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Finanzkrise in Europa"Das Signal lautet: Ihr kriegt uns nicht"

Die Rating-Agenturen sind intransparent, sagt Martin Schulz (SPD), Chef der Sozialisten im EU-Parlament. Zur Bewältigung der Krise fordert er eine Erweiterung des Rettungsschirms.

Martin Schulz fordert eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Bild: dpa
Interview von Gordon Repinski

taz: Herr Schulz, nach Griechenland und Portugal rutscht nun auch Italien in die Schuldenkrise. Kommt der Supercrash?

Martin Schulz: Nein, die Dinge sind beherrschbar. Italien ist nicht vergleichbar mit Griechenland. Das Land hat exzessive Schulden, aber auch enorme ökonomische Potenziale.

Ist das Missmanagement der Regierung Berlusconi schuld?

Ja. Berlusconi war über Jahre mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Die Regierung hat jede Art von Reformpolitik verweigert. Italien hat Chancen zu robustem Wachstum. Und wir werden die Schuldenkrise nur durch Wirtschaftswachstum überwinden.

Früher profitierte Italien von Abwertungen der Lira. Ist Italiens Krise eine Euro-Krise?

Bild: dpa
Im Interview: 

MARTIN SCHULZ ist überzeugter Europäer. Er ist 1955 in Helrath bei Aachen geboren und seit Juli 2004 Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.

Nur, wenn wir es zulassen. Europa hat ein Problem: Kaum wird Italien von Rating-Agenturen kritisch bewertet, brechen wir in eine Sinnkrise aus und der gesamte politische Apparat geht in die Knie. Das darf nicht sein. Wir müssen uns wehren.

Was muss man tun?

Wir brauchen zunächst Informationen über die Rating-Agenturen - über die Auftraggeber und die Bewertungskriterien. Es gibt keine Transparenz. Und die Agenturen denken an Gewinne, nicht an den Euro.

Die drei führenden Agenturen sitzen alle in New York.

Europa braucht eine eigene Rating-Agentur. Bei der muss dann auch klar sein, wer die Ratings bezahlt. Die Agentur muss transparent arbeiten, und sie muss ökonomisch neutral bewerten.

Merkel sagt: Rom muss sparen.

Die Europapolitik von Angela Merkel erschließt sich mir nicht mehr. Die Bundeskanzlerin muss aufpassen, dass sie nicht permanent anderen Ländern in Europa Lektionen erteilt. Die Italiener wissen, dass sie sparen müssen. Dass Merkel parallel selbst in Deutschland Steuern senken will, ist ein Witz.

Welchen Teil an der europäischen Krise trägt Merkel?

Merkel und Nicolas Sarkozy spielen eine unsägliche Rolle. Es ist ein Führungsvakuum in der EU entstanden. Beide handeln nicht im Interesse Europas, sondern danach, was in der Heimat gerade opportun ist. Aber was man in Brüssel tut und zu Hause sagt, muss zusammenpassen. Sonst macht man Europa kaputt.

In Deutschland häufen sich die Euro-Skeptiker - existiert die europäische Idee noch?

Nicht die Idee von Europa ist in der Krise, sondern die Art, wie es geführt wird. Die Mehrzahl der Menschen hält die europäische Einigung nach wie vor für richtig. Aber die Leute haben die Nase voll vom Missmanagement nationaler Regierungen.

Mancher in der FDP will die Stimmungen für sich nutzen.

Das muss man nicht ernst nehmen. Das ist die zweite und dritte Reihe. Die Partei kämpft ums Überleben und sucht überall rettende Strohhalme. Aber das Gefühl nehme ich ernst. Nationalistische Rhetorik fällt auf fruchtbaren Boden, wenn Menschen denken, dass alles gute national und alles schlechte europäisch ist. Genau das vermitteln viele Regierungen. Im Sinne von Europa müssen wir aber Erfolge und Misserfolge teilen. Sonst hat Europa keine Zukunft.

Müssen sich europäische Staaten helfen - auch finanziell?

Das tun wir längst. Und wir müssen es. Denn sonst wären die Kosten viel höher, als wenn wir es nicht täten.

Muss der Euro-Rettungsschirm aufgestockt werden?

Ja. Eine Aufstockung wäre ein starkes Signal an Spekulanten. Denn dann vermitteln wir eine Botschaft: Ihr kriegt uns nicht.

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17 Kommentare

 / 
  • G
    guntherkummerlande

    Der Ansatz mit einen "Rettungsschirm", dass

    heißt mit gigantisch viel Kapitalmasse zur Disposition eine Währungsunion zu retten,

    ist idiotisch, sträflich , vielleicht sogar

    vorsetzlich.

    Diese Idiotie der Länderchefs, des EU-Parlamentes

    und der EU-Regierung legen den Schluss nahe,

    dass man eben diese Institiutionen auflösen muss

    und die EU auf Schengen reduzieren sollte.

     

    Was Europa braucht:

    Zollselbstbestimmungsrecht der Mitgliedsstaaten für Güter der NICHT-EU-Mitglieder

     

    Finanzmarkttransaktionssteuer auf Kapital das

    den EU-Raum verlässt

     

    Gesetze zum Verbot auf Währungsspekulation

    Spekuliert werden darf nur auf Unternehmensgewinne

    und Staatsanleihen( Achtung Investition

    in staatliche Projekte aber ohne Währungsspekulation

    z.B.: Investition in Bildung für besser

    qualifizierte Akademiker und Techniker und Ärzte führen zu einem Mehr an Steuereinnahmen

    Wenn dieses Mehr an Steuereinnahmen erfasst wird,

    kann man diese Gewinne zu einem bestimmten

    Prozentsatz von z.B.3% der Gesamtgewinnmasse

    an die Investoren abgeben.

    Ebenso Investitionen in Gesundheitswesen

    (Partizipation am erzielten Gewinn durch

    volkswirtschaftliche Mehrarbeit aufgrund wenigerer

    Krankentage )

    Das würde das bisherige Schlechtinvestitionsgeschäft

    revolutionieren (Investitionen in den Niedergang

    von Währungen, Abbau neuer Rohstofflagerstätten

    ohne technische Notwendigkeit,

    )

     

    Wir verpulvern wahnsinnige Geldmengen, um:

    - länger in der Krise zu verharren

    - immer mehr Anteile an unserer Volkswirtschaft

    zu verkaufen

    - ohne Lebensqualitäthinzugewinn

    - mit immer weniger von den Bürgern Deutschlands

    bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten

    - wir stärken die massiv gelenkten Kapitalströme

    der Diktaturen und Oligarchien

    und hängen immer mehr an Ihren Tropf

     

    Die Zinseszinslawine muss letzlich per Gesetz

    gekappt werden, um den anarchischen Prozess

    der Inflation und Deflation zu vermeiden.

    Die Menschheit darf sich nicht zum Sklaven

    ihrer eigenen Wirtschaftordnung verdummen lassen.

    Auch der Kapitalismus funktioniert nur

    innerhalb bestimmter Grenzen, bei denen

    die Fusionierungswellen auf mittleren Niveau,

    die Verschuldung ohne Zinseszinsbombe und

    staatlichen Institutionen unabhängig

    und verfassungstreu sind!

     

    Wenn die Prinzipien der EU bleibend verletzt sind:

    NICHT ANGLEICHUNG DER LEBENSVERHÄLTNISSE INNERHALB

    DER EU , sondern sehr hoher Mindeslebensstandard

    für alle EU-Bürger.

    NICHT TOTALER WETTBEWERB ALLER ARBEITNEHMER

    DER BEITRITTSVÖLKER, sondern eine nischenreiche

    Wirtschaft und beschäftigungsreiche Wirtschaft

    in den Mitgliedsstaaten

    NICHT ZENTRALISTISCHE FÜHRUNG UND AUSHÖHLUNG

    DER DEMOKRATIE, sondern Aufbau zur Stärkung

    der Einzelstaaten durch den Aufbau

    minimaler Standards im Einvernehmen mit der

    dortigen Bevölkerung

     

    Die Veränderungszyklen müssen initiiert werden,

    damit eben die Staaten nicht wie bisher

    bis zum Hals in der Sch. stecken.

    Diese vorbeugende Schutzfunktion hatte die

    EU nicht wahrgenommen und deshalb ist

    Ihre Existenzberechtigung zu Recht in Frage gestellt.

  • H
    HawevonderKüste

    Die Finanzkrise überwinden heisst das (Un)Wesen

    des Kapitalismus zu überwinden.

    Bei der Macht der 3 grossen "Rate Agenturen"

    scheint's einfacher zu sein.

    Ein 'Nordwest Radio' Kommentator hatte gestern

    eine gute Idee.

    Man übersetzt die Namen der Agenturen einfach ins

    Deutsche, und in den Presse-Meldungen steht dann:

    -" Normal & Arm " stuft Portugal herab

    -" Launisch " bewertet Irland mit Ramsch-status

    -" Iltis " droht USA mit Herabstufung

    Hört sich doch gut an, oder ?

  • RT
    reiner tiroch

    Die Monsterkrise sei beherrschbar? Bisher hörten wir von den Finanzministern und politikern in ihren rettungswahn, dass inzwischen alle Tabus gebrochen werden. Gerettete Länder müssen erneut gerettet werden, werden auf Ramsch gesetzt und werden mit 70% umschulden müssen. Weitere kommen dazu und schon soll der Schirm erhöht werden. Banken und Versicherungen dürfen sich Staatsanleihen vom EFSF abkaufen lassen zum Dumpingpreis, das Risiko gehört dem Steuerzahler. Das Palavern der optimisten führt in die geordnete AAA Pleite.

  • D
    Dosenbier

    Sorry, kann hier mal jemand den Niveau-Lift in Gang bringen? Das ist ja fürchterlich...

  • N
    nihi.list

    "Aber die Leute haben die Nase voll vom Missmanagement nationaler Regierungen."

     

    Nicht nur, werter Herr Schulz. Die Leute haben die Nase erst recht voll von solchen weltfremden Eurokraten, wie Sie einer sind.

  • C
    Christian

    Unter auch hier wieder der Hinweis auf Wachstum. Dann wird nämlich alles gut. Man muss es nur oft genug sagen...

  • WW
    Wolfgang Weinmann

    Zitat:

     

    Und noch mehr genung habe ich von Brüssler Kommissaren und Kommissionen Herr Schulz. Das sollten Sie wissen...

  • S
    stunki

    was für ein clown, dieser schulz

  • UB
    Ulrich Bogun

    "Martin Schulz ist überzeugter Europäer" – die Bildunterschrift unterstreicht den religiös-fanatischen Anklang, den dieses Interview erweckt. Sämtliche Gesetze der Logik wie auch der Mathematik sind bei dieser Ideologie außer Kraft gesetzt: Es gibt bei einem zinsbasierten Finanzsystem kein Entrinnen aus der Schuldenfalle, wenn das Exponentialwachstum der Verzinseszinsung erst einmal in Gang gekommen ist. Das lässt sich einfach nachrechnen und ist in der Vergangenheit schon hundertfach bestätigt worden.

     

    Aber "das Wachstum wird uns aus der Schuldenkrise führen" als ewiges Mantra kann vermutlich noch so manche Politker-Generation am Leben erhalten, die zum Gürtel-Enger-Schnallen und eisernem Verzicht bei gleichzeitiger Konsumankurbelung aufruft und sehenden Auges die ganze westliche Unkultur in die freiwillige Selbstversklavung führt.

     

    Selbst zu angeblich wirtschaftlich boomenden Zeiten hat Deutschland als bisheriges EU-Vorzeigeland keinen einzigen Pfennig und später Cent seiner Schulden zurückgezahlt. Es reichte immer nur zum Begleichen der Zinsen und Aufnahme neuer Kredite. In nicht allzu ferner Zukunft wird auch die BRD ihre Kreditwürdigkeit herabgestuft finden. Und selbst wenn man in unglaublich verlogenem Aktionismus die Ratingagenturen beschneiden sollte, folgen die Banken als einzige Geldschöpfer aus dem Nichts ihren Prinzipien der Kreditwürdigkeit. Können nicht einmal die Zinsen bedient werden, hat keine Bank der Welt ein Interesse, neue Finanzspritzen herbeizuzaubern.

     

    Solange man also keinen bewohnten Mond oder benachbarten Planeten auf dem Schirm hat, dem man in bester Tradition sämtliche Werte gegen billigste Glasperlen rauben kann, werden sich die westlichen Nationen recht bald selbst in der Lage der früheren Kolonialstaaten finden und verzweifelt das restliche Tafelsilber an chinesische Investoren verscherbeln.

     

    Ob man das nun als ausgleichende Gerechtigkeit sehen mag oder auch als Zeichen für den wahren Stand unserer "Zivilisation", möge jeder für sich entscheiden.

  • R
    Rotfuchs

    Zitat:"Und wir werden die Schuldenkrise nur durch Wirtschaftswachstum überwinden."

     

    Das ist der Feind...

     

    Die Krise des gesamten Profit orientierten Systems des Kapialismus ist... systemimmanent. Per Definition werden hier nur diejenigen gewinnen (= Profit-ieren) die am wettbewerbsfägsten sind. Das impliziert, dass der rest mehr oder weniger auf der Strecke bleibt.

     

    Wirtschaftswachstum ist weder ein Allheilmittel, noch kann es unbegrenzt funktionieren. Wirtschaftswachstum begünstigt immer nur ein lokal begrenztes System gegenüber anderen.

    Aber die Krise wirklich bewältigen kann nur ein gross angelegtes Umdenken, eine Rückbesinnung zu anderen Werten als Profit.

  • N
    neuhaus

    italiens liraabwertung brachte der wirtschaft nichts, energie in dollar zu kaufen wurde teurer, die scala mobile sorgte für höhere löhne. italien hatte auch lange vor dem euro seine inflation im griff, gucke sie mal heute nach gb.

     

    bg

  • R
    Renegade

    "Europa braucht eine eigene Rating-Agentur. Bei der muss dann auch klar sein, wer die Ratings bezahlt. Die Agentur muss transparent arbeiten, und sie muss ökonomisch neutral bewerten."

     

    Da sehe ich ja schon die Agentur vor mir, die zwar von dr EU bezahlt wird, aber natürlich ganz neutral und zuweilen kritisch raten wird...

     

     

    Und den Rettungsschirm vergrößern, heißt moral hazard und bailout Garantien für Regierungen, die sich nach Jahrzehnten des deficit spending nicht mit konsolidierten Haushalten unbeliebt beim Volk machen wollen... Da brauchen uns die Spekulanten nicht kriegen, denn Europa kriegt sich selbst...

  • A
    aurorua

    Auch so ein durchgeknallter TRÄUMER der besser Buchhändler geblieben wäre anstatt auf Steuerzahlers kosten dummes Zeug daher zu labern.

    Wieviel Rettungsschirm denn noch? Jeder halbwegs kompetente EU-Wirtschaftspolitiker wusste, dass die Zahlen Griechenlands zur EURO-Erlangung erstunken und erlogen waren. Von einem Land welches sich von Anfang an mit Lug und Trug den EURO erschlichen hat, war doch nichts anderes zu erwarten.

    Würde ein Privatmensch sich Gelder/Kredite mit gefälschten Zahlen erschwindeln bekäme er Knast und keinen Rettungsschirm. Aber diese Polithansel schweben ja europaweit über Recht und Gesetz, lassen sich aus schierer Dummheit die Gesetze von Banken, Versicherungen, Kartellen und Konzernen diktieren und wundern sich, wenn dieselben ihnen z.B. über Ratingagenturen in den Rücken fallen, weil sie überall bloß noch Schuldenpolitik zu Gunsten ihrer selbst, sowie den Reichen und Superreichen betreiben. Auch so ein SPD Arbeitnehmer, Rentner, Erwerbslosen und Armutskinderverräter. PFUI!!!

  • JS
    Johan Schreuder

    Also ich könnt kotzen! Der typ hat doch absolut keine ahnung. Der sitzt da in ein parlament und werd regiert von einen NICHT gewählte president und seine NICHT gewählte kollegen also eine EU diktatur!

    Ach war es nicht der 'salonsocialist' schröder der die möglichkeiten für die krise erst geschaffen hat mit der deregulierung des finanzmarktes.

    was für ne null

  • E
    Eurogier

    Mal ne Frage: Aber wieso ist es nicht machbar den Euroschirm einzustellen und die Länder zur Nort mal Pleite gehen zu lassen. Was wäre unser Nachteil dadurch? Ist ne ernst gemeinte Frage. Warum ein Schrecken ohne Ende statt ein Ende mit Schrecken. Was ist so toll daran immer mehr Kohle in diese Pleiteländer zu stecken und die Reichen dort trotz Schweinereien immer reicher werden zu lassen. Denn die Euros kommen ja nicht wirklich den Bürgern zugute. Und wir müssen immer mehr Schulden machen und unsere eigene Infrastrucktur und Sozialsystem baut sich dadurch auch immer mehr ab. Vieleicht antwortet ja mal jemand hier ernsthaft darauf?

  • F
    Feuermelder

    Diese Ratingagenturen sind nur die oberflächlichste Hautschicht des ganzen Krebsgeschwüres.

    Hier ein sehr ausführlich recherchierter Bericht über den bestehenden Interessenkonflikt der Agenturen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10067

  • W
    WhiskeyBernd

    Jemand von der SPD ist Chef der SozialistInnen? Was ist denn da schief gelaufen?