Forderung nach Lieferkettengesetz: Firmen wollen staatliche Vorgaben
Ein Gesetz soll Zulieferer zu höheren Sozial- und Umweltstandards verpflichten. Ausgerechnet berüchtigte Firmen fordern das.

In einem Positionspapier, welches der taz vorliegt, sprechen sich unter anderem Adidas, BMW, Bayer, Daimler, Deichmann, H&M, Mondelēz, Nestlé und Philips „grundsätzlich für eine hinreichend klare und praktisch umsetzbare EU-weite Rahmenordnung aus“.
Es geht um Probleme wie diese: Die Beschäftigten in den Fabriken Asiens bekommen für das Nähen von T-Shirts, Jeans und Sportschuhen meist viel zu niedrige Löhne. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé musste sich beispielsweise mit dem Vorwurf der Kinderarbeit auf Kakaoplantagen in Westafrika auseinandersetzen. Autohersteller haben Probleme mit Rohstoffen wie Leder und Metall, die aus ökologisch und sozial bedenklicher Produktion stammen.
Das Positionspapier der Firmen liefert Unterstützung für Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die am Entwurf eines Lieferkettengesetzes arbeiten.
Paradox: Firmen für Regulierung
„Nestlé begrüßt eine gesetzliche Regulierung zur Definition der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen“, sagt dagegen Achim Drewes, Cheflobbyist des Konzerns in Deutschland. Auch der zunächst nationale Ansatz, den Müller und Heil vorantreiben, sei in Ordnung. „Wir können mit einer nationalen Regelung leben – in der Hoffnung, dass sie Dynamik in die Debatten der EU bringt“, urteilt Drewes. „Dabei ist eine europaweite Regulierung unser zentrales Anliegen.“
Verzögern wollen diesen Prozess hingegen sowohl der BDI als auch der BDA. Erst an diesem Montag veröffentlichte der BDI eine entsprechende Erklärung. Die Situation erscheint paradox: Warum bitten Unternehmen um Regulierung durch den Staat? Eine Antwort: Firmen wie Nestlé haben schon selbst versucht, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, weil sie beispielsweise Kinderarbeit als wirtschaftliches, juristisches und Image-Risiko betrachten. Solche Bemühungen verursachen jedoch Kosten, die sich Konkurrenten, die weitermachen wie früher, sparen.
Gäbe es ein deutsches oder europäisches Lieferkettengesetz, müssten es alle Firmen anwenden. „Ein derartiges Gesetz würde die Kostennachteile der Unternehmen reduzieren, die schon höhere menschenrechtliche Standards umsetzen“, sagt Drewes.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen