Flüchtlinge in Österreich: Weder Asyl noch Ausbildung
In Österreich dürfen Geflüchtete in Mangelberufen eine Lehre machen, auch wenn ihr Asylverfahren noch läuft. Das will die Regierung nun ändern.
Die wird es jetzt geben – allerdings wohl nicht so, wie Bierlein sich das vorgestellt hat. Asylbewerber, die oft jahrelang auf ihren Bescheid warten müssen, sollen künftig überhaupt keine Lehre mehr antreten dürfen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erklärte im Privatsender oe24.tv, den „falschen Erlass von damals“ werde man zurücknehmen.
Der Erlass aus dem Jahr 2012 gab Flüchtlingen unter 25 Jahren die Möglichkeit, in „Mangelberufen“, für die sich keine arbeitsberechtigten Personen interessieren, eine Lehre zu absolvieren. Zu den Mangelberufen zählen Tischler und Elektrotechniker, vor allem aber Tätigkeiten in der Gastronomie wie Koch. Viele derer, die daraufhin eine Lehre begannen, haben mittlerweile einen negativen Asylbescheid bekommen. Einige wurden von der Werkbank weg in Schubhaft genommen und abgeschoben.
Das finden viele aus humanitären Gründen unerträglich. Aber auch Wirtschaftstreibende, denen jetzt fertig ausgebildete Arbeitskräfte weggenommen werden, toben. Einer von ihnen ist der Hotelier Sepp Schellhorn, Abgeordneter der liberalen Partei Neos. Für ihn beweist die neueste Verschärfung, „dass die Regierung kein Herz und kein Hirn hat“. 17.800 offenen Lehrstellen stünden nur 9.200 Lehrstellensuchende gegenüber, sagt er.
Rot-Weiß-Rot-Karte floppt
Rudi Anschober, grüner Landesrat aus Oberösterreich, der eine erfolgreiche Unterschriftenaktion gegen die Abschiebung von Lehrlingen initiiert hat, spricht von der „Zerstörung der letzten Integrationschance“.
Die Hauruck-Aktion der Regierung wurde weder mit den kritischen Landeshauptleuten noch mit der Wirtschaft abgesprochen. Man wolle jetzt über die Rot-Weiß-Rot-Karte eine eigene Aufenthaltsbewilligung für potentielle Lehrlinge aus Drittstaaten schaffen, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) im Mittagsjournal Ö1. Details blieb sie schuldig.
Die Rot-Weiß-Rot-Karte, die Spitzenarbeitskräfte ins Land locken sollte, ist ein Flop. Übermäßig bürokratisch und an kaum erfüllbare Bedingungen wie ein hohes Bruttoeinkommen geknüpft, wurde sie bisher kaum wahrgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland