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Folter in der TürkeiFausthiebe ins Gesicht, Tritte, Prügel

„Welt“-Journalist Deniz Yücel wirft Erdoğan vor, dass er in türkischer Haft gefoltert wurde. Berichte über Folter in Polizeigewahrsam gab es zuletzt häufig.

Es gibt viele Vorwürfe über Folter und Misshandlungen in türkischer Polizeigewahrsam Foto: reuters

Istanbul taz | Die Aussage des ehemaligen Türkei-Korrespondenten der Welt, Deniz Yücel, er sei in der Untersuchungshaft gefoltert worden, entspricht den Erfahrungen vieler Gefangener in der Türkei. In aller Regel betreffen die Foltervorwürfe die Zeit nach dem Putschversuch im Juli 2016 und dem anschließend verhängten Ausnahmezustand, der am 20. Juli 2016 begann und bis zum Juli 2018 andauerte. In dieser Zeit waren die Rechte von Untersuchungsgefangenen sowieso eingeschränkt, hatte der Festgenommene tagelang keine Möglichkeit einen Anwalt zu sprechen oder seine Angehörigen zu sehen.

Anders als Deniz Yücel, der in seiner Aussage vor einem Berliner Gericht berichtet, dass die Folter nach seiner Einlieferung in das Gefängnis in Silivri begann, wo tausende politische Gefangene festgehalten werden, berichten die meisten Betroffenen von Folter in Polizeihaft in den ersten Tagen nach ihrer Festnahme. Dabei ging es in aller Regel darum, ein Geständnis zu erzwingen oder den Gefangenen durch Folter dazu zu bringen, Informationen über vermeintliche oder tatsächliche Regimekritiker preiszugeben.

Der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer hatte im Dezember 2016 einen Report über Folter in der Türkei veröffentlicht. Darin listet er Vorwürfe über Folter und Misshandlungen in türkischer Polizeigewahrsam auf. Bei den Polizeiverhören seien viele der Festgenommenen geschlagen worden. Es hätte Fausthiebe ins Gesicht, Tritte und schlimme Prügel gegeben. Dazu kamen Drohungen mit sexueller Gewalt, in einigen Fällen auch vollzogene Vergewaltigungen. Weiterhin seien viele Häftlinge durch Schlafentzug misshandelt worden, oft sei den Gefangenen auch Wasser und Essen vorenthalten worden.

Entsprechende Berichte für den gleichen Zeitraum gab es auch von Amnesty International und Human Rights Watch. Beide Organisationen berichteten, dass vor alle Verdächtige, denen vorgehalten wurde, Mitglieder oder Sympathisanten der Gülen-Sekte zu sein, die für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird, schwer misshandelt wurden. Dies betraf vor allem Militärangehörige, die an dem Putschversuch beteiligt gewesen sein soll.

Sondersituation in kurdischen Gebieten

Der UN-Sonderberichterstatter beklagt, dass während der Zeit des Ausnahmezustandes alle Berichte über Foltervorwürfe ohne Konsequenzen blieben und keinem Vorwurf offiziell nachgegangen wurde. Im Gegenteil, Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte durch den Präsidialerlass Nr. 667 allen Entscheidungsträgern und allen ausführenden Kräften in Polizei und Justiz ausdrücklich Straffreiheit zugesichert.

Das Anti-Folter-Komitee der Vereinten Nationen kritisiert auch, dass auch nach Aufhebung des Ausnahmezustandes im Juli letzten Jahres im türkischen Strafgesetzbuch „Folter“ viel zu eng definiert sei. Laut UN müssten alle Handlungen, durch die gewaltsam oder mit Anwendung von Zwang Geständnisse oder Informationen von Gefangenen erpresst werden, unter den Folterbegriff fallen und entsprechend sanktioniert werden. Das ist aber nicht der Fall. Auch heute berichten Betroffene, die bei Demonstrationen festgenommen wurden, häufig, dass sie in der Polizeiwache verprügelt wurden, bevor man sie dann wieder freigelassen hat.

Eine Sondersituation gibt es seit Jahren in den überwiegend von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten der Türkei. Hier wurde bereits seit den 70er Jahren als Teil der „Aufstandsbekämpfung“ systematisch gefoltert. Die schlimmsten Berichte über brutale Folter, bei der auch Menschen zu Tode gefoltert wurden, stammen, wie Deniz Yücel in seiner Aussage auch erwähnt, aus dem Militärgefängnis in Diyarbakır. Nach Angaben des türkischen Menschenrechtsvereins IHD und der Menschenrechtsstiftung TIHV, die sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit der Situation in den kurdischen Gebieten befassen, wandten sich allein 2017 mehr als 600 Menschen mit Foltervorwürfen an die beiden Organisationen. Dazu kamen Beschwerden über Misshandlungen bei Demonstrationen oder auch am Arbeitsplatz.

Generell kann man sagen, dass nach der Verhängung des Ausnahmezustandes die Folter, insbesondere auf Polizeistationen, wieder systematisch angewandt wurde, wenn auch nicht mehr in der brutalen Form wie in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Hatte die Regierung Erdoğan zu Beginn ihres Regierungsantritts 2003 noch stolz darauf verwiesen, dass sie Folter in keiner Weise mehr tolerieren würde, ist dies längst nicht mehr der Fall. Je größer und massiver die Kritik an der Regierung Erdoğan wird, umso eher wird gegen Regimegegner auch wieder Folter angewandt, um Informationen oder Geständnisse zu erpressen.

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10 Kommentare

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  • Erst SEIT 2016 ??

    In der Zeit vor Erdoğan - unter den früheren "laizistischen", sehr NATO-treuen Regierungen - wurde noch flächendeckender gefoltert. Auch die Zerstörung von 2000 kurdischen Dörfern mit NATO-Kriegstechnik datiert aus dieser Zeit.

    Nur solange Erdoğan noch nicht ganz fest im Sattel saß, sich erst noch gegen das Militär durchsetzten musste, ging die Folter zurück und es herrschte weitgehend Frieden in den kurdischen Gebieten.

    Siehe 'Jahresbericht Türkei 2011' von Amnesty International: "In einem richtungweisenden Urteil wurden in der Türkei 19 Staatsbedienstete, darunter auch Polizeibeamte und Gefängnisaufseher, wegen ihrer Beteiligung an den Folterungen



    verurteilt... Vier der Angeklagten wurden 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt. Es war das erste Mal in der türkischen Rechtsgeschichte, dass Staatsbedienstete für einen Todesfall, der auf Folter zurückzuführen war, eine solche Strafe erhielten."



    amnesty-gegen-folt...resberichte-archiv

  • einen Krieg anzuzetteln!Der dritte Golfkrieg ist nicht mehr weit entfernt.Traurig,aber wahr.

  • Es fängt immer auf die gleiche Weise an:Erst kommt ein Flugzeugträger und eine Bomberstaffel...jetzt kommt noch ein Schiff dazu.Danach ist dann plötzlich aus humanitären Gründen nix anderes mehr möglich als..

  • Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass in Deutschland hunderttausende türkische Erdogan AnhängerInnen nichts gegen Folter haben. Erst recht nicht gegen Terror und Folter gegen die kurdische Bevölkerung in der Gegend um Diyarbakır im Südosten der Türkei. Dass Deutschland die offizielle türkische Antikurdenpolitik unterstützt, sei nicht nur am Rande erwähnt.



    Der freundliche Umgang mit Mördern und Folterknechten, ob in der Türkei, Saudi Arabien oder auch das stille Dulden US amerikanischer Folterknäste durch die Bundesregierung, lässt erahnen, welche Prioritäten diese GroKo wirklich hat.

    • @Rolf B.:

      Volle Zustimmung!

  • Die Geschäfte mit den Mördern und Folterknechten in der Türkei, Saudi Arabien, auch USA und werweisswonochüberall laufen eben zu gut, ummehr zu unternehmen, als nur Sturzbetroffenheit zu heucheln.



    Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Wählt nur weiter euere Lieblinge wie SPDCDUFDF oder schlimmer. Ohne eine starke Linke in D geht diese Schleimscheisserei immer so weiter und weiter. Wollt ihr das, ihr Opportunistenvolk???



    Viel Spass beim nächsten Türkeiurlaub und haltet schön die Fresse. Sonst dürft ihr vielleicht die Sonderbehandlung für Menschen mit eigener Meinung testen!

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    Als ob es in der BRD - in welcher laut Statistik pro Jahr (!) über 2000 Personen in Polizeigewahrsam Misshandelt werden , gegen 4 Millionen Beamte deswegen ermittelt wird & div. Todesfälle in diesem Zusammenhang bereits durch die Presse gingen - keine Polizeigewalt gäbe ...

    www.heise.de/tp/fe...eamte-3432951.html , de.wikipedia.org/w...alt_(Kriminologie)

    • @05654 (Profil gelöscht):

      4 Millionen Polizeibeamte ?



      Na, na....

    • @05654 (Profil gelöscht):

      Sehr interessanter Kommentar, allerdings nur interessant für Leute, die den Artikel gar nicht gelesen haben.