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Fokus der SportberichterstattungImmer wieder Fußball

In der medialen Wahrnehmung gibt es einen klaren Pandemie-Sieger: den europäischen Männerfußball. Verdient der Rest kein Mitleid?

Durchwursteln in Zeiten von Corona: Kenias Speerwerfer Julius Yego jobbt nebenher Foto: Imago/Sven Simon

B esonders hart ist die Situation für die afrikanischen Sportler, die nicht noch zusätzlich arbeiten gehen, sondern sich nur auf ihre Disziplin konzentriert haben“, so sagte es Anfang April der kenianische Speerwerfer und Olympia-Silbermedaillengewinner Julius Yego der Deutschen Welle. „Es gibt kein Geld von irgendwo her. Für mich ist es etwas einfacher, da ich nebenher noch arbeite.“ Auffällig war, dass man in den vergangenen Wochen selten etwas gehört hat von Leuten wie Yego. Selten von Speerwerfern, und seltener noch von solchen, die außerhalb der Breiten zwischen Mittelmeer und Nordsee normalerweise ihrem Broterwerb nachgehen.

Denn derzeit regiert, mehr noch als sonst: Fußball, Fußball, Fußball. Wobei, ganz richtig ist das nicht, also präziser: europäischer Männerfußball – wie schlimm es denen geht ohne Fernsehgelder, und ob nicht endlich doch Geisterspiele kommen, und welcher Viertligist als erstes Pleite gehen könnte. Das muss man nicht karikieren, viele Klubs sind tatsächlich akut bedroht – in der Regel weil, nun ja, der Fußball mit vollen Händen ausgibt, was er auch ohne Krise gerade so oder nicht mal hat, er ist ein Gambling-Modell. Aber gab es da nicht mal anderen Sport?

Wer hat, dem wird gegeben, das gilt während der Corona-Pandemie auch medial: Wer hat, dem wird Corona-Beileid gespendet. Wann war eigentlich die letzte Reportage über Männer-Eishockey-Klubs zu lesen, deren Saison schon abgebrochen wurde? Klubs, bei denen Haie-Trainer Uwe Krupp jüngst zumindest subjektiv „katastrophale Auswirkungen“ vermutete. Und wo sind die EinzelsportlerInnen, wenn es nicht gerade um die Olympia-Verschiebung ging? Augenfällig auch, dass nicht nur unter Virologen vor allem Männer erklären dürfen, wie es ihnen und der Welt gerade geht.

Soli-Aktionen für den Süden?

Obwohl die Sportlerinnen oft viel prekärer beschäftigt sind, ist von ihnen wenig zu hören. Einigen dürfte immerhin ihr Amateurstatus aktuell zum Vorteil gereichen. So weit geht die strukturelle Ungleichheit, dass in Österreich selbstverständlich die höchste Fußball-Liga der Frauen abgebrochen wurde, die der Männer nicht. Warum auch, es geht ja um TV-Verträge, während die Frauen, naja, böse Zungen würden sagen, das sind ja traditionell Geisterspiele. Die Kickerinnen haben zumindest noch den Vorteil, dass ihnen das Wort „Fußball“ ein Jota Aufmerksamkeit schenkt.

Wer sich nicht durch Google wühlt und Eigenrecherche betriebt, kommt über den europäischen Kontinent und die USA sportiv aktuell kaum hinaus. Immerhin hat sich etwa die Deutsche Welle jüngst um zumindest den Fußball außerhalb der Uefa bemüht. Da steht, dass einige afrikanische Spieler finanziell bereits mit dem Rücken zur Wand ständen und Medienvertreter um Hilfe bäten. Zu lesen ist auch, dass der kolumbianische Spitzenklub Independiente Santa Fe die Verträge seiner Spielerinnen aufhob, nicht aber die der Herrenmannschaft. Und dass man auf den Philippinen entspannt sei, weil es eh keine TV-Verträge gebe.

Es bräuchte mehr solche Nachfragen. Und wo ist die viel beschworene internationale Gemeinschaft des Sports in so einer Situation, wo sind die Soli-Aktionen für KollegInnen im globalen Süden? Dem hiesigen Sportpersonal kann man zugute halten, dass der Stress ihrer eigenen Gegenwart den Horizont verkürzen mag. Die Corona-Pandemie wirkt im Sport wie ein Objektiv, das scharf stellt auf eine Stelle, dieselbe Stelle, die es schon die ganze Zeit zeigt. Wir sehen, was wir immer sehen, nur in anders.

Es ist absehbar, welche Sportart sich hier als Erste eine Fortsetzung des Zirkus leisten wird und muss, so sie denn darf. Dann schauen wir Geisterspiele im europäischen Männerfußball, wie immer also, nur in anders. Und dann sagt Corona doch viel über dieses System.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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7 Kommentare

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  • Auch Mitleid orientiert sich am "Wert" des Sportlers.

  • Europäischer Männerfußball ist nun mal in Deutschland und in weiten Teilen Europas Sportart Nr.1., dafür interessieren sich die meisten Sportfans, ob gerade Corona da ist oder nicht. Also richten sich auch mentale Solidarität und Interesse danach aus. Wen etwas anderes interessiert, der wird seine Informationsquellen dafür haben.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Immer wieder gerne mal zum Nachlesen.

    Gehälter Leibeigene auf Zeit

    ...."noch jung an Jahren, aber schon Nationalspieler bei Joachim Löw. Bayer Leverkusen garantierte ihm bei der Unterzeichnung ein monatliches Grundgehalt von 70 000 Euro für die ersten beiden Spielzeiten und 100 000 Euro ab der dritten Saison. Ab 25 Saisoneinsätzen erhöhte sich sein monatliches Fixum um 1000 Euro pro Spiel. Fürs Länderspieldebüt gab es 10 000 Euro pro Monat obendrauf und für 30 Pflichtspiele in einer Saison 240 000 Euro Bonus ....."

    www.spiegel.de/spi...t/d-148434867.html

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Leider kann ich Ihren Link nicht öffnen. Aber wenn Sie wissen wollen, welche Kommerznutzer das finanzieren, schauen Sie doch mal hier, vlt. sind Sie auch dabei, nehmen regelmäßig Medikamente, trinken Bier oder Cola, tragen Markensportklamotten, kaufen bei Hellweg, schauen Sky BL, oder naben ein Konto bei der Sparkasse.



      fussball-geld.de/s...-bayer-leverkusen/

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Berliner Berlin:

        1. Schade. Link haut eigentlich hin!



        2.nicht regelmäßig



        3.Bier



        4. keine



        5.gaanz selten



        6.definitiv keine



        7. keine

        Danke für Link.

  • "Some people believe football is a matter of life and death, I am very disappointed with that attitude. I can assure you it is much, much more important than that."



    (Bill Shankly, legendärer Klopp-Vorgänger)

    Alles Andere ist halt "nur" Sport.

    Sicher denken nicht Alle so über (Männer-)Fußball, aber so ziemlich niemand denkt so über einen anderen Sport. Es ist daher auch unter normalen Umständen schon Äpfel mit Birnen verglichen, wenn man die unterschiedliche Aufmerksamkeit in der Berichterstattung nach Gerechtigkeitsaspekten zu bewerten versucht. Fußball hat als Identifkationsvehikel eine Sonderrolle erlangt, die eine noch so wohlmeinende und egalitäre Medienlandschaft nicht einfach überbügeln kann, weil er sich nicht "verdient" hat. Er hat sie. Punkt.

    Noch heftiger wird der Unterschied naturgemäß, wenn man gar nicht wirklich über Sport berichten KANN, weil es gerade keinen gibt. Es geht allenfalls um Sportler als Menschen und um das NICHT-Stattfinden ihrer hervorstechenden Eigenschaft. Dann wiegt natürlich das spezielle Blut-Schweiß-und-Tränen-Verhältnis der Fußballfans noch mal dominanter - und die Berichterstattung folgt dem Interesse.

  • Es ist aber auch ärgerlich, dass Wettbewerbe des globalen Südens nur bei den Wettportalen eine (manchmal unrühmliche) Rolle spielen. Es wäre toll, wenn alles übertragen würde, man bräuchte nur etwas mehr Zeit, vielleicht 36/7. Dann müsste man nicht die Wiederholungen der Tour de France von 2017 ansehen.

    Corona hat wenig verschoben und sagt auch nicht viel über das System. Übrigens, wenn es nur DAS System wäre, wäre Männerfussball sogar systemrelevant. Das Interesse vieler liegt nun mal auf dem europ. Männerfussball, selbst bis China. Dabei sind die ehemaligen Sportseiten der Tagesmedien durchaus nicht voll von diesem Sport, sondern es wird viel breiter berichtet.

    Solidarität ist immer gut, aber selbst die Fussballvereine dürfen kein Kapital akkumulieren für schlechte Zeiten. Deshalb gibt es kaum Rücklagen, weder für sich noch für andere.