Feministischer Protest in der Geschichte: Ästhetik des Widerstands

Von Rosa Parks über Hannah Arendt bis zur feministischen Bewegung im Iran: Oft sind es Frauen, die Massenproteste initiieren. Ein Abriss.

Frauen in Mänteln und Hüten sind abgebildet, dahinter ein Plakat, auf dem steht "To win freedom for women"

Suffragetten demonstrieren 1911 in London für ein allgemeines Frauenwahlrecht Foto: imago

BERLIN taz | Die britischen Suffragetten haben vor mehr als 100 Jahren an Protestformen und Widerstand so ziemlich alles durchdekliniert, was man sich vorstellen kann. Vom zivilen Ungehorsam bis zu Militanz und Hungerstreik. Um Wirkmacht zu entfalten, braucht Protest die Inszenierung im öffentlichen Raum. Wer politisch etwas ändern will, muss Aufmerksamkeit generieren.

Ein Meer aus Tausenden von Frauen in Grün, Weiß, Violett – den Farben der Bewegung –, die im Londoner Hyde Park gleichzeitig den Protestslogan „Votes for Women“ skandierten, mit dem „March of the Women“ gibt es eine eigens für die Suffragetten komponierte Protesthymne.

Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

Die Klaviatur der Aufmerksamkeitsökonomie spielten die Aktivistinnen virtuos, mit spontanen Demos und choreografierten Paraden, dem Anketten an öffentlichen Gebäuden oder beim Museumsbesuch, mit Fleischerbeil-Attacken auf Gemälde wie „Die Venus vor dem Spiegel“ von Velázquez.

Damit gewannen die radikalen Suffragetten Mitstreiter:innen, aber auch Gegner:innen, und das, lange bevor sie unter der Losung „Taten statt Worte“ Fensterscheiben einwarfen und Brandanschläge verübten.

„Mannsweiber“, „Rabenmütter“, „verhärmt“, aber auch „unersättlich“, oder, „zu hässlich, um einen Mann abzubekommen“ – damals kursierten entsprechende misogyne Karikaturen, bei Straßenschlachten prügelten Polizei und auch Passanten auf die Demonstrantinnen ein. „Emanzen“ war das Schimpfwort für Aktivistinnen der 1970er Jahre, Hate Speech und Gewalt gehörten schon immer zum Repertoire von Antifeminismus und Queerfeindlichkeit.

Angesichts des globalen Trends zum Autoritarismus sorgen sich immer mehr Menschen um die Demokratie, den liberalen Rechtsstaat. Das Interesse für feministische Proteste ist entsprechend groß, denn die Selbstbestimmungsrechte von Frauen sind regelmäßig die ersten, die in autokratischen Regimen beschnitten werden.

Hannah Arendts Diktum vom Recht, Rechte zu haben

Tatsächlich sind es seit einigen Jahren oft Frauen, die Massenproteste initiiert haben – nicht nur für Pro-Choice und gegen Femizide, sondern auch bei Black Lives Matter oder der Klimabewegung. Wenn immer öfter Fotos von Frauen zu Protestikonen werden, sagt das etwas über den Stand der gesellschaftlichen Rezeption aus.

Für das Foto von Ieshia Evans, die bei einer Demonstration 2016 gegen Polizeigewalt und Rassismus im US-Bundesstaat Louisiana aufrecht und ruhig schwer bewaffneten Polizisten gegenübersteht, bekam der Fotograf den World Press Foto Award.

Betrachtet man das Bild, kommen einem historische Bilder in den Sinn: Rosa Parks, die Ikone der Bürgerrechtsbewegung, die erhobene Faust der Black-Power-Bewegung oder der „Tank Man“, der sich während des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens mit zwei Einkaufstüten in der Hand vor die Panzer stellte. Intuitiv begreift man, was mit Hannah Arendts Diktum vom Recht, Rechte zu haben, gemeint ist.

Der Slogan von Irans feministischer Bewegung bringt es auf den Punkt: Frau, Leben, Freiheit. Unter solchen Machtverhältnissen ist jede noch so kleine öffentlich gezeigte Protestgeste lebensgefährlich.

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