Fluchthelfer*innen in Berlin: Behörden schaffen es nicht alleine
Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine ist das Land auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen – wieder einmal. Ein Wochenkommentar.
E s ist beeindruckend, wie zuverlässig und effizient sich viele Berliner*innen zur Zeit als Fluchthelfer*innen engagieren. Am Hauptbahnhof etwa ist innerhalb weniger Tage ein inoffizielles Ankunftszentrum entstanden. Rund um die Uhr weisen Freiwillige den ankommenden Flüchtlingen aus der Ukraine den Weg.
Wer ankommt, um den Flüchtlingen zu helfen, bringt oft Snacks, Wasser oder so banale Dinge wie Ausdrucke mit Wegbeschreibungen mit. Die Freiwilligen verteilen Essensspenden, Hygieneartikel und heißen Tee; sie bieten Orientierung für alle, die in Berlin bleiben wollen und Informationen und Übersetzungen für diejenigen, die weiterreisen möchten.
Gleichzeitig ist es erschreckend, dass es erneut vor allem Ehrenamtliche sind, die die Erstversorgung der Hilfesuchenden übernehmen. Das weckt schnell Erinnerungen an die Bilder aus dem Jahr 2015 vor dem Lageso in der Moabiter Turmstraße, wo täglich hunderte Flüchtlinge unter unwürdigsten Bedingungen auf Unterkunft, Registrierung und Leistungen warten mussten – oft vergeblich, weil die Behörden komplett überfordert waren.
Auch damals gaben Ehrenamtliche Essen und Spenden aus und organisierten für die nachts ankommenden Menschen Schlafplätze. Entsprechend alarmiert ist der Ton denn auch in den Chatgruppen, über die sich die Helfer*innen organisieren, zum Beispiel wenn durchsickert, dass am offiziellen Ankunftszentrum des Landes in Reinickendorf Menschen warten müssen, die vorher eigens mit den Bussen dort hingebracht wurden.
Doch Vieles ist aktuell auch ganz anders. Die meisten Strukturen sind besser: Als Konsequenz aus dem Behördenversagen 2015 ist die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen in einem eigenen Landesamt neu organisiert worden. Und die Haltung ist eine andere: Am Lageso 2015 herrschte der Eindruck vor, dass die Politik dort absichtlich abschreckende Bilder erzeugen wollte. Die Verantwortlichen behandelten die freiwilligen Unterstützer*innen häufig wie Gegner*innen.
Heute geben sie im Senat offen zu, dass das Land ohne die Ehrenamtlichen in der aktuellen Lage komplett aufgeschmissen wären – nicht zuletzt bei der Schlafplatzsuche. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) drückt den Ehrenamtlichen bereits wenige Tage nach Beginn der Krieges ihre Dankbarkeit aus. Ihre Verwaltung bemüht sich offenkundig, die Angebote der Ehrenamtlichen zu ergänzen – etwa, indem sie mit der BVG regelmäßige Busse zwischen den Bahnhöfen und dem Ankunftszentrum einrichten. Und am Donnerstagabend besuchte Kipping gemeinsam mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) das Ankunftszentrum der Freiwilligen am Hauptbahnhof, um sich deren Arbeit zeigen zu lassen.
Die Politik muss die Netzwerke der Ehrenamtlichen nutzen
Die Politik muss nun mit dem Engagement auch verantwortungsvoll umgehen. Sie sollte sie – weiterhin – auf Augenhöhe einbinden und das Wissen und die Netzwerke, die insbesondere seit 2015 entstanden sind, nutzen.
Die Vergabe privater Unterkünfte geschieht zur Zeit etwa, indem Anbieter*innen mit Pappschildern zum Bahnhof kommen. Doch was, wenn Flüchtlinge, die schon eine Woche in Berlin sind, einen neuen Schlafplatz brauchen? Für sie müssen über Schlafplatzbörsen Strukturen geschaffen werden, über die Anbieter*innen und Hilfesuchende zusammenfinden können.
Gleichzeitig muss die Politik gewährleisten, dass diejenigen, die sich engagieren, sich nicht selbst überfordern und ausbrennen. Denn allein am Donnerstag sind offiziell mehr als 6.000 Menschen in Berlin angekommen, inoffiziell waren es vermutlich mehr. Auch das Zahlen, die mit 2015 nicht zu vergleichen sind – damals kamen zu Hochzeiten rund 1.000 Menschen pro Tag in Berlin an. Das zeigt: auch diese Aufgabe ist immens.
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