Das Lieferkettengesetz kommt: Unternehmen in der Pflicht

Kann das Lieferkettengesetz halten, was es verspricht? Es sei schlecht gemacht und käme unpassend, argumentieren Wirtschaftsverbände.

Kakaofarmer in Madagaskar

Das Lieferkettengesetz soll ihre Rechte besser schützen: Kakaofarmer in Madagaskar Foto: Giulio Di Sturco/contrasto/laif

BERLIN taz | Kurz vor Inkrafttreten des sogenannten Lieferkettengesetzes gibt es noch mal heftige Kritik von Wirtschaftslobbyisten. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, wie es richtig heißt, verpflichtet Unternehmen zu Sorgfalt bei Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der Lieferkette.

„Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht und es kommt zur Unzeit. Wir sind extrem unzufrieden damit“, sagte etwa Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, der Deutschen Presse-Agentur kurz vor Weihnachten. Auch die Präsidenten vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, meldeten sich zu Wort und verlangten zumindest eine Verschiebung des Gesetzes.

Die Wirtschaftsverbände hatten sich zuvor stark gegen ein deutsches Lieferkettengesetz eingesetzt und lobbyieren weiterhin gegen ein europäisches. Ende September hatte bereits die FDP den Wirtschaftsverbänden beigestanden und sich ebenfalls für eine Verschiebung eingesetzt. Mitte Dezember kam dann Solidarität aus Bayern. Das Kabinett wolle eine Bundesratsentschließung gegen das Gesetz auf den Weg bringen, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Sitzung der Staatsregierung.

Zwei Tage später beschloss auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Aussetzung des Gesetzes für zwei Jahre zu fordern. Die Regierung bekennt sich weiterhin zu dem Gesetz. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonten noch am Donnerstag die Notwendigkeit des Gesetzes.

Ab 2023 müssen Firmen Berichte abliefern

Zunächst betrifft das Gesetz Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Um Missstände entlang ihrer Lieferkette zu erkennen, müssen sie ab dem 1. Januar Risikoanalysen durchführen, ein Risikomanagement und Beschwerdemechanismen einrichten und öffentlich darüber berichten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) kontrolliert diese Berichte. Außerdem geht es Beschwerden nach.

Aber auch ohne konkrete Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen werde die Behörde stichprobenartig Unternehmen in bestimmten Risikobereichen untersuchen, sagte ein Sprecher des Bafa. So werden sie Personen vorladen und Geschäftsräume betreten, um zu rekonstruieren, ob Unternehmen das Nötige getan haben, um Missstände zu beenden. Im Falle von Verstößen kann die Behörde Bußgelder erheben.

Was genau unter Risikobereichen zu verstehen ist, wollen die Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Initiative Lieferkettengesetz und der entwicklungspolitische Dachverband Venro wissen und hatten von der Behörde gefordert, konkrete Risikokriterien zu formulieren. Diese hat das Bafa bislang nicht vorgelegt. Auch seine Methode bleibt unklar.

Das Amt will in seiner Prüfung auf nationale Behörden in Ländern entlang der Lieferkette zurückgreifen, sagt der Bafa-Sprecher. Fraglich ist, ob diese Stellen wirklich die Informationen teilen, die einem Unternehmen schaden könnten, das in eine Region investiert. Für die Überprüfung sei aktuell ein Team aus 50 Mitarbeitenden zuständig, schreibt das Bafa. Doch während das Gesetz schon in Kraft tritt, sind noch einige Stellen unbesetzt. Die Behörde sucht noch nach Prüfer:innen.

Noch Prüfer:innen-Stellen unbesetzt

Grund dafür sei, dass der Bedarf aus der Gesetzesfolgenabschätzung ohne Rücksprache mit dem Bafa ermittelt wurde, so eine Sprecherin von Germanwatch. Das Bafa selbst habe einen Stellenbedarf von 133 ermittelt und von der Bundesregierung vorerst nicht einmal die Hälfte bewilligt bekommen. Zu wenig, heißt es aus der Zivilgesellschaft. Bis Sommer 2023 will das Bafa aufstocken.

Die Anzahl der Mitarbeitenden soll verdoppelt werden, wenn 2024 über 5.000 Unternehmen, die mehr als 1.000 Beschäftigte haben, gesetzlich verpflichtet sind, Sorgfaltspflichten einzuhalten. Für Furore bei den Wirtschaftsverbänden sorgte hingegen ein Fragenkatalog des Bafa, der im Oktober an die Unternehmen verschickt wurde und als Leitfaden dienen soll. Verbandspräsident Jandura kritisierte diesen als „ein rein theoretisches Konstrukt und praxisfern“.

Es gibt aber auch andere Stimmen aus der Wirtschaft. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé etwa hat sich auf deutscher und europäischer Ebene für ein Lieferkettengesetz eingesetzt. Das Unternehmen wird immer wieder etwa wegen Menschenrechtsverletzungen auf seinen Kakaoplantagen angeprangert und erhofft sich wohl unter anderem Rechtssicherheit durch das Gesetz.

„Wir befürworten den Fragenkatalog, da so Vergleichbarkeit und Transparenz hergestellt werden“, sagte eine Sprecherin von Nestlé Deutschland. Unklarheiten und Herausforderungen müssten gemeinsam angegangen werden. Der Fragenkatalog könne dabei als Leitfaden dienen. „Ob der bürokratische Aufwand höher ist als der letztendliche Nutzen für das gemeinsame Ziel, Menschenrechte zu schützen, muss daher regelmäßig überprüft werden“, sagte die Sprecherin.

Alle Firmen sollten einbezogen sein

Auch kleinere Unternehmen wie der niederländische Schokoladenhersteller Tony’s Chocolonely mit weltweit etwa 270 Beschäftigten betonen, dass die Anforderungen umsetzbar sind. „Wir sind der Meinung, dass es die Pflicht eines jeden Unternehmens ist, sich mit seiner Lieferkette und den Auswirkungen in den Anbau- oder Herstellungsländern auseinanderzusetzen. Egal ob groß oder klein, alle Unternehmen müssen an das Gesetz gebunden sein“, sagte eine Sprecherin.

Ab 1. Januar werden rund 1.300 Unternehmen überprüft. Eine Auflistung der Firmen gibt es bisher nicht. Auch das hatten zivilgesellschaftlichen Akteure gefordert.

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