlprogramme. Gewöhnlich werden Gender-Themen dort nicht so ausführlich bedacht, wie sie bedacht werden sollten. Das findet zumindest ein Bündnis aus 41 Frauenverbänden – und legt daher mit der „Berliner Erklärung“ einen Forderungskatalog für mehr Gleichstellung vor.

Dass Lobbyverbände vor einer Bundestagswahl Forderungen erheben oder mit sogenannten Wahlprüfsteinen die Programme der Parteien nach ihren Interessen durchforsten, ist mittlerweile ein etabliertes Instrumentarium, um auf die eigenen Themen aufmerksam zu machen. So gibt es die „Berliner Erklärung“ inzwischen seit zehn Jahren. Sie versammelt alle Themen, die Frauen-, Sozial-, Kinder-, Gesundheits- und Kulturverbände bewegen.

Den Forderungskatalog fassen die Au­to­r:in­nen von Organisationen wie UN Women Deutschland, Pro Quote Medizin, Landfrauenverband, Verband deutscher Unternehmerinnen, Working Moms, Frauen in die Aufsichtsräte FidAR und der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen wie folgt zusammen: „Ein ‚Weiter so‘ darf es nach der Bundestagswahl im Herbst nicht mehr geben, es ist Zeit für Parität, ohne Ausnahmen.“

Im Einzelnen bedeutet das unter anderem eine feste Quote für Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen, den gleichen Anteil von Frauen und Männern in allen Leitungsebenen der vom Bund geförderten Kultureinrichtungen (Theater, Opern, Orchester, Museen), bei Lehrstühlen und in Wissenschaftsgremien, bei Bundesgerichten sowie bei den Listen- und Direktmandaten in der Politik.

Nötiger denn je

Der Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, sollte von aktuell leicht gesunkenen 18 Prozent weiter geschlossen und ein „wirksames“ Entgelttransparenzgesetz inklusive Verbandsklagerecht installiert werden. Zudem fordern die Autor:innen, die neue Bundesstiftung Gleichstellung finanziell besser auszustatten, die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen vollständig umzusetzen sowie ein Bundesprogramm für Gewaltprävention aufzusetzen.

Das alles ist weder neu noch überraschend, aber in den Augen der Frauenverbände nötiger denn je. So ist der Frauenanteil im aktuellen Bundestag mit knapp 31 Prozent so gering wie zuletzt vor 20 Jahren, jeden dritten Tag stirbt eine Frau infolge von Partnerschaftsgewalt. Die Pandemie hat die sozialen geschlechterbedingten Ungerechtigkeiten in Pflege- und Sorgearbeit deutlich zutage befördert.

An dieser Stelle bleibt das Bündnis aber nicht stehen, sondern wartet gleichwohl mit innovativen Vorschlägen auf: Weil beispielsweise das Ehegattensplitting juristisch nicht leicht zu kippen ist, schlagen die Au­to­r:in­nen Übergangsregelungen wie die Abschaffung der (Hausfrauen-)Lohnsteuerklasse V vor, ebenso mehr Anreize für eine zeitgleiche Aufteilung der Elternmonate und die Einführung eines Schulfachs Lebensökonomie.

Sogenannte haushaltsnahe Dienstleistungen sollten legal und auch für Menschen mit geringen Einkommen bezahlbar sein. Ein Modell, das sich in Belgien seit 2004 über staatlich subventionierte Gutscheine bewährt und Schwarzarbeit eingedämmt hat.

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5 Kommentare

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  • "Der Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, sollte von aktuell leicht gesunkenen 18 Prozent weiter geschlossen..."

    Der bereinigte Gender Pay Gap liegt nur bei 6 Prozent. Aber das ist natürlich nicht so eindrucksvoll.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich bin vor allem für eine verbindliche Umsetzung bei der Einstellung von behinderten Menschen.



    Hier kaufen sich Firmen und Institutionen einfach frei.

    Das ist viel dringlicher als die Rosinenpickerei!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Thänx, Mr. Nice!



      Wenn es überhaupt einen Quotenbedarf gibt, dann zweifellos bei unseren behinderten Mitbürgern. Es ist ein unerträglicher Skandal dass sich Unternehmen aus diesen gesetzlichen Regelungen freikaufen können.

  • " So ist der Frauenanteil im aktuellen Bundestag mit knapp 31 Prozent so gering wie zuletzt vor 20 Jahre."

    Ach, Frau Schmollack, niemand hindert die Frauen daran, verstärkt in die Parteien einzutreten und sich den Mühen der Ebene: der trocknen Parteiarbeit zu widmen.

    Also, Frauen tretet in die Parteien ein!

    Die Frauen der Grünen und Linken müßten bei Quotierung (gemäß Bevölkerungsproporz) übrigens Plätze an Männer abgeben, da sie über 50 % liegen.



    Frauenanteil im deutschen Bundestag [1]:



    Grüne 58,2 %



    Linke 53,6 %



    SPD 41,8 %



    CDU/CSU 19,9%



    FDP 22,5 %



    AFD 10,8 %

    Wenn überhaupt ‘Quote’ dann wäre allerdings nicht der Bevölkerungsanteil, sondern der Anteil der Frauen in den Parteien die entscheidende Vergleichsgröße, denn aus den Parteien rekrutieren sich alle höheren Funktionen. Alles andere wäre ungerecht.



    Und in den Parteien sieht es so aus:



    Frauenanteil in Parteien: [2]



    Grüne 49,5%



    Linke 36,4 %



    SPD 32,6 %



    CDU 26,3 %



    FDP 23,7%



    CSU 20,7 %



    AFD 17,1 %

    Zusammenfassend:



    „Aktuell (seit 2017) liegt der Frauenanteil bei drei Bundestagsfraktionen (Grüne, Linke, SPD) deutlich über dem Frauenanteil der jeweiligen Parteimitglieder, bei der FDP nahezu gleichauf und bei zwei Fraktionen (CDU/CSU, AfD) unter dem Frauenanteil der zugehörigen Parteimitglieder.” [1]



    Einzig in der AFD sind die Frauen deutlich unterrepräsentiert – und wenn die Frauen so klug sind, nicht in diese Partei einzutreten, haben sie meinen Segen.

    [1] vgl.Wikipedia, Bundestag seit 1949



    [2] vgl. statista

  • Eine Quote für Frauen oder auch Männer wird im Grundgesetz nicht gefordert. Im Gegenteil, hier steht sogar ausdrücklich, dass niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

    Eine Quote ist diktatorisch und diskriminierend. Dann doch lieber die Förderung (z.B. bei Alleinerziehenden) anpassen, damit alle interessierte Menschen die gleichen Chancen für diese Jobs/Aufgaben haben.