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Flüchtlingspolitik im BundesratCSU lehnt Kretschmann-Deal ab

Baden-Württembergs Ministerpräsident will eventuell im Bundesrat den neuen „sicheren Herkunftsstaaten“ zustimmen. Die CSU lehnt seine Bedingungen ab.

Will Kretschmanns Bedingungen nicht zustimmen: CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Die CSU will nach einem Medienbericht einen möglichen Kompromiss mit den Grünen für die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um Tunesien, Algerien und Marokko nicht akzeptieren. Streitpunkte seien eine liberale Altfallregelung sowie eine Beschwerdestelle für abgelehnte Asylentscheidungen, wie sie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als Voraussetzung für seine Zustimmung im Bundesrat gefordert habe. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem 30 Tageszeitungen angehören.

„Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und Innenpolitiker Stephan Mayer dem Redaktionsnetzwerk. Die CSU werde die Zugeständnisse nicht akzeptieren, nur damit das von den Grünen regierte Baden-Württemberg im Bundesrat zustimme.

Kretschmann dringt auf ein großzügigeres Bleiberecht für seit langem in Deutschland geduldete Ausländer. Einem internen Papier, das der taz vorliegt, zufolge sollen Ausländer, die vor dem 31. Dezember 2013 eingereist sind und nur eine Duldung haben, bekämen eine Aufenthaltserlaubnis. Dies beträfe weniger als 20.000 Menschen, heißt es in dem Papier, „eine überschaubare, aber dennoch relevant entlastende Größenordnung“. Außerdem will Kretschmann eine Vereinfachung in asylrechtlichen Eilverfahren.

Bei vielen Grünen stößt das Dealangebot auf Unverständnis. „Was Kretsch da abzieht, ist unmöglich“, sagte ein gut vernetzter Landespolitiker der. „Sein Egoismus schadet anderen Grünen, die sich ebenfalls im Wahlkampf befinden.“ Das Verhalten des Baden-Württembergers verstoße gegen alle Verabredungen, so eine andere Parteistrategin. Außerdem verstößt der Deal womöglich gegen die Parteilinie. Ein Grünen-Parteitag hat das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten erst im November für „falsch“ erklärt.

Um mehr Staaten als sichere Herkunftsländer einstufen zu können, benötigen Union und SPD im Bundesrat die Unterstützung von mindestens einer Landesregierung mit grüner Beteiligung. Die Union verspricht sich davon eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Das grün-rot regierte Baden-Württemberg hatte 2014 schon die umstrittene Änderung des Asylrechts mit der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ermöglicht.

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11 Kommentare

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  • Da hat Seehofer einen Parteisoldaten aus den hinteren Reihen vorgeschickt, um selbst nicht als Buh-Mann da zu stehen. Dabei wird Seehofer jeden Kompromis und jedes konstruktive Lösung der Flüchtlingsfrage ablehnen, denn er will Merkel demontieren und 2017 ablösen.

    • @robby:

      Is der Kretschmann-Vorschlag denn schlau. Formal spricht ja Marokko der These der Sicherheit Hohn.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @robby:

      Seehofer hat es nicht nötig, einen vorzuschicken, um selbst nicht schlecht dazustehen. Das tut er ja längst öffentlich höchstselbst und mit dem allergrößten Vergnügen.

      Merkel 2017 ablösen? Er? Niemals!

  • Mag ja sein, dass Kretschmann "seine" potentiellen Wähler zu kennen meint. Er glaubt offensichtlich an ihren klammheimlichen Paternalismus, sonst würde er die "weniger als 20.000 Menschen" (Zwei? Zehn? Fünfzig?) nicht in Stellung bringen gegen die, die später kamen. Es nimmt wohl an, dass es so manchem Deutschen reicht, billig das eigene Gewissen zu beruhigen. Konkrete Verbesserungen bietet er deswegen gar nicht erst an.

     

    Herr Kretschmann möchte offenbar nicht ganz alleine bleiben mit seiner Rückgratlosigkeit. Wäre ich Grünen-Wählerin, würde ich ihm etwas husten, denke ich. Was hält der Kerl von mir?

     

    Was aber Stephan Mayer angeht, sagt mir sein Name zwar nichts, ich glaube aber trotzdem, dass der Mann Herrn Kretschmann einen Gefallen tut. Er hindert ihn daran, sich selber zu belügen. Man sollte Menschen nicht gegen einander ausspielen. Das rächt sich früher oder später, wenn auch nicht immer an den "Spielern". Und unter Zwang bzw. (Erfolgs-)"Druck" sollte man sich überhaupt nicht einlassen auf irgendwelche "Deals". Man ist dann nämlich nicht mehr frei in seinen Entscheidungen. Nicht tragisch, wenn solche dämlichen "Spiele" vom Gegner von Beginn an boykottiert werden.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Als ein in Württemberg lebender Mensch ist mir Kretschmann, egal mit wem, hundertmal lieber als Wolf zusammen mit Rülke.

      Deshalb muss er gewählt werden. Die anderen sind alle politischer Ausschuss.

  • Im Übrigen sollte die Taz mal erklären was das Prinzip der "sicheren Herkunfststaaten" eigentlich bedeutet:

     

    Auch wer aus diesen Ländern kommt, kann nämlich durchaus in Deutschland Asyl beantragen, und auch hier findet eine Einzelfallprüfung statt, und zwar im Eilverfahren was für die Flüchtlinge durchaus sinnvoll sein kann.

     

    Würde sich Kretschmann dann noch mit seinem Kompromissvorschlag "Beschwerdestelle" (warum muss man das eigentlich mit dem "Deal"-Begriff verunglimpfen?) durchsetzen, dann wäre der Grünen Parteilinie eines faieren Asylzugangs durchaus Rechnung getragen.

     

    Gar nicht so dumm, der alte Fuchs...

  • Diejenigen, die jetzt über Kretschmann herfallen, haben webig Gespür dafür, was bei der Mehrheit der WählerInnen ankommt. Ein pragmatischer Lösungsvorschlag, der den Gegnern sehr weit entgegenkommt, wird aus Prinzip abgelehnt, weil man einem Grünen im Wahlkampf partout keinen Erfolg gönnt. Statt darauf hinzuweisen und die CSU bloßzustellen, fällt manchen Grünen nichts besseres ein, als den Vorschlag als zu weitgehend niederzumachen. Sie gebärden sich als CSU mit umgekehrten Vorzeichen. Geht es um Taktik (CSU), reine Lehre (grüne KretschmannkritikerInnen) oder um einen zumindest halbwegs praktikablen Kompromiss, der trotz aller Mängel besser als gar nichts ist?

    • @Joba:

      Quatsch! "Aus Prinzip abgelehnt" wird in diesem Fall kein "pragmatischer Lösungsvorschlag", schon gar nicht, "weil man einem Grünen im Wahlkampf partout keinen Erfolg gönnt". Aus Prinzip abgelehnt wird die Opferung entscheidender Grundsätze auf dem Altar eines Altherrenegos.

       

      Eine falsche Entscheidung (Sichere Herkunftsstaaten) wird ja nicht dadurch richtig, dass sie einem Einzelnen (Kretschmann) die Möglichkeit gibt, seine private Macht noch weiter auszubauen. Grüne, die ihre Grundsätze verraten, um an die Macht zu kommen, braucht da kein mensch. So wenig, wie Sozialdemokraten gebraucht werden, die um persönlicher Macht willen zu Konservativen mutiere, oder Christdemokraten, die aus dm selben Grund zu Nazis werden.

       

      Mein eigenes "Gespür dafür, was bei der Mehrheit der WählerInnen ankommt", sagt mir jedenfalls, dass Menschen Verlässlichkeit und Prinzipientreue wollen von anderen, keinen egoistischen Wankelmut.

      • @mowgli:

        Die Ablehnung aus Prinzip bezieht sich auf die CSU, die den Rahmen des Diskutablen zunehmend verlässt und sich den "besorgten Bürgern" hemmungslos anbiedert.

        Tatsache ist, dass es in Europa Viele gibt, die sich die Flüchtlinge, koste es was es wolle, vom Leib halten wollen, und denen völlig egal ist, was aus ihnen wird. Das unterstelle ich weder Kretschmann noch Merkel. Hinzukommend fallen manche Europäer in überwunden geglaubte Denkmuster aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurück. Aus Verzicht auf Einfluss, weil Prinzipien verletzt werden, entsteht kein Vakuum, eher die Gefahr, dass die entgegengesetzten Prinzipien sich völlig durchsetzen. In diesem Falle besteht die ernste Gefahr, dass es sich für uns beide "ausgemeckert" hat. Ungarn und Polen lassen grüßen und hierzulande gibt es nicht wenige, die dortige Verhältnisse wollen.

        Zurück zum Thema: Die Einrichtung von Beschwerdestellen für abgelehnte Asylbewerber ist für mich der Punkt, der dazu zwingt, auch im Falle "sicherer Drittstaaten" (bin selber skeptisch, was das anlangt) im Einzelfalle genau hinzuschauen. Das hätte die CSU konkret als Grund für ihre Ablehnung bennenen müssen, während die Grünen es als Stärke des Kompromisses im Rahmen des derzeit Möglichen hätten verkaufen können, unbeschadet, dass sie sich Besseres gewünscht hätten. Nicht immer ist es das kleinere Übel, sich einem schmutzigen Spiel zu verweigern, so edel die Motive auch sein mögen. Es kann schneller zur Katastrophe kommen, als man für möglich hält. Die Geschichte hat das 1914 und 1933 bereits gezeigt.

      • @mowgli:

        Was brauchen wir dann in Baden-Württemberg? Eine neu CDU/AfD-Regierung oder was?

        • @Gast1 :

          vermutlich die Absolute Mehrheit für die Linke oder gleich den Systemwechsel.

           

          Völlig unrealisitsich zwar, hat aber den Vorteil dass mein seine Ideologie nie an der Realität wird messen lassen müssen.

           

          So kann man den Andereren immer leicht Korrumpierbarkeit und Egosimus vorwerfen und sich in seinem moralischen Überlegenheitsgefühl sonnen.

           

          Scheinheilig eben, wie auch unsere scheinheilige Angela