Flüchtlingsroute Mittelmeer: Ein „besonders tödliches Jahr“
Bei Bootsunglücken sind in der vergangenen Woche über 1.000 Flüchtlinge ertrunken. Helfer werfen europäischen Behörden Tatenlosigkeit vor.
Damit liegt die Opferzahl bis Ende Mai bei 2.630 und damit höher als je zuvor. 2016 sei bislang ein „besonders tödliches“ Jahr, sagte ein Sprecher des UN-Flüchtlingswerks UNHCR. Rund 2.300 Menschen starben zwischen Libyen und Sizilien, die meisten der übrigen in der Ägäis. In den ersten fünf Monaten des Vorjahrs waren 1.855 MigrantInnen ertrunken.
Vor den neuen Unglücken war die Zahl der in Nordafrika ablegenden Boote zwischenzeitlich gesunken. Gleichzeitig hatten immer weniger Menschen aus den Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten diese Route gewählt. Vor allem westafrikanische MigrantInnen waren in Italien angekommen. In den letzten Tagen jedoch registrierten Hilfsorganisationen hier wieder Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak – offenbar Folge der Schließung der Balkanroute.
Anders als bei ähnlichen Unglücken ist die Situation in den letzten Tagen unübersichtlich. Soweit bislang bekannt ertranken am vergangenen Mittwoch knapp 250 Menschen, am Donnerstag rund 500 und am Freitag 250 Menschen.
Es mangelt nicht an Informationen
Mittlerweile ist ein halbes Dutzend privater Seerettungsinitiativen in der Region aktiv. Nach den jüngsten Unglücken griffen sie die EU scharf an. „Letztes Jahr ertrank jeder 53. Flüchtling im Mittelmeer. In diesem Jahr ist es jeder 23. Glaubt Europa immer noch, dass Abschreckung wirkt?“, so Ärzte ohne Grenzen.
Am Mittwoch berichtete eine italienische Zeitung, dass die staatliche Seenotrettungsstelle in Rom (MRCC) offenbar durch italienische Verbindungsbeamte in Nordafrika kontinuierlich und frühzeitig über Abfahrtszeiten und -orte von Flüchtlingsbooten informiert wird. „Das ist bislang nicht bekannt gewesen“, sagte Hagen Kopp von der Initiative Watch the Med, die per Satellitentelefon Kontakt zu Flüchtlingsbooten in Seenot hält.
Hagen Kopp, Initiative Watch the Med
Die Boote würden von nur drei Stellen in Libyen abfahren. Es wäre ein Leichtes, die drei Routen aus der Luft zu überwachen und den Menschen rechtzeitig zu Hilfe zu kommen, sagte Kopp. Doch die übrigen EU-Staaten würden dafür nur „begrenzte Kapazitäten“ bereitstellen. „Das ist ein kalkuliertes und überwachtes Sterben“, sagte Kopp.
Derweil melden griechische Behörden, dass Schleuser zunehmend Migranten aus der Türkei über die Insel Kreta nach Italien zu bringen versuchen. Seit Freitag waren rund 180 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten bei Kreta aus Seenot gerettet worden. Sie gaben an, in der Türkei gestartet zu sein. Schleuser hätten ihnen versprochen, sie nach Italien zu bringen.
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