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Feuer in geplanter FlüchtlingsunterkunftEs war Brandstiftung

Die Staatsanwaltschaft schließt ein politisch motivierte Tat in Tröglitz nicht aus. Ex-Bürgermeister Nierth ruft zu Demo gegen Rechts auf. Maas und de Maizière sind entsetzt.

Der Anschlag ist jetzt Chefsache: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (rechts) und sein Innenminister Stahlknecht (Mitte) bei einer Pressekonferenz in Halle Bild: dpa

HALLE/TRÖGLITZ/BERLIN dpa/afp | Die Staatsanwaltschaft stuft das Feuer in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz als „definitiv besonders schwere Brandstiftung“ ein. Eine politisch motivierte Tat könne nicht ausgeschlossen werden, sagte Staatsanwalt Jörg Wilkmann am Samstag in Halle. Es handle sich um eine gemeingefährliche Straftat schlimmster Art. Nach den bisherigen Erkenntnissen seien in der Nacht zu Samstag einer oder mehrere Täter in das Mehrfamilienhaus eingebrochen, das im Mai die ersten von 40 Asylbewerbern beziehen sollten. Dort legten sie laut Wilkmann das Feuer, wahrscheinlich mit Brandbeschleuniger.

In einem Gebäude, in dem ab Mai Asylbewerber untergebracht werden sollten, war in der Nacht zum Samstag ein Feuer ausgebrochen. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Brandstiftung sowie eines ausländerfeindlichen Hintergrunds auf.

Tröglitz war bereits vor Wochen in die Schlagzeilen geraten, als Ortsbürgermeister Markus Nierth zurücktrat, nachdem er und seine Familie wegen der Asylbewerberunterkunft von Rechtsextremen bedroht worden waren. Für Samstagnachmittag rief eine Tröglitzer Bürgerinitiative, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzt, zu einer Lichterkette in dem Ort auf.

Nierth zeigte sich am Samstagmorgen entsetzt über das Feuer. „Davon wird Tröglitz sich wohl nie erholen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich.“ Der dpa sagte der 46-Jährige: „Die Braunen dürfen über unseren Ort nicht siegen.“ Außerdem bot er für die Flüchtlinge zwei private Wohnungen an. Er wünsche sich, dass andere seinem Beispiel folgten.

Nierth rief die Bürger außerdem zu einer spontanen Kundgebung gegen die Rechtsextremen am Samstagnachmittag (17.00 Uhr) auf. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schrieb auf Twitter: „Schlimmer Verdacht nach Brand in #Troeglitz macht fassungslos. Wir müssen weiter deutlich machen: Flüchtlinge sind bei uns willkommen!“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte rasche Aufklärung. Er sagte der dpa: „Im Moment spricht alles dafür, dass es sich bei den Ereignissen in Tröglitz um vorsätzliche Brandstiftung gehandelt hat. Wenn sich das tatsächlich bestätigen sollte, ist das eine abscheuliche Tat, die unverzüglich aufgeklärt werden muss. Die Täter gehören hinter Schloss und Riegel.“ Der Innenminister erklärte weiter: „Menschen, die Schutz in Deutschland suchen, müssen hier friedlich und sicher leben können. Unsere Sicherheitsbehörden sind fest entschlossen, das hierfür Notwendige zu tun.“

Erst am Dienstagabend hatte Landrat Götz Ulrich (CDU) auf einer Einwohnerversammlung in Tröglitz über die Pläne zur Asylbewerberunterkunft informiert. Gut 500 Menschen hatten sich im örtlichen Kulturzentrum eingefunden, unter ihnen auch Nierth. Ulrich musste Dutzende Fragen beantworten - und räumte auch Fehler ein. „Ich schließe nicht aus, dass ich und einige andere Verantwortliche im Vorfeld nicht ausreichend den Bewohnern zugehört haben“, sagte der CDU-Politiker. Er habe aus dem Fall Tröglitz gelernt.

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6 Kommentare

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  • Das gesellschaftliche Hauptproblem sind gar nicht die 5% Radikalen in ostdeutschen Orten wie Tröglitz, sondern die 50% geichgültigen "braven" Bürger dort.

     

    Die bürgerlichen 50% der Menschen, die immer wegschauen, wenn Rechtsextreme sich zusammenrotten, die akzeptieren, dass Andersdenkene in ihrem Ort nicht frei leben können und die sich nicht klar gegen Hetze, Hass und Gewalt stellen wollen.

     

    Diese ignoranten gleichgültigen 50%, die "nichts tun" schaffen erst die Basis, die den 5% Radikalen ihre Taten ermöglicht und (sie im Glauben, sie würden im Sinne der Mehrheit handeln) dazu ermutigt.

    • @tazzy:

      Die erste Basis für Faschismus gründen Politiker: Parteien von CDU-CSU bis SPD müssen aufhören, mit einer Politik prekärer Jobs, schlechter Renten, konzernhöriger Freihandelsabkommen und wachsender Ungleichheit Abstiegsängste zu schüren und so Politfrust zu erzeugen, der von rechten Demagogen aufgegriffen wird.

  • was mich beim Lesen verwirrt ist, dass ich in dem Video auf heute.de nicht den Eindruck bekommen habe, dass es sich definitiv um Brandstiftung handelt. Sie gehen bei den Ermittlungen von schwerer Brandstiftung aus... ich bin mir ja auch fast sicher, dass es Brandstiftung war, aber wir hatten es schonmal, dass nicht ergebnisoffen ermittelt wurde und am Ende wars dann doch ganz anders.

  • In Tröglitz tobt der braune Mob ja nicht erst seit gestern. "Politisch" sind die natürlich nicht - nur zu doof, Brennmaterial für ein richtiges Osterfeuer aufzustapeln.

  • TAZ:"Maas und de Maizière sind entsetzt."

    Dieses Entsetzten ist scheinheilig!

    Parteien von CDU-CSU bis SPD müssen aufhören, mit einer Politik prekärer Jobs, schlechter Renten, konzernhöriger Freihandelsabkommen und wachsender Ungleichheit Abstiegsängste zu schüren und so Politfrust zu erzeugen, der von rechten Demagogen aufgegriffen wird.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Brandstiftung von Nazis? Wer hätte das gedacht? Ich hatte den Tischtennisverein Tröglitz in Verdacht!