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Flüchtlingsunterbringung in BerlinEs wird eng in Tegel

Händeringend werden Unterkünfte für Geflüchtete gesucht. Nun müssen bis Jahresende auch noch die Terminals A und B in Tegel geräumt werden.

Das Ukraine Ankunftszentrum ­Tegel muss der Berliner Hochschule für Technik weichen Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) ist offenbar mit ihrem Versuch gescheitert, die Terminals A und B des ehemaligen Flughafens Tegel über den Jahreswechsel hinaus zur Unterbringung von Geflüchteten zu benutzen.

Seit Monaten verschärft sich die Krise bei der Unterbringung von Geflüchteten angesichts steigender Zahlen von Ukrainekriegsflüchtlingen und Asyl­be­wer­be­r*in­nen aus anderen Ländern. Anfang Oktober hatte Kipping daher erklärt, man werde es sich nicht leisten können, auf die rund 1.900 Plätze in den Terminals A und B zu verzichten – und sie wolle im Senat auf einen Beschluss hinwirken, dass deren Nutzung verlängert wird.

Den gibt es bis heute nicht – und wird es wohl auch nicht mehr geben. „Bisher gibt es keine geeinte Beschlusslage des Senats zur weiteren Nutzung des Ukraine Ankunftszentrums ­Tegel“, sagte Kippings Sprecher Stefan Strauss am Donnerstag auf taz-Anfrage.

Ab Januar soll vertragsgemäß der Umbau der beiden Terminals für die Berliner Hochschule für Technik (BHT) beginnen. „Dieses seit vielen Jahren in Planung befindliche Projekt ist nicht nur für die Entwicklung der BHT und weiterer 2.000 Studienplätze von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Stadtentwicklung im Nordwesten Berlins, das heißt: neue Arbeitsplätze und Wohnungen“, erklärte eine Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung.

Da aber auch die Geflüchteten Unterkünfte brauchen, so die Sprecherin, werde die Senatsverwaltung für Wissenschaft bei Hochschulen und Krankenhäusern nach Flächen und Grundstücken für Unterkünfte suchen, „einige Hochschulen haben bereits Flächen übermittelt“.

Reguläre Unterkünfte zu mehr als 99 Prozent belegt

Denn der Druck, neue Unterkünfte zu schaffen, nimmt weiter zu. Aktuell sind laut Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die eigenen knapp 30.000 Plätze in „regulären Unterkünften“ zu 99,3 Prozent belegt. Dazu kommen rund 2.500 Personen im Ankunftszentrum Reinickendorf, die auf einen Platz in einer regulären Unterkunft waren, plus rund 3.500 Menschen im Ankunftszentrum Tegel, Asyl­be­wer­be­r*in­nen und Ukrainer*innen.

Das ist jetzt schon „voll“. Dort leben die meisten Menschen in den Terminals A und B, dort gibt es rund 1.900 Plätze. In Terminal C ist Platz für rund 800 Menschen, dazu kommen zwei Leichtbauhallen, das sind feste Zelte mit Boden und Heizung, für je 400 Menschen.

Aber wo sollen die Menschen hin, wenn die Terminals A und B schließen müssen? Zumal derzeit jeden Tag laut LAF etwa 200 Geflüchtete allein aus der Ukrai­ne dazukommen plus monatlich rund 1.000 Asylsuchende, die nach Berlin verteilt werden.

Das LAF prüft und eröffnet derzeit quasi im Wochentakt neue Unterkünfte, Anfang Dezember etwa eine Gemeinschaftsunterkunft in der Haarlemer Straße in Neukölln (400 Plätze) und ein Hostel in Mitte (500 Plätze). Doch bei den Zugangszahlen reicht dies nicht, daher ist nun auch die Wiederbelebung des ICC im Gespräch. Dies werde aktuell geprüft, bestätigt LAF-Sprecher Sascha Langenbach der taz. Das ICC war bereits in der Krise 2015/16 Notunterkunft – „allerdings hatten wir da nur 500 Plätze“, erinnert sich Langenbach.

Feste Zelte und Container sollen Abhilfe schaffen

Abhilfe schaffen sollen weitere Großprojekte: Rund 3.200 Plätze in Zelten respektive Leichtbauhallen sollen auf dem Rollfeld in Tegel entstehen, zudem Zelte auf zwei Parkplätzen am ehemaligen Flughafen Tempelhof aufgebaut werden. Allerdings gibt es laut Langenbach derzeit Schwierigkeiten, überhaupt genug Leute zu bekommen, die die Zelte aufbauen.

Das wird eine riesige Herausforderung

Sascha Langenbach, Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten

Noch vor Weihnachten sollen zudem Container in den Hangars 2 und 3 in Tempelhof aufgebaut werden. Das sei immerhin besser als die Trennwände, die man 2015/16 dort hatte, so Langenbach. „Jetzt kann man immerhin sein eigenes Licht an- und ausmachen.“

Fest steht: Je kälter der Winter und je mehr Flüchtlinge kommen, desto schlechter werden die Unterkünfte, die Berlin ihnen bieten kann. Auch Langenbach weiß: „Das wird eine riesige Herausforderung.“

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4 Kommentare

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  • Aber immer noch krasse Diskriminierung beim Wohnberechtigungsschein (WBS):



    "Linke" und "SPD" Bausenator*innen schließen auch anerkannte Geflüchtete in Berlin vom Zugang zu Sozial- und landeseigenen Wohnungen aus.



    Begründung Geisel/Lompscher/Scheel/Geisel: Es sind zuviele! Da könnte man den WBS ja auch gleich jedem geben!



    Rassistische Diskriminierung bei Rot-Grün-Rot Berlin :-(

  • Es gibt jede Menge Kleinstädte in Deutschland, die auch Flüchtlinge aufnehmen könnten.



    Nicht alle sollten in Berlin bleiben.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @Herry Kane:

      Sie möchten aber dort bleiben und das ist das Problem.



      Aber auch die kleineren Städte ächzen unter den Sozialusgaben und wissen nicht, wie das gehen soll.

      • @06455 (Profil gelöscht):

        In den 50er Jahren hatten wir in Deutschland ein ähnliches Problem. Flucht aus der Ostzone!



        Man hat Kontingente für jedes Bundesland geschaffen. Das hat letztlich funktioniert.



        Warum also heute nicht mehr?



        Weil dieser Staat über seine eigenen Gesetze und Verordnungen stolpert, permanent!

        Was die Kosten angeht, so gibt es auch noch andere europäische Länder. Wozu sind wir denn in der EU?

        Mit unfähigen Politikern geht das alles nicht.