Folgen des Sicherheitspakets: Bundesregierung behindert Syrien-Heimreisen
Geflüchtete verlieren Schutz, wenn sie ohne „sittlich zwingenden“ Grund in die Heimat reisen. Das erschwert nun Syrer*innen die freiwillige Rückkehr.
Dass Reisen in Herkunftsländer überhaupt einen Verlust des Schutzstatus nach sich ziehen können, ist erst seit wenigen Monaten so. Festgeschrieben ist die Regelung im sogenannten Sicherheitspaket, das die Ampel nach dem Anschlag von Solingen im Herbst 2024 beschlossen hatte. Erlaubt sind seitdem nur noch „sittlich zwingend gebotene“ Reisen in Herkunftsländer, etwa zur Beerdigung engster Verwandter.
Was genau sonst noch als „sittlich zwingend geboten“ gilt, kann die Bundesregierung aber nicht definieren, wie die Antwort auf Büngers Anfrage zeigt. Das Bundesinnenministerium teilt da mit, das Verfahren sei „nicht darauf angelegt, im Vorfeld verbindliche Aussagen zur Rechtslage zu treffen“. Erst „im Nachgang einer Heimreise“ werde geprüft. Ausnahmeregeln für rückkehrwillige Syrer*innen scheint es nicht zu geben. Geradezu absurd ist, was das BMI den Betroffenen mit offenen Fragen rät. Denen stünde „wie bei sämtlichen tatbestandsabhängigen Regelungen in unserem Rechtssystem rechtliche Beratungen, etwa durch Rechtsanwälte oder bestimmte Organisationen, zur Verfügung“.
Linken-Abgeordnete Bünger spricht von „unsinnigen Regelungen“, die geltendem EU-Recht widersprechen und dem Innenministerium „jetzt auf die Füße fallen.“ Sie fordert: „Die Bundesregierung muss jetzt aktiv werden, um solche Reisen ohne Verlust des Aufenthaltsrechts in Deutschland wieder zu ermöglichen.“
Tatsächlich behindert die Regelung offensichtlich die Bemühungen der amtierenden Rest-Bundesregierung, einen Teil der Syrer*innen zur Rückkehr zu bewegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat angekündigt, den Schutzstatus von Syrer*innen überprüfen zu lassen, die nicht arbeiten und kein Deutsch sprechen. Zuletzt hatte auch Grünen-Vizekanzler Robert Habeck gesagt: „Diejenigen, die hier nicht arbeiten, werden – wenn das Land sicher ist – wieder in die Sicherheit zurückkehren können oder auch müssen.“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtline (BAMF) erwägt derweil laut Medienberichten, potentielle Rückkehrer*innen mit bis zu 4.000 Euro pro Person zu unterstützen, damit sie freiwillig gehen. Dafür dürften aber „Sondierungsreisen“ der erste Schritt sein – und die wird sich wohl fast niemand trauen, solange dabei im Raum steht, das Recht auf die Rückkehr nach Deutschland zu verlieren.
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