Fluchtwege durch Europa: Auf verschlungenen Pfaden
Die Grenze zwischen Serbien und Ungarn ist dicht. Nun versuchen Flüchtlinge über Kroatien nach Österreich und Deutschland zu gelangen.
In der 300 Kilometer entfernten Hauptstadt Zagreb wartete Erstversorgung auf sie. Man bereitet sich dort auf eine größere Anzahl von Flüchtlingen vor. Für Kroatiens Premierminister Zoran Milanovićist aber „offensichtlich, dass diese Menschen nicht in Kroatien bleiben wollen“.
Etwa 300 Flüchtlinge drängen im serbischen Grenzort Horgos darauf, dass Ungarn die Grenze wieder öffnet. Insgesamt sitzen in Serbien mehrere Tausend fest. Menschen, die gerade erst von Mazedonien in Serbien angekommen sind, werden gleich nach Kroatien umgeleitet. Im Grenzort Sid haben die serbischen Behörden ein neues Aufnahmecamp für Flüchtlinge vorbereitet. Ein ehemaliges Kinderkrankenhaus soll Unterkunft für etwa 300 Personen bieten.
Die ersten dort gelandeten Flüchtlinge, fast ausschließlich Syrer und Afghanen, waren die ganze Nacht von der rund 500 Kilometer entfernten mazedonischen Grenze durch Serbien unterwegs gewesen. „Wir haben gehört, dass Ungarn zugemacht hat, also hat uns die Polizei gesagt, dass wir hierher fahren sollen“, wird einer der Flüchtlinge im ORF zitiert. Sie wollen durch Kroatien, Slowenien und Österreich weiter nach Deutschland reisen.
Niemandsland an der Grenze
Die Schließung des ungarischen Grenzzauns und das Inkrafttreten drakonischer Gesetze gegen illegalen Grenzübertritt haben die Flüchtlingsrouten fast augenblicklich verändert. Ungarns Behörden haben auch bereits an 35 Asylwerbern vorexerziert, wie das beschleunigte Asylverfahren aussieht. Alle wurden in drei Stunden negativ beschieden.
Nach Ansicht der ungarischen Regierung sind Serbien und Mazedonien sichere Drittländer, in denen der Asylantrag rechtens einzubringen sei. Berufung gegen den Bescheid ist zwar theoretisch möglich. Allerdings dürfen die Betroffenen die „Transitzone“ – eine Art Niemandsland an der Grenze – nicht verlassen.
Deswegen bleibt ihnen die Alternative, per Telefon beim Gericht im nahegelegenen Szeged oder mit einem Brief Berufung einzulegen. Über 100 Menschen, die Löcher in den Zaun schnitten, wurden seit Inkrafttreten der neuen Gesetze in Ungarn festgenommen und blicken hohen Strafen entgegen.
Inzwischen stellt man sich in Österreich auf die neue Situation ein. Grenzkontrollen an der ungarischen Grenze, die Mittwochfrüh begonnen hatten, wurden wieder abgebrochen – mangels Ankunft neuer Flüchtlinge. Gleichzeitig wurden Vorbereitungen getroffen, im steirischen Grenzort Spielberg und am Kärntner Karawankentunnel zu kontrollieren.
In Spielfeld kreuzen sowohl Autobahn und Bundesstraße als auch die Eisenbahn. Fallweise soll auch die grüne Grenze überwacht werden, so Fritz Grundnig, Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark. Ziel der Aktion sei die Festnahme von Schleppern und die Registrierung von Flüchtlingen. Grundnig: „Es ist nicht vorgesehen, dass Flüchtlinge wieder nach Slowenien zurückgeschickt werden“.
Zu Fuß nach Deutschland
Bundeskanzler Werner Faymann will am Donnerstag nach Zagreb reisen, um mit seinem kroatischen Amtskollegen Zoran Milanovićüber die Flüchtlingskrise zu beraten.
In Österreich meldet das Innenministerium eine „deutliche Erhöhung bei den Asylanträgen“, seit Deutschland nicht mehr alle Asylbewerber ins Land lässt. Die Polizei kommt mit der Eingabe ins System gar nicht nach. Deswegen sind die Zahlen als vorläufig zu betrachten. Montag und Dienstag sollen aber in 48 Stunden 850 Asylanträge abgegeben worden sein, rund 800 davon allein am Montag. Das liegt über dem Durchschnitt von 300 pro Tag im Jahresverlauf. Allein im August wurden 8.800 Asylanträge gestellt. Besonders wenige – 730 in drei Tagen – waren es, als sich besonders viele Flüchtlinge im Land befanden. Das war Anfang des Monats, als Ungarn die Grenzen öffnete und sich Zehntausende Richtung Deutschland auf den Weg machten.
Melissa Fleming, Sprecherin der UNO-Flüchtlingshochkommission UNHCR, erklärte auf dem Wiener Westbahnhof, dass noch etwa 10.000 Flüchtlinge in Serbien unterwegs seien und fast ebenso viele in Mazedonien. In Griechenland seien es Tausende. Auf dem Westbahnhof hat sich die Lage inzwischen entspannt. 5.000 Menschen wurden in Notquartiere umgesiedelt. Zuletzt warteten nur noch etwa 500 auf dem Westbahnhof und 850 Flüchtlinge auf dem Hauptbahnhof. Ganz anders in Salzburg, wo Mittwochvormittag etwa 2.000 Asylsuchende auf einen Zug nach München warteten. Da der Zugverkehr eingestellt bleibt, machten sich die meisten zu Fuß auf den Weg zur deutschen Grenze.
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