Fifa-Chef auf Friedensmission: Mit 20 Bällen um die Welt

Fifa-Präsident Gianni Infantino tritt beim G20-Gipfel als Friedensstifter auf. Zugleich gerät er nach einer „SZ“-Recherche in Erklärungsnot.

Drei Männer in Anzug laufen Richtung Kamera, einer davon mit Ball in der Hand

Infantino auf dem Weg zum Weltgipfel – mit Gefolge und Statussymbol Foto: Achmad Ibrahim/ap

Das Geschenk, das Gianni Infantino für jeden einzelnen Repräsentanten des G20-Gipfels in Bali im Gepäck hatte, war wie gewohnt dröge. Den offiziellen WM-Ball des am Sonntag beginnenden Turniers in Katar bekamen die Staats- und Regierungschefs überreicht. Umso origineller aber war der politische Vorstoß, den der Präsident des Weltfußballverbands unternahm. Eingeladen in den Kreis der Mächtigsten, schien Infantino von seiner eigenen Größe und vielleicht auch der des Fußballs etwas berauscht zu sein und regte einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg während der Zeit der Weltmeisterschaft an. Das Turnier könne „Anlass für eine positive Geste oder ein Zeichen“ sein.

Schade für die Welt und die Ukraine, mögen nun kritische Geister einwenden, dass die WM dieses Jahr in den Winter verlegt werden musste, sonst hätte es viel früher Anlass zur Hoffnung gegeben. „Vielleicht, vielleicht, vielleicht kann die aktuelle Weltmeisterschaft, die in fünf Tagen beginnt, wirklich der positive Auslöser sein“, sagte der Fifa-Chef in Nusa Dua im Süden Balis.

Einige Fußballfunktionäre dürften am Dienstag gestaunt haben, hatte Infantino doch erst vor gut einer Woche an alle Mitgliedsverbände in einem Brief appelliert: „Konzentrieren wir uns auf den Fußball.“ Politische Debatten sollten nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Die ewige Menschenrechtskritik am WM-Ausrichter und an der Fifa, die sich immer noch dazu ausschweigt, ob sie einen Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten in Katar unterstützen möchte, gingen Gianni Infantino so knapp vor WM-Anpfiff sichtlich auf die Nerven.

Für die Schaffung des Weltfriedens kann man indes von seinen Prinzipien schon mal abrücken. Obgleich die Lenker großer Sportorganisationen selbst sehr schwankende Ansichten haben, wann man als politischer Akteur auftreten sollte und wann nicht. Infantino wurde im Dezember 2018 erstmals zum G20-Gipfel nach Buenos Aires eingeladen und lobte damals neben dem russischen Volk den Präsidenten Wladimir Putin persönlich für die Ausrichtung der besten Weltmeisterschaft, die es je gegeben habe. Und den chinesischen Präsidenten Xi dafür, welche Entwicklung der Fußball in China unter seiner Führung genommen habe.

Noch ein präpotenter Sportführer

Vermutlich, erklärte er damals bei seiner G20-Premiere, würden es einige ungewöhnlich finden, dass er in diesem Rahmen spreche, und stellte wenig später halbwitzig klar, dass die Fifa über die Wirtschaftskraft eines mittelgroßen Landes verfüge und eines Tages vielleicht Mitglied der G20 werde.

In Bali war noch ein anderer präpotenter Sportführer geladen. Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, musste ebenfalls zum Ukrainekrieg noch einen Vorschlag loswerden. Er rief dazu auf, nach Möglichkeiten für einen Frieden zu suchen.

Gianni Infantino muss sich derweil wieder mit den Mühen des Alltags beschäftigen. Die Süddeutsche Zeitung deckte in einer Recherche auf, dass er im Oktober 2015, als er noch Uefa-Generalsekretär war und die Fifa unter Beschuss der US-Justiz stand, nach New York flog, den Verband aber über den wahren Grund seiner Reise täuschte. Das angegebene Vorstandstreffen mit einem Uefa-Partner hatte er vor seiner Reise im Videoformat von Europa aus absolviert. Laut den Informanten der SZ hatte Infantinos US-Trip „im Zusammenhang mit den Ermittlungen der US-Justiz zu anrüchigen Geschäftspraktiken im Weltfußball“ gestanden.

Es soll dabei auch um einen TV-Vertrag gegangen sein, den Infantino unterschrieben hatte. Letztlich blieb der Deal für Infantino ohne Folgen. Die Fifa kürte 2018 unter der Führung von Infantino die USA zusammen mit Mexiko und Kanada zum Gastgeber der WM 2026. Und die SZ stellt fest, dass seit dieser Vergabe der Ermittlungswille der US-Justiz gegen die Fifa spürbar nachgelassen habe.

Gut möglich, dass Infantino diese Recherche so kurz vor dem Beginn der Festspiele in Katar als politisch motivierten Angriff abkanzelt und darum bittet, sich endlich auf den Fußball zu konzentrieren.

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