piwik no script img

Feminismus und Trans* FrauenVereinigt euch!

Trans* Rechte gefährden keine Frauenrechte. Tatsächlich machen ihre Perspektiven nicht nur den Feminismus, sondern die Welt besser.

Demonstrant:in in London Foto: Isabel Infantes/imago

I n den letzten Jahren hat die Sichtbarkeit transgeschlechtlicher und nichtbinärer Menschen zugenommen. Sie fordern selbstbewusst ihr Recht auf gesellschaftliche Akzeptanz ein. Zeitgleich sind nicht wenige Frauen und Feminis­t*in­nen besorgt über die Ausweitung der Selbstbestimmungsrechte für trans* Menschen, weil sie dazu führen könnten, dass trans* Frauen feministische Schutzräume missbrauchen. Hieran haben sich heftige Debatten darüber entzündet, wer eine Frau sein darf und was Weiblichkeit bedeutet. Nun melden sich hier eine trans*aktive Politikerin, eine queere Historikerin, eine lesbische Sozialwissenschaftlerin und eine Geschlechterforscherin der Sozialen Arbeit zu Wort.

Die Frage nach Geschlechtszugehörigkeit ist juristisch und naturwissenschaftlich eigentlich längst entschieden. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2011: „Es ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt.“ Damit haben transgeschlechtliche Menschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit; die bis dahin geltende Voraussetzung einer Genitaloperation für Personenstandsänderungen wurde außer Kraft gesetzt. Seitdem ist es in Deutschland rechtlich möglich, dass Frauen einen Penis haben und Männer eine Vulva. Tragischerweise folgte auf diese Rechtsprechung jedoch kein gesellschaftlicher Prozess, in dem Aufklärung und Akzeptanz der Vielfalt körperlicher Unterschiede gefördert wurden. Das muss sich ändern: Die gesellschaftliche Situation muss zur rechtlichen aufschließen.

Es ist nachvollziehbar, dass einige sich durch die zunehmende Sichtbarkeit von trans* Menschen verunsichert fühlen. Wir alle sind in einer Gesellschaft groß worden, in der uns von Geburt an vorgelebt und einverleibt wurde, dass es nur Jungen und Mädchen gibt. An welchen körperlichen Merkmalen beide Geschlechter zu unterscheiden sind, wussten wir nicht erst aus den Biologiebüchern. Dieses kollektive Wissen wird nun infrage gestellt. Denn die Überzeugung, dass nur die zwei – gegensätzlich gedachten – Geschlechter wirklich, echt und natürlich sind, muss im 21. Jahrhundert wissenschaftlichen Erkenntnissen weichen. Ähnlich wie bei der Klimaschutzdebatte werden unbequeme Fakten als „Ideologie“ abgewertet, um diese dann infrage stellen zu können.

Manche Bedenken, insbesondere von feministisch engagierten Frauen, gilt es allerdings ernst zu nehmen: Denn hier werden urfeministische Anliegen tangiert, die auch nach 200 Jahren Frauenbewegungen noch nicht eingelöst sind: Fragen der gleichen gesellschaftlichen Teilhabe und vor allem nach dem Schutz vor Gewalt. Gerade lesbische und feministische Frauen erfahren selbst häufig sexuelle Gewalt und Ausgrenzung. Sie engagieren sich seit Jahrzehnten für die Rechte und den Schutz von Frauen und haben Räume erkämpft und gestaltet, die Frauen vorbehalten sind. Nun wollen auch trans* Frauen Zugänge zu diesen Räumen, Diskursen und solidarischen Vernetzungen. Gefährden also Selbstbestimmungsrechte von trans* Menschen Frauenrechte? Wer darf eine Frau sein? Und: Mit wem können wir feministische Kämpfe führen?

Es ist jedoch nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, trans* Frauen das Frausein abzusprechen, sie als geschlechtlich abartige Männer darzustellen, die sich unlauter Zugang zu Frauenräumen verschaffen wollen. Diese Entmenschlichung weist starke historische Parallelen auf. Mit ähnlicher Argumentation wurden in der Nazidiktatur homosexuelle, sexualitäts- und geschlechtsnonkonforme Menschen stigmatisiert und ermordet. Die strafrechtliche Verfolgung dauerte bis 1994 an. Und wie so oft entlädt sich Zorn über allgemeine strukturelle Missstände an gesellschaftlich schwächeren Gruppen, die dafür nicht verantwortlich sind. Die cisgeschlechtlichen Männer, die die Statistiken sexueller Gewalt anführen, verschwinden dabei aus dem Blick.

Trans* Frauen müssen als das akzeptiert werden, was sie sind: Frauen, gleich an Würde und Rechten wie alle Frauen

Die aktuelle Debatte stigmatisiert transgeschlechtliche Menschen erneut als vermutliche sexuelle Gewalttäter. Dabei erleben gerade sie vielfach und alltäglich Diskriminierung und Gewalt. Tessa Ganserer teilt die Erfahrung der anderen Autorinnen, nachts auf dem Weg nach Hause verfolgt und körperlich bedrängt zu werden. Für Tessa ist zudem die Vorstellung, wegen ihrer von der Norm abweichenden transgeschlechtlichen Körperlichkeit regelmäßig Anfeindungen zu erleben, der blanke Horror, weshalb sie wie viele andere trans* Personen etwa öffentliche Badeanstalten nicht besucht.

Die Debatte über trans* Rechte dreht sich im Kern um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wir sehen argumentative Parallelen zum Umgang mit Geflüchteten: Wessen Ängste bekommen welchen Raum? Wer erlebt Schutz und Mitgefühl? Und letztlich: Wie halten wir es mit der gesellschaftlichen Vielfalt, auch in feministischen Räumen? Tatsächlich geht es um ein gemeinsames Ziel: eine Gesellschaft, in der weiße, cisgeschlechtliche und heterosexuelle Männer nicht mehr an der Spitze der Privilegien stehen. Ebenso wollen wir keine Körperideale mehr, die einschränken und normieren. Queere Lebensweisen eröffnen Wege aus der binären und hierarchisierten Geschlechterwelt.

Voraussetzung dafür ist nicht nur die Fähigkeit, die Anliegen des je eigenen sozialen Umfelds zu formulieren, sondern es braucht auch selbstkritische Reflexion und gegenseitigen Re­spekt. Es heißt, alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Dazu muss heute gehören, sich nicht nur für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern einzusetzen, sonde­rn trans* Frauen als das wahrzunehmen, was sie sind: Frauen, und zwar gleich an Würde und Rechten wie alle Frauen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Ein anderes Problem mit dem Problem der fehlenden Benennung: Wir kämpfen für gendergerechte Sprache, dafür nicht mehr nur mitgemeint (generisches Maskulinum) sondern auch mitgedacht und mitgenannt zu werden. Gleichzeitig wird uns Frauen das eigene Wort unter dem Allerwertesten weggezogen. Es gibt nichts frauenspezifisches mehr, wie z.B. schwanger werden, stillen, Menstruation haben. Denn all das können Männer ja auch. Wie passt das zusammen?



    Noch eines: „Sie fordern selbstbewusst ihr Recht auf gesellschaftliche Akzeptanz ein.“ Das ist gut! Natürlich sollen Trans*Menschen und alle anderen ihre Rechte einfordern. ABER: es muss auch okay sein, wenn betroffene Gruppen ihre eigenen Rechte verteidigen! Das ist keine Einbahnstraße! Und die Befindlichkeiten der Trans*Menschen wiegen nicht höher als die der Frauen, die Sorgen oder Ängste haben. Diese Frauen kann man nicht einfach belächeln, bedrohen oder übergehen.

  • Ich war neugierig, als ich den Titel las. Wie können Trans*Rechte den Feminismus UND die Welt besser machen? Leider gibt der Kommentar darauf keine Antwort. Und das erlebe ich leider oft bei Artikeln über Trans*-Themen. Ich würde dem Thema wirklich gerne offener gegenüberstehen. Allein – ich finde die Argumentation einfach nicht schlüssig und nicht logisch.



    „Die Frage nach Geschlechtszugehörigkeit ist juristisch und naturwissenschaftlich eigentlich längst entschieden.“ Die juristische Perspektive ist dargelegt – die naturwissenschaftliche nicht. Es wird immer wieder konstatiert, dass gender-kritische Menschen sich bilden sollen, dass die Wissenschaft weiter sei, dass Geschlecht im Kopf bestimmt werde… Wenn das so ist, dann hätte ich jetzt gerne eine Definition von Mann und Frau! Eine Definition, die überprüfbar ist. Woran erkenne ich eine Frau? Welche geschlechtsspezifischen Eigenschaften/Merkmale hat ein Mann? Die vage Aussage, dass diejenige eine Frau ist, die sich als Frau fühlt oder, die sich als Frau identifiziert, ist keine Definition und auch nicht prüfbar. Nach dieser Definition wäre ich z.B. keine Frau. Ich fühle mich nicht als Frau und ich identifiziere mich nicht als Frau. Die Umwelt identifiziert mich als Frau und trägt dementsprechend gewissen Erwartungen über mein Verhalten an mich heran. Dem kann ich mich mal besser und mal schlechter entziehen. Wenn es keine Definition von Frau und Mann bzw. von männlich und weiblich gibt, dann werde ich noch immer diskriminiert oder in eine Schublade geschoben, in der ich mich nicht wohlfühle – aufgrund meiner körperlichen Ausstattung. Ich kann mich dann vielleicht nicht mehr Frau nennen oder meinen Körper als weiblich, weil das trans*feindlich ausgelegt werden könnte. Aber inwiefern hilft mir das? Oder dem Feminismus? Oder der ganzen Welt?

  • Ja, cis- und trans-Frauen sollten solidarisch zusammenarbeiten. Aber so simpel und eindeutig, wie es hier klingt, ist es nicht.



    - Es gibt nunmal eine lange Zeit der Sozialisierung in der Kindheit, in der wir vieles über unseren Platz in der Welt lernen. Die ist bei cis- und Transfrauen strukturell unterschiedlich - es macht einen Unterschied, ob man die Welt in dem Bewusstsein beobachtet, dass man selbst mal eine Frau werden soll, oder in dem Bewusstsein, dass man ein Mann werden soll (und sich das vielleicht völlig daneben anfühlt). Das sind einfach unterschiedliche Erfahrungen in einer prägenden Zeit und unterschiedliche Probleme, die daraus entstehen. Und es ärgert mich, dass es heutzutage in vielen Kreisen undiskutabel ist, bestimmte Diskussionen mit Menschen führen zu wollen, die als Mädchen sozialisiert wurden. Warum tun alle so, als sei das völlig belanglos, wo wir sonst so viel über Kindheitprägungen sprechen?

    - In sexuellen Experimentierräumen gibt es für viele Frauen (cis und trans!) den Bedarf, mal einen Vulva-only Raum zu haben - in der Regel, weil diese Frauen schlechte Assoziationen mit Penissen haben, die sie der sexistischen Welt verdanken, die Penisse gerne mal als Machtinstrument versteht (ich empfehle hier beispielsweise schlechten deutsch-Rap). Leider habe ich erlebt, dass selbst auf großen Veranstaltungen die Idee, einen (!) kleinen(!) penisfreien Raum zu haben, mit Hass, Aggression und komplettem Unverständnis reagiert wurde. Das ist nicht schwesterlich, sondern aggressive Raumnahme auf Kosten anderer.

    - Oft sind Frauenräume (cis und trans) generell nicht mehr akzeptiert, sondern es wird gefordert, sich generell für "queer" zu öffnen. Auch wieder: queere Räume sind toll, aber kann es bitte auch noch Frauenräume geben? Der Alltag einer Transfrau, die seit Jahren out ist, ist anders als der einer genderqueeren Person, die ihr tägliches Leben ungebrochen als Mann verbringt, aber sich innerlich nicht so fühlt.

  • Ich stimme mit dem Artikel - was die taz anbetrifft: ausnahmsweise - überein und finde ihn wichtig. Ich möchte ihn um einen Aspekt erweitern: Bevor Transgender ein Thema war, wurden Frauen bereits in 'Mütter' und 'kinderlose Frauen' gesplittet, und in fast jedem Unternehmen war die Gleichstellungsbeauftragte eine Frau mit Doppelnamen, die v.a. dafür instanziiert wurde, damit Muttis in Teilzeit auch mal befördert wurden, um es flapsig zu formulieren. Bei kinderlosen Frauen ging man(n?)/ frau immer davon aus, dass die so oder so ihren Weg gehen würden und dieselben Chancen hätten wie Männer. Selbst das ist nicht so.



    Ich möchte aber einen weiteren Aspekt einwerfen: Ich bin für eine Frau groß, eine inzwischen üppige Marilyn in 1,80. Was glauben bitte die Transfrauen, was in einer Schwimmhalle abgeht, wenn man mit 85F und schickem Badeanzug durch die Reihen geht? Wie man da mit Augen ausgezogen und betatscht wird?



    Diese Art von Übergriff ist nichts, die man lediglich als trans.. queer..whatever ertragen muss. Das passiert anderen Frauen auch und ist nicht nur euer Leid.



    Wer als Transfrau Solidarität von nicht-trans-Frauen einfordert, muss sich zunächst mal auch selbst solidarisieren, und das bedeutet nicht zu fordern, sondern auch zu erkennen und sich in gewissem Umfang als GANZ NORMAL EINZUSORTIEREN bereit zu sein. Ihr werdet dann ganz normal behandelt werden, wenn ihr nicht dauernd betont, dass ihr ähnlich, aber dann doch anders seid. Es ist mir wurscht, was ihr in der Hose habt. Wichtig ist, was ihr im Hirn habt!

  • Die Revolution frisst ihre Kinder. Wahrlich kein neues Phänomen. Man/frau emanzipiert sich sozusagen von seiner Opferrolle. Sobald vormals unterprivilegierte Gruppen in der Hierarchie eine erste kleine Stufe aufgestiegen sind, geht das Treten nach unten los. So wie hier beschrieben grenzen Feministinnen Transfrauen aus. Ähnliches gilt für so manche Ex-Migranten, die schon länger in Deutschland sind und die sich jetzt vehement gegen weitere Migration anderer Gruppen nach Deutschland aussprechen und auf "diese Ausländer" schimpfen. Schade.

  • Als ob es so einfach wäre: Einzelfälle, in denen das Frausein von Trans nicht unbedingt mit Weiblichkeit und Feminismus sondern mit Testosteron-assoziierten Problemen einhergeht, machen die Sache kompliziert und die Vorbehalte verständlich. Bei der insgesamt kleinen Gesamt-Zahl von Transmenschen wiegen die bekannten Fälle von Missbrauch der FrauRolle (z.B. im Strafvollzug) schwer.

    • @TazTiz:

      Ich sehe das Problem mit derartigen Fällen vor allem deshalb als gravierend an, da sich die Tras*Community und gerade die politisch-medial im Focus stehenden Aktivist*innen niemals zu derartigen Fällen äussernd.



      Denn solange diese Trans*Vertreterinnen sich in der Öffentlichkeit zu derartigen Vorfällen in Schweigen hüllen, geben sie potentiellen weiteren Täter*innen das moralische Recht zu solchem Verhalten!

      Wenn hingegen Männer mit weiblicher Sozialisation solches Verhalten anprangern - dann bin ich wie mir aus diesen Trans*Kreisen gesagt wird: Rechts, ein Nazi, usw.

      Aus meiner Sicht und aufgrund meiner eigenen biographischen Erfahrungen muss bei Übergiffigkeitsfällen von einer "Trans*Vertretung" ein klarer und deutlicher Protest gegen dieses Verhalten erfolgen - passiert dies nicht, wird damit gerade auch in die Gesellschaft signalisiert "Trans*Frauen dürfen männlich Übergriffig sein!"

      • @Lotty Maria:

        Repräsentieren sie ernsthaft einen trans Verband? Ich hoffe nicht.



        Bevor Sie und andere hier transfeindlichen Müll ins Universum blasen belegen Sie Ihre Behauptungen bitte. Es gibt keine Signifikanten Hinweise darrauf das trans Personen übergriffiger sind als cis Personen.



        Die Debatte hat sich damit erledigt. Von Beiträgen wie Ihrem bleibt nur die transfeindlichkeit.



        Guten Abend.

      • @Lotty Maria:

        Kleiner Nachtrag, versehentlich wurde dies unter Lottys Namen gepostet, dies ist ein Fehler von mir, ich war davon ausgegangen, dass dieser Account auf den Vorstand der Vereinigung-TransSexuelle-Menschen e. V. läuft.



        Ich bin Frank Gommert - der aktuelle geschäftsführende Vorstand des Vereines.



        Das Lotty sich nicht mehr selbst zu Wort melden kann dürfte vielen Bekannt sein.