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Ferda Ataman zu Hanau„Deutschland hat versagt“

Die Antidiskriminierungsbeauftragte kritisiert den Umgang mit Hinterbliebenen und Betroffenen des rassistischen Anschlags. Behörden würden diese alleinlassen.

Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin afp/dpa/epd | Vier Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau hat die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, den deutschen Staat massiv für seinen Umgang mit Hinterbliebenen und Betroffenen kritisiert. Ataman sagte den Tageszeitungen der Funke Mediengruppe: „Staat und Behörden in unserem Land haben die Pflicht, nach einem Anschlag wie in Hanau Konsequenzen zu ziehen, damit sich solche Taten nicht wiederholen. Leider muss man sagen: Deutschland hat darin bisher versagt.“

„Auch vier Jahre nach dem Terroranschlag fühlen sich viele Betroffene und Angehörige von Staat und Behörden alleingelassen“, sagte Ataman. Sie verwies darauf, dass sich der hessische Innenminister noch immer nicht für die „dokumentierten Fehler der Polizei“ entschuldigt und es weiterhin kein offizielles Mahnmal für die Opfer auf dem zentralen Marktplatz von Hanau gebe. Noch immer würden Angehörige vom Vater des Täters drangsaliert.

Am 19. Februar 2020 hatte der 43-jährige Tobias R. in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst getötet. Am Montag soll in einer Gedenkstunde auf dem Hauptfriedhof der Stadt an die Opfer erinnert werden.

Mit Blick auf die politischen Folgen des Attentats kritisierte Ataman insbesondere die FDP-Bundestagsfraktion scharf dafür, dass sie aus ihrer Sicht das Demokratiefördergesetz verschleppe. „Es ist ein Armutszeugnis, dass die FDP es blockiert und als angeblich linkes Ideologieprojekt verhetzt“, sagte Ataman. Die Verzögerung sei ein „beschämendes Signal an Millionen von Menschen, die sich in Deutschland gegen Extremismus engagieren“.

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Ataman warnte davor, Geflüchtete und Muslime zu „Sündenböcken“ zu erklären und so Rassismus zu befeuern. „Man kann kritische Migrationsdebatten führen, ohne Muslime und Migranten zu Sündenböcken für die Probleme im Land zu erklären. Trotzdem geschieht genau das immer wieder.“

Menschen mit Migrationsgeschichte würden auch nach dem Anschlag von Hanau noch „öffentlich stigmatisiert“, sagte Ataman. Das müsse ein Ende haben. Weiter sagte sie: „Migration und Vielfalt gehören zu Deutschland wie die Bratwurst und Schrebergärten.“

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13 Kommentare

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  • @EIN WENIG VERNUNFT, BITTE!

    Sich auf die Pathologie des Täters zu fokkussieren ist aber auch eine Ablenkung von den anderen Faktoren, die mindestens genauso wichtig sind, weil wir daran etwas ändern sollten.

    Angefangen beim gesellschaftlichen Klima, das ihm eine slche Tat wünschenswert/notwendig erscheinen lässt (psychische Störungen haben nun mal eine soziale Komponente).

    Weiter beim verschlossenen Notausgang (bei der Shisha-Bar scheint das OK zu sein -- stellen Sie sich das Jaulen der Bild vor, wenn's ein Ruderclub gewesen wäre) über die Unterbesetzung des Notrufs bis hin zum plumpen Verhalten der Polizei nach der Tat.

    Alles Dinge, die aufgearbeitet gehören, wogegen sich die Verantwortlichen sperren.

    Die Pathologie des Täters ist da nur eine Ablenkung.

  • Wenn Frau Ferda Ataman sagt: "Deutschland hat versagt" (siehe Artikel in dieser Zeitung), dann trägt sie u.U. dazu bei, dass die Aufarbeitung dieses Anschlags scheitert: Der Attentäter war spätestens seit 2002 "psychisch auffällig" ... in den öffentlichen zugänglichen Informationen (vgl. wikipedia) wird keine stationäre Krankenhausbehandlung in einer Klinik für Psychiatrie beschrieben. Welche Anstrengungen hat die kommunale Behörde (Gesundheitsamt u.a.) unternommen? Warum ist nicht bereits Jahre zuvor ein Betreuungsverfahren angeregt worden?!



    Kurzum: Hätte dieser Anschlag eines unter einer Wahnstörung (bzw. u.U. an einer Schizophrenie) Erkrankten durch eine rechtzeitige Intervention durch die untere Gesundheitsbehörde verhindert werden können?



    Warum bleiben die Behörden gg dem die Angehörigen terrorisierenden Vater des Attentäters derart passiv?



    Leider wird die schwere psychiatrische Erkrankung in der Berichterstattung immer wieder ausgeblendet bzw. unzureichende thematisiert ... damit trägt diese Berichterstattung - ebenso wie Frau Ferda Ataman - mit ihrer reduzierenden Betrachtung auf rassistische Motive dazu bei, dass weiterhin - bundesweit und nicht nur in Hessen (!) - Gesundheitsämter und die sozialpsychiatrischen Dienste personell unterbesetzt bleiben.



    Attentate wie in Hanau (oder Oslo/Utoya) werden nicht durch "Antirassismus"-Kampagnen oder Demos gegen Rechts verhindert, sondern - wenn überhaupt - durch professionelle Interventionen der unteren Gesundheitsbehörde, der Amtsgerichte und ggf. involvierter Kliniken.



    Ja, es ist ein Skandal, das der Polizei-Notruf in den Stunden des Attentats nicht funktionierte, es ist ein Skandal, dass T.R. als "Sportschütze" Zugang zu Waffen hatte ...



    Gleichzeitig ist es ein tagtäglicher Skandal, dass "wir" - d.h. "wir als Gesellschaft" - psychiatrisch schwer erkrankte Menschen immer wieder unversorgt und ihre Störungsbilder chronifizieren lassen.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Sie können Wikipedia entnehmen, dass er Behandlungen verweigerte.

      2002 hatte die Polizei ihn zwangsweise einem Psychiater vorgeführt.

      Er durfte wieder gehen.

      Der Psychiater hatte also offensichtlich keine Gefahr für Rathjen selbst oder andere erkannt.

      Der Vater hat 2002 sogar einen Rechtsanwalt eingeschaltet, um seinen Sohn aus der Psychiatrie wieder rauszukriegen.

      Rückblickend müsste man sogar sagen, der Psychiater 2002 hatte wohl recht, weil der Anschlag erst 18 Jahre später stattfand.

      Eine Rechtsgrundlage für eine Zwangseinweisung hat die Behörde nur, wenn der Betroffene – durch einen Psychiater attestiert - eine Gefahr für sich oder andere darstellt.

      Ansonsten ist das Gesundheitsamt nur Leistungsbehörde.

      Es hätte Rathjen nicht zwangsweise einweisen dürfen.

      Die Betroffenen müssen eine Therapie wollen.

      Viele wollen nicht versorgt werden.

      Das ist in einer freien Gesellschaft ihr Recht.

      Eine Betreuung bedeutet nicht, dass jemand nicht draußen rumlaufen dürfte.

      Den Punkt, ab dem der Betroffene eine Gefahr darstellt, muss man erst mal mitkriegen.

      • @rero:

        Dank für die Replik. Es findet sich jedoch ein zentraler Denkfehler:

        "Eine Rechtsgrundlage für eine Zwangseinweisung hat die Behörde nur, wenn der Betroffene – durch einen Psychiater attestiert - eine Gefahr für sich oder andere darstellt."



        Ja, that´s the point: Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass ein solches Attest hätte ausgestellt werden können.

        "Ansonsten ist das Gesundheitsamt nur Leistungsbehörde." - Yes, das ist vermutlich traurige Realität in vielen Städten - müsste aber nicht so sein.

        "Es hätte Rathjen nicht zwangsweise einweisen dürfen." - Doch, vermutlich hätten sich - auch eingedenk der verschriftlichten Pathologie - ausreichend Argumente und Gründe für eine wiederholte Zwangseinweisung gefunden.

        "Die Betroffenen müssen eine Therapie wollen.



        Viele wollen nicht versorgt werden.



        Das ist in einer freien Gesellschaft ihr Recht."



        - Diese 3 Sätze sind sachlich falsch und bringen den alltäglichen Zynismus auf den Punkt: Diese 3 Sätze gelten nämlich nur bei freier Willensbildung. Menschen mit einer Wahnsymptomatik wie T.R. sind jedoch nicht mehr in der Lage, einen freien Willen zu bilden.



        D.h. genau an dieser Stelle könnten Gesundheitsbehörde, Ärzte und Gerichte intervenieren.



        Hier in Deutschland hat sich jedoch - im Gegensatz zu anderen europ. Ländern (z.B. Spanien) - eine Praxis des Wegguckens und der ausbleibenden Hilfeleistung eingebürgert.

        Die meisten wahnhaft/schizophren Erkrankten werden nicht zu Mördern oder Terroristen (eher werden sie obdachlos und suchen in Mülleimern nach Flaschen).



        Ich kenne T.R. nicht - aber ich bin davon überzeugt, dereinst, als junger Schüler/Student (also vor Beginn der Erkrankung) hätte er sich einen anderen Verlauf seines Lebens gewünscht, vermutlich war es nicht sein Ziel, ein rassistischer Mörder zu werden ... dann chronifiziert eine Erkrankung mehr als 20 Jahre und wir behaupten, diese Entwicklung sei Ausdruck seines freien (= nicht krankhaft veränderten) Willens gewesen? Nee, diese Ausrede überzeugt nicht.

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Sorry, aber ich habe Ihnen nicht meine Meinung dargestellt, sondern die Rechtslage.

          Sie können sich eine andere Rechtslage wünschen, das ist Ihr Ding.

          Man kann die aktuelle Rechtslage natürlich kritisieren.

          Deshalb ist meine Darstellung aber nicht sachlich falsch.

          Mein Denken ist da nicht drin.

          "Ansonsten ist das Gesundheitsamt nur Leistungsbehörde." - Yes, das ist vermutlich traurige Realität in vielen Städten - müsste aber nicht so sein."

          Doch, bei der Rechtslage muss es so sein.

          Deutschlandweit.

          Würde das Gesundheitsamt anders handeln, wäre das ein Rechtsverstoß.

          Schon wenn die Polizei dem Gesundheitsamt mitteilt, dass jemand täglich irren Kram bei ihnen anzeigt, ohne die Einwilligung der Person eingeholt zu haben, wäre das rechtlich nicht zulässig.

          Wer richtig in einem psychotischen Schub gefangen ist, hat typischerweise keine Krankheitseinsicht und stimmt deshalb selten der Mitteilung an das Gesundheitsamt zu.

          Das hat nichts mit Weggucken zu tun.

          Oft sehen das die Behörden sehr genau.

          Die Gesetze verbieten ihnen aber zu handeln.

          Die Entwicklung des Rechts ging in den letzten Jahrzehnten mehr in Richtung Freiheit für die Betroffenen.

  • @EDDA

    Einverstanden. Ausser vielleicht: "... Und niemand hat aufgeschrien...".

    Doch, die Leute gab es, die wütend aufgeschrien haben. Denken wir an sie -- lassen wir nicht zu, dass sie verschwiegen werden.

    Schreien wir immer wieder auf.

  • Dass nach einem terroristischen Anschlag Betroffene und Angehörige von der Politik alleingelassen werden ist leider öfter der Fall, wie zum Beispiel auch bei dem islamistischen Anschlag 2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Hier muss sich dringend etwas ändern.

  • Ich verstehe nicht, warum bei Taten die sich ideologisch gegen Muslime richten und die Opfer nur aufgrund dieses ihnen zugeschriebenen „Merkmals“ ermordet wurden, es trotzdem immer unerwähnt bleibt. Was ist der Grund dahinter, der es nicht zulässt, dass Islamfeindliche Taten als solche benannt und anerkannt werden?



    Der Täter hat doch unverblümt und offen in seinem „Manifest“ erläutert, warum er Muslime hasst, warum er das Unheil der Welt mit Muslimen begründet und warum er deswegen Muslime töten wollte und alle muslimischen Gemeinschaften ausrotten würde, wenn er könnte.



    Nein, der Täter hat nicht Menschen mit Migrationshintergrund umgebracht, denn er hat sich keine Griechen, Italiener, Franzosen oder Polen ausgesucht. Er hat gezielt Muslime umgebracht, weil sie Muslime waren oder er sie für Muslime hielt.



    Auch bei dem Anschlag in Halle, war es schon verstörend, dass der antimuslimische Faktor der Tat völlig ignoriert wurde, den der Täter offen vor Gericht erklärte.

    Solange Deutschland als Gesellschaft ignoriert, dass der größte Hass der bürgerlichen Mitte Muslimen entgegenschlägt und man es nicht mal schafft, das einzugestehen, ist für mich keine einzige Demo gegen rechts authentisch! Denn der größte Erfolg der AfD liegt in ihrer Islamfeindlichkeit und der antimuslimischen Hetze. Und die größte empfundene Bedrohung des Volkes, zumindest laut aller Umfragen, ist die durch den Islam.



    Ablehnung und Stigmatisierung von Muslimen ist als „begründet“ legitim und sprachlich normalisiert, deswegen ist auch die AfD normalisiert, die einzige Option für jeden 2. Deutschen, der offen bekundet, Muslime abzulehnen. Die AfD ist die einzige, die sich den Kampf gegen Muslime, ihre Einrichtungen, Gemeinschaften, Institutionen kurzum die Vertreibung von allem Muslimischem, ins Parteiprogramm geschrieben und zur Chefsache erklärt hat.



    Deswegen gewinnt die AfD und nicht die CDU, wenn man denn angeblich nur rechtskonservativ wollte.

    • @Edda:

      In Hanau war ein nicht geringer Anteil der Opfer überhaupt nicht muslimisch.

      Man könnte es als Missachtung der Opfer auslegen, wenn man von "antimuslimisch" spricht und der Täter seine Opfer einfach nach optischen Kriterien ausgewählt hat.

      Obwohl der Täter Muslime wohl in einem besonderen Fokus hatte, passt "rassistisch" besser.

    • @Edda:

      In Halle wollte der Täter aber Juden umbringen.

      Wen er letztendlich getötet hat, waren zwei Deutsche, die weder jüdisch noch muslimisch waren.

      Warum wollen Sie die Tat in Halle nicht als antisemitisch, wohl aber als antimuslimisch einsortieren?

  • Leider, leider hat Ferda Ataman völlig recht. Nichts als Heuchelei bringt die Politik für diese Tragödie auf. Das ist weder sozial, christlich noch liberal - es ist erbärmlich.

  • Danke, Frau Ataman, für Ihr Engagement und die klaren Worte.

    "Man kann kritische Migrationsdebatten führen, ohne Muslime und Migranten zu Sündenböcken für die Probleme im Land zu erklären"

    Ja, kann man. Wie soll man aber politisches Kapital daraus schlagen? Leichter doch etwas von "Paschas" (Merz), "Mutter aller Probleme" (Seehofer) oder "Clans" (alle zusammen) zu schwadronieren.

    Und dann bedrückt tun (wenn überhaupt), wenn jemand andere über den Haufen schiesst.

    • @tomás zerolo:

      Danke für Ihren Kommentar! Stimme völlig zu



      Von Seehofer war aber die Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, nur eine Woche nach dem Anschlag auf die Dresdner Moschee, während der Imam sich mit Frau und Kindern drinnen aufhielt, viel verheerender, denn er hat Terror und Gewalt gegen Muslime damit legitimiert, dass sie sich ja eigentlich gar nicht hier aufhalten sollten und diese Dinge nur deswegen passieren, weil sie halt da sind.

      Und niemand hat aufgeschrien, geschweige nach Abtritt Seehofers gerufen. Es war und ist sagbar. Und zwar immer nur, wenn es um Muslime oder Islam geht. Bei allen anderen religiösen oder ethnischen Minderheiten wäre das unmöglich, gesellschaftlich geächtet und nicht toleriert. Auch nicht als Meinungsfreiheit oder Kritik. Es würde direkt als Faschismus erkannt werden.