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Fernwärmegipfel der BundesregierungHoffnung auf Aufbruchsignal

Wirtschaftsminister Habeck und Bauministerin Geywitz treffen Vertreter von Kommunen und Heizbranche. Fernwärme soll klimaneutral werden.

Heizkraftwerk mit einer Flusswasser-Großwärmepumpe in Berlin-Schöneweide Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin dpa | – Werden ganze Straßenzüge oder Stadtteile an das Fernwärmenetz angeschlossen, sollen Hausbesitzer beim Heizungstausch keine Wärmepumpe einbauen müssen. Das geht nach einem Bericht der Augsburger Allgemeinen aus einer Beschlussvorlage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für ein Treffen mit Kommunen und Branchenvertretern am Montag hervor.

„Wenn ein Wärmenetzbetreiber einen solchen Ausbau verbindlich verfolgt, sollten daran interessierte Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen (…) von der Pflicht zum Einbau einer die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllenden Heizung befreit werden“, heißt es in dem Papier laut Zeitung.

Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) haben Vertreter der Branche zu dem Treffen am Montag in Berlin eingeladen. Davon soll ein „deutliches Aufbruchssignal“ für den klimaneutralen Um- und Ausbau der Fernwärmeversorgung gesendet werden, wie es vorab hieß.

Der Stadtwerkeverband VKU sieht noch Hürden für einen Ausbau der Fernwärme. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing fordert unter anderem eine längere, milliardenschwere staatliche Förderung. Liebing sagte der Deutschen Presse-Agentur vor dem „Fernwärmegipfel“: „Es ist gut, dass die Bundesregierung erklärt, wir wollen die Fernwärme voranbringen. Aber dann müssen auch Hürden beseitigt werden. Ich erwarte vom Fernwärmegipfel einen wesentlichen Impuls und konkrete Vorschläge.“

„Es gibt noch viele Hemmnisse für den Ausbau der Fernwärme“, sagte Liebing. „Aber die Fernwärme soll und wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten müssen, dass wir insgesamt die Wärmewende hinbekommen.“ Es dürfe keine Fokussierung nur auf die Wärmepumpe geben. „Sie wird, das wissen auch alle, bei realistischer Betrachtung nur eine Lösung sein.“

Kommunen gefordert

Die Bundesregierung plant zum einen eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes – das sogenannte Heizungsgesetz – sowie eine Reform der kommunalen Wärmeplanung. Laut Gesetzentwurf sollen Länder und Kommunen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Dies soll Bürgern eine wichtige Orientierung geben, indem sie erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird – oder sie ihre Heizung absehbar auf eine Wärmepumpe oder andere Optionen umrüsten sollten.

„Es muss eine Verzahnung des Gebäudeenergiegesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung geben“, sagte Liebing. „Am Ende wird über den Ausbau der Fernwärme vor Ort entschieden durch die Versorger und durch die Kommunen, die Klarheit für die Kunden und für die Netzbetreiber schaffen müssen. Wo sehen sie Potenzial für Fernwärme, wo weniger? Wo geht es eher über elektrische Lösungen? Oder wo geht es vielleicht auch durch die Umstellung von Gas- auf Wasserstoffnetz? Das ist für uns der wesentliche Ausgangspunkt, dass wir jetzt zügig mit den Wärmeplänen vorankommen.“

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sehe ein Potenzial der Verdopplung bis Verdreifachung in der Fernwärme. „Aber das braucht Zeit und es sind kapitalintensive Projekte. Deswegen wird es auch um Finanzierungsfragen gehen.“ Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze laufe 2026 aus. Eine langfristige Förderung sei notwendig.

Bisher seien bis 2026 insgesamt drei Milliarden Euro im Topf. „Diese drei Milliarden Euro brauchen wir aber bis in die Mitte der 30er Jahre jährlich an staatlicher Förderung.“

Der Vize-Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks, sagte der dpa: „Viele Betriebe sehen in der Fernwärme eine Chance für die klimafreundliche Versorgung ihrer Gebäude oder ganzer Gewerbegebiete.“ Darum sei es richtig, den Aus- und Umbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung stärker in den Fokus zu nehmen. „Wie uns die Rückmeldungen aus den Unternehmen vor Ort zeigen, hängt die Akzeptanz dafür aber an wichtigen Voraussetzungen: Im Zentrum stehen dabei wettbewerbsfähige und langfristig kalkulierbare Preise.“

Mehr Transparenz

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht Fernwärme als „zentralen Baustein für eine erfolgreiche Wärmewende“. Das gelte nicht nur für Städte, sondern biete auch Potenziale im ländlichen Raum, sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, der Rheinischen Post (Montag). „Um den Ausbau zu beschleunigen, braucht es aber Rückenwind von der Bundesregierung“, mahnte Andreae. Aus Sicht der Energiewirtschaft sei ein stabiler, planungssicherer und auskömmlicher Förderrahmen notwendig.

Die Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz auf dem Fernwärmemarkt. Wärmenetze seien ein Markt, „wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben“, sagte Verbandschefin Ramona Pop den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Fernwärme kann ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sein“, betonte Pop. Es seien aber dringend bessere Rahmenbedingungen für Verbraucherinnen und Verbraucher notwendig.

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5 Kommentare

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  • Fernwärme als Allererstes anzugehen, um Prvaten teure Wärmepumpen zu ersparen, ist das Gebot der Stunde. Schließlich ist die Versorgung mit Heizwärme und Strom zu Allererst eine (gigantische) Gemeinschaftaufgabe. Um hier schlagkräftig und nach dem Gemeinwohl handlungsfähig zu werden (die öffentliche Haushalte schaffen es nicht) und um gleichzeitig nicht noch von profitorientierten Unternehmen abhängig zu werden, müssen wir einen sowohl zentral wie auch regionalen Fond aufbauen, in denen diejenigen aus der Mittelschicht ihr Vermögen (zukumftsgerecht!) einbringen, die sich nicht der Börse mit den vergänglichen Werten (wie lange funktionieren der Automarkt, Fluggesellschaften oder Reiseunternehmen noch?) anvertrauen wollen. Partner sind dabei Verbraucherverbände, Stadtwerke, regionale Handwerksunternehmen (für die hardware oder Carsharing) Windmüller und lokale Initiativen. In den Aufsichtsräten sollen neben den Anlegerpartnerschaften auch private Kunden, möglichst keine Parteipolitiker sitzen. Gleichwohl muß Politik alles tun, damit die Unternehmen rasch handlungsfähig werden. Solidarisch handeln, statt die Haushalte , von denen viele überfordert wären, im Regen stehen zu lassen !

  • hat noch wer von den beteiligten ...

    den durchblick ?

    fahrplan, zeitfenster, effektivitätsrangfolge, schwerpunktbereiche, netzbetreiber und -träger, kosten... ?

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Auch hier hat Dänemark als Technologieführer der Nah- und Fernwärme bereits geliefert: Die verschiedenen Energieproduzenten der Nahwärmenetze dürfen gegenüber dem Kunden nur die Kosten auf die Kunden umlegen.



    Es dürfen keine Gewinne erwirtschaftet werden.

    Dies trägt natürlich den begründeten Bedenken der angeschlossenen Haushalte Rechnung, die sich ja komplett abhängig vom Wärmeanbieter machen.

    Leider geht Deutschland hier bisher einen anderen Weg, wie man an den Renditegaranien für die Netzbetreiber sehen kann.



    Dies muß bei den Nahwärmenetzen komplett anders laufen, sonst wird die Wärmewende scheitern.

  • Die Grüne Politik scheitert an der Wirklichkeit.

    An jener Wirklichkeit, des Flächenlandes Deutschland, der den Anteil der Fernwärme auf dichtbesiedelte, häufig städtische, Regionen beschränkt. Hier macht eine hohe Anschlussdichte, auch mit Anschlusszwang, die Investition bedingt wirtschaftlich. Eine andere bittere Wahrheit sind die Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Heizungssystemen



    www.thermondo.de/i...fernwaerme-kosten/.

    Wir haben einfach nicht das Geld um diese netten Ideen, entweder direkt oder indirekt über Steuer und Subventionen zu finanzieren.



    Eine teure Idee, durch eine andere teure Idee, zu ersetzen, zeigt nur, wie verzweifelt man ist.

    Es funktioniert nicht und wenn es im reichen Deutschland nicht funktioniert, wird es auch in den weniger finanzkräftigen Ländern erst recht funktionieren.

  • Ich persönlich sehe das Problem eher in der Erzeugung der Fernwärme. Riesengroße Wärmepumpen für zig Wohnungen gibt’s zwar schon (z.B. Viessmann), aber meist wird Fernwärme durch Gas erzeugt gekoppelt mit Stromerzeugung. Wurde für die Kommunen vom Staat bezuschusst. Jetzt sind sie da und laufen noch locker 20-30 Jahre.



    Und das mit dem Monopol ist ein Problem.