piwik no script img

Flirt-Tipps nach BravoDas Satiremagazin

„Bravo“ hat sich noch nie als sonderlich politisch korrekt präsentiert. Doch wie gut, dass Mädchen und Jungen in der Regel selber denken können.

Einmal politisch: In der Ausgabe 4/11 gab es ein „Atomkraft? Nein danke“-Plakat. Foto: Imago/teutopress

Vor gut zehn Jahren gab es Tinder noch nicht, diese Fick-Mich-Börse fürs Smartphone. Aber es gab Bravo, das Zentralorgan für Jugendkultur. Etwa in der Mitte des Heftes präsentierten sich jeweils ein Mädchen und ein Junge, auf der Suche nach einem Partner beziehungsweise einer Partnerin.

Die beiden erzählten ein bisschen von sich: Alter, Berufswunsch, was sie jetzt machen und wie sie sich den Sommer vorstellen, was sie abtörnt, was sie total sexy finden. So was halt. Man konnte sie auch angucken, auf einem Bild, das fast die gesamte Seite einnahm. Das war schlau, wer sich nicht zeigt, kriegt keine Matchingpoints.

Der Aufreger war nur: Die beiden waren nackt. Nun ist gegen Nacktheit nichts zu sagen, wir sind schließlich nicht das prüde Amerika. Ein weiteres Problem war: Sowohl das Mädchen als auch der Junge waren bis auf Haupthaar komplett rasiert. Auch gegen Ganzkörperrasuren ist nichts einzuwenden. Auch nicht, dass Menschen sie gern anderen Menschen zeigen. Die Frage ist nur: Muss das unbedingt in einem Medium sein, dass von vorpubertären Mädchen und Jungen gelesen wird, bei denen gerade die Intimhaare anfangen zu sprießen? Die einen Blick in den Spiegel und einen nächsten in ihr temporäres Leitmedium werfen und feststellen: Hoppla, mit mir stimmt was nicht. Ich habe Haare, wo gar keine hingehören. Und schon droht der erste Identitätskonflikt.

Bravo wollte mit der sehr individuellen Kontaktbörse ganz sicher ganz cool und unverklemmt daherkommen. War am Ende aber genau das Gegenteil: völlig überzogen und unauthentisch.

Wimpern klimpern

So ähnlich verhält es sich jetzt mit den „100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung“. Den Kopf zur Seite neigen, mit den Wimpern klimpern, am Daumen lutschen. So voll süß, voll sexy. Solche Tipps bedienen schlichte Geschlechterklischees und gehören dorthin, wo sie schließlich auch gelandet sind: in den Löschordner.

Die Aufregung in den sozialen Netzwerken, die bewirkt hat, dass die Seite aus dem Netz entfernt wurde, hat sich also gelohnt. Ebenso die Art und Weise, wie die KritikerInnen den Bravo-Plattitüden begegnet sind: mit Ironie und zusätzlicher Überhöhung. Das zeigt aber auch, wie Bravo gemeinhin gelesen wird: als Satiremagazin. Von Medien mit diesem Anspruch erwartet man gar nicht erst, dass sie politisch korrekt sind.

Bravo hat sich noch nie als sonderlich genderaffines Magazin präsentiert. Erwarten darf man das allerdings schon. Von einer Zeitschrift, die von vielen Mädchen und Jungen in einem bestimmten Alter regelrecht verschlungen wird, ist mehr politisches Bewusstsein gefordert.

Doch wie gut, dass Mädchen und Jungen in der Regel selber denken können. Die meisten begreifen recht schnell, was ihnen da geboten wird. Und schmeißen das Heft dann zackig in die Ecke.

101. Tipp: Nimm das Heft in die Hand und stell dich vor den Papierkorb. Und dann: Zielen, werfen, jubeln. So voll süß.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Ausdrücke aus dem genitalen und analen Bereich häufen sich auffällig in der taz. Der demografische Wandel macht sich auch im Journalismus bemerkbar. Berüchtigt sind die zahllosen "Ich-Reportagen", die alle aus der "RTL-Journalistenschule" stammen könnten.

     

    Aber es sei an dieser Stelle bitte verziehen, wenn der Hinweis erfolgt, dass "BRAVO" zur "Arsch- und Tittenpresse" gehört - also ein Produkt des Heinrich-Bauer-Verlages in Hamburg ist. Mehr muss dazu nicht bemerkt werden.

     

    Das wirklich Gruselige daran ist der Umstand, dass die Geschlechterrollen auf ihre jahrhundertealten Klischees festgenagelt werden. Nichts, aber auch gar nichts hat sich an der deutschen Gesellschaft geändert. Sie ist immer noch reaktionär, rassistisch und kleinkariert bis Pepita.

     

    Ironie der Geschichte. Die Volksverdummung führt nun zu einem Sterben der Zeitungen. Den jungen Mädchen ist es viel zu mühselig eine solche Zeitschrift zu lesen. Die verkauften Exemplare schrumpften im Jahr 2014 auf ein Achtel gegenüber 1998 und das zeigt dann eher welchen Einfluss diese Zeitung auf ihre Leserschicht besitzt.

  • Täuscht es, oder lese ich in der TAZ immer öfter "ficken", "Scheiße" und ähnliches, wofür ich früher noch Ärger bekommen hab.

    Habt ihr da einen internen Wettbewerb, oder soll das schockieren? Schockieren ist euch nicht gelungen und der Wettbewerb wär albern.

    Muss ich jetzt noch was zur Thematik schreiben? BRAVO stinkt, und stank früher schon...