Flüchtlinge im Nordafrika: Spanien schiebt illegal ab
Madrid schickt Afrikaner, die die Zäune der Exklave Melilla überklettern, sofort nach Marokko zurück. Das ist rechtswidrig.
Das Neue
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Spanien verurteilt, weil es afrikanische Migranten nach der Ankunft in der spanischen Exklave Melilla ohne jede Prüfung ihrer Situation nach Marokko abschob. Dies verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das dort enthaltene Verbot von Kollektivabschiebungen. Die beiden Kläger aus Mali und der Elfenbeinküste erhalten jeweils 5.000 Euro Entschädigung.
Der Kontext
Die Stadt Melilla gehört zu Spanien, liegt aber in Nordafrika an der marokkanischen Küste. Regelmäßig versuchen afrikanische Flüchtlinge dort auf spanischen Boden zu gelangen, um einen Asylantrag nach EU-Recht stellen zu können. Die Exklave ist deshalb von drei hohen Zäunen umgeben. Die beiden Kläger lebten seit über einem Jahr in dem provisorischen marokkanischen Camp Monte Gurugú, als sie am 13. August 2014 gemeinsam mit rund 70 weiteren Afrikanern die Zäune überwanden. Dabei wurden sie von spanischen Polizisten festgenommen. Ohne Feststellung ihrer Personalien und ohne Befragung wurden sie dann marokkanischen Beamten übergeben und durch eine Tür zurück nach Marokko getrieben. In Spanien spricht man von „heißen Rückführungen“.
Beiden Männern gelang es wenige Monate später erneut, nach Melilla einzureisen, aber ihre Asylanträge wurden abgelehnt. Der eine Kläger wurde 2015 nach Mali abgeschoben, die Situation des anderen ist unbekannt. Sie wurden vor Gericht vertreten.
Spanien argumentierte, dass die Afrikaner noch nicht spanisches Staatsgebiet erreicht hätten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt dies jedoch für unerheblich. Entscheidend sei, dass die Migranten ein Gebiet erreicht hatten, in dem Spanien faktisch die Kontrolle ausübt. Deshalb sei auch die Europäische Menschenrechtskonvention anzuwenden, die kollektive Ausweisungen und Abschiebungen ohne jede Prüfung des Einzelfalls verbiete.
Die Konsequenzen
Die Entscheidung des EGMR wurde von einer Kammer mit sieben Richtern getroffen und ist noch nicht rechtskräftig. Spanien wird wohl Rechtsmittel einlegen und eine Entscheidung der Großen Kammer mit 17 Richtern verlangen. Falls die das Urteil bestätigt, dürfte Spanien versuchen, die Grenzsicherung seiner Exklaven Ceuta und Melilla den marokkanischen Behörden zu überlassen.
Die Reaktionen
Das Berliner European Center for Constitutional and Human Rights, das mit Brot für die Welt die Klage betrieben hatte, spricht von einem Präzedenzfall: Es sei nun klar, dass die Europäische Menschenrechtskonvention auch an den Außengrenzen der EU gelte. Dies könnte erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zu erwarten sind Klagen gegen die Rückschiebung syrischer, irakischer und afghanischer Flüchtling aus Ideomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze.
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