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Fehlverhalten Thüringer BeamterNeue Vorwürfe gegen Polizei Weimar

Polizeigewalt, Stalking, falsch registrierte Waffen und ein Polizeichef, der wegschaut – Weimarer Polizist:innen berichten erneut von Missständen.

Aufklären steht hier nicht auf der Agenda: die Polizeiinspektion in Weimar Foto: Martin Jehnichen

Leipzig taz | Erneut werden schwere Vorwürfe gegen zwei Polizeibeamte aus Weimar erhoben. Der taz liegt ein exklusives Schreiben vor, nach dem sich der Beamte Sebastian K. mehrfach der Körperverletzung im Amt, des unerlaubten Waffenbesitzes und des Stalkings strafbar gemacht haben soll. Zudem soll er sich immer wieder aggressiv gegenüber Kolleg:innen und Bürger:innen verhalten sowie eine Schichtleiterin homophob beleidigt haben. Ein weiterer Beamter soll sich zudem des Diebstahls von Betäubungsmitteln strafbar gemacht haben.

Bereits im Juni hatte die taz von Missständen in der Polizeiinspektion Weimar berichtet. Damals konnten interne Ermittlungsakten belegen, dass der Beamte Tino M. mehrfach übergriffig handelte, interne Polizeidaten weitergab und Penisfotos an ein junges Mädchen verschickte. Das Verfahren gegen M. wurde auf Januar verschoben, bis heute ist er suspendiert, erhält jedoch weiterhin Bezüge.

Nun heißt es mit Bezug auf die Recherchen in dem ­Schreiben, dass es „auch weiterhin keine Folgen für Kollegen“ gebe, die Fehler machen. In der anonymen E-Mail berichten die Absender:innen unter dem Pseudonym „Kollegen der Polizei Weimar“ detailliert über die Anschuldigungen.

Demnach seien die von der taz recherchierten Führungsprobleme durch die neue Dienststellenleitung unter Polizeichef René Treunert noch schlimmer geworden als bei dessen Vorgänger und heutigem Bürgermeister Ralf Kirsten. Fehler würden „nicht einfach nur verschwiegen“, sondern Kollegen, die Probleme und Straftaten ansprächen, zudem „systematisch schikaniert und demontiert“.

Konsequenzen gefordert

Drei Beamte der insgesamt 18-köpfigen Schicht haben sich zusammengefunden, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Die taz konnte mit einem von ihnen sprechen. Über zehn weitere Polizist:innen, so die Beamten, würden ihr Vorhaben, die Vorwürfe an die Öffentlichkeit zu bringen, unterstützen.

Der beschuldigte Beamte soll sogar ein Sturmgewehr inklusive Munition besitzen

„Uns ist bewusst, dass wir mit diesem Schreiben ein schlechtes Bild auf die Polizeiinspektion Weimar hinterlassen“, schreiben die Beamt:innen. „Auch wenn wir uns wiederholen, wollen wir, dass Fehler, die absichtlich begangen werden, Konsequenzen haben. Das scheint aber nur möglich, wenn bei Bekanntwerden der Fehler auch ermittelt wird.“

Ein Polizeikommissar, der anonym bleiben will, dessen Identität der taz jedoch bekannt ist, bestätigte die Vorwürfe. Laut seiner Aussage habe der Polizeimeister Sebastian K. mehrfach „gewaltvolle Übergriffe“ gegenüber Personen zu verantworten.

Demnach habe er im Einsatz Tatverdächtige „absichtlich mit dem Kopf auf den Boden geschlagen“, bis Kollegen ihn wegziehen konnten. Während eines Polizeieinsatzes habe er einen Ladendieb „permanent verbal und körperlich provoziert“ und ihm, als dieser aufstand, „kräftig mit der Faust in den Magen geschlagen“.

Polizeigewalt, Stalking, Homophobie

Im Anschluss habe er ihn „absichtlich stark“ am Arm gegriffen, woraufhin der Ladendieb versucht habe, sich aus dem Griff zu befreien. Sebastian K. habe ihn dann „radikal zu Boden geworfen“ und gefesselt. Der Betroffene, der eigentlich nur eine Anzeige wegen Ladendiebstahls zu befürchten hatte, sei daraufhin ins Klinikum gebracht worden und habe eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte erhalten.

K. habe behauptet, er sei mittels eines Ellenbogenschlages angegriffen worden. Im Einsatzbericht ist lediglich die Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte vermerkt. Der Hinweisgeber sagte der taz, Sebastian K. habe Protokolle, „so rundgeschrieben, dass ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte dabei herauskommt“. Des Weiteren sagte er, Sebastian K. habe Kolleginnen mehrfach sexistisch, sowie eine lesbische Kollegin mit den Worten „Die gehört mal ordentlich durchgebumst. Wenn ich die mal ficken würde, dann wär die Hetero“ homophob beleidigt.

Immer wieder soll K. aggressiv auf Kolleg:innen sowie Bürger:innen reagiert haben, mehrfach Personen während einer Polizeimaßnahme zum „Kampf Mann gegen Mann“ herausgefordert haben. Einen angetrunkenen Jugendlichen, der nachts durch eine Straße in Weimar lief und die Beamten mit „ACAB“-Rufen beleidigte, habe er ohne Ankündigung auf den Boden geworfen und auf ihn eingeschlagen, bis sein Kollege ihn bremste.

Sebastian K. soll darüber hinaus seine ehemalige Lebenspartnerin gestalkt haben. Der Zeuge berichtet, K. sei während der Dienstzeit mehrfach an ihrer Wohnung vorbeigefahren, zudem soll er einmal während des Dienstes ihre Wohnung unter dem Vorwand, etwas abholen zu wollen, durchsucht haben: Unterwäsche, Schränke, ihr Adressbuch. Die Eltern der Ex-Partnerin hätten ausgesagt, dass sie enorme Angst vor Sebastian K. haben, da er sie „permanent kontrolliere“ und dem neuem Lebenspartner Gewalt angedroht habe.

Bis heute keine Ermittlungen

Außerdem, so der Polizeibeamte, sei Sebastian K. im Besitz von Waffen gewesen, darunter ein Scharfschützengewehr, Großkaliberwaffen, Handfeuerwaffen, Kleinkaliberwaffen sowie ein Sturmgewehr inklusive Munition. Einige dieser Waffen davon stünden jedoch bei seinem Vater auf der Erlaubniskarte, nicht bei ihm selbst.

Die Vorwürfe, die die „Kollegen der Polizei Weimar“ in ihrer anonymen E-Mail sowie der Polizeibeamte im telefonischen Gespräch mit der taz formulieren, decken sich mit einem Schreiben vom 5. August 2019 – adressiert an René Treunert, den Leiter der Polizeiinspektion Weimar. In dem Brief wird auf fünf Seiten ausführlich dargestellt, warum die Einschätzung naheliege, dass Sebastian K. „sowohl dienstlich als auch privat eine Gefahr für andere Personen darstellt“.

Der Polizeichef muss von den Vorwürfen gewusst haben – spätestens seit dem Sommer 2019, dem Datum des Schreibens. Der taz wollte er keine Auskünfte geben und sagte lediglich, sie „renne einer Sache hinterher, die von allen Seiten zu einer einvernehmlichen Lösung gebracht wurde“.

Die „Kollegen der Polizei Weimar“ bestreiten gegenüber der taz jedoch, dass es eine einvernehmliche Lösung gegeben habe. Sie behaupten, dass Treunert Sebastian K. bereits zwei Monate nach Meldung der Vorfälle wieder in der Schicht einsetzen wollte, ohne eine:n der Beamt:innen zu den Vorwürfen befragt zu haben. Bis heute seien keine Ermittlungen eingeleitet worden.

taz-Recherchen sorgen für Wirbel

Angeblich, so die Hinweisgebenden, soll der Polizeichef „massiv Druck“ ausgeübt haben, damit gar nicht erst ermittelt werde. K. habe stattdessen im Gespräch mit Treunert psychische Probleme angegeben, woraufhin ihm jegliche Waffen entzogen worden seien. Die Waffenbehörde gibt auf Anfrage keine Auskunft.

Und die Hinweisgebenden erheben weitere Vorwürfe gegen einen anderen Beamten. Seit dieser im Ermittlungsdienst für Betäubungsmittel zuständig sei, würden immer wieder Betäubungsmittel „verschwinden.“ Akten würden nachträglich geändert und Fotos von beschlagnahmten Betäubungsmitteln seien nicht mehr auffindbar.

Mehrere Kollegen würden berichten, dass der Beamte auf dem Heimweg Jugendliche anspreche, von ihnen Drogen und Tabak sicherstelle und nie eine Anzeige gefertigt würde. Auch diese Vorfälle seien der Dienststellenleitung bekannt. Von ihr habe es geheißen, dass der Beschuldigte keine Betäubungsmittelsachverhalte mehr bearbeite. Bis heute sei dies jedoch nicht geschehen.

Schon jetzt scheinen die Recherchen für Wirbel in der Landespolizei zu sorgen. Aus Polizeikreisen heißt es, bei einer Lagebesprechung der Landespolizeidirektion am Montag habe ein Beamter gesagt, die taz würde „Druck auf den Leiter der PI Weimar ausüben“.

Ein Sprecher der Landespolizeidirektion sagte auf Anfrage, die „angesprochenen Sachverhalte mit möglicher strafrechtlicher Relevanz“ würden in Folge der Anfrage an den Bereich Interne Ermittlungen zur Prüfung übergeben. Man bedauere, keine weiteren Auskünfte geben zu können. Sebastian K. selbst nahm zu den Vorwürfen bis Redaktionsschluss keine Stellung. Nach taz-Informationen ist er weiterhin im Dienst, wenn auch in einer anderen Schicht. Aber: auf Streife, mit Dienstwaffe.

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17 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • (...) Maier: „Ich dulde keine rassistischen oder andere diskriminierenden Handlungen in der Thüringer Polizei“



    Nach den Vorwürfen gegen die Weimarer Polizeibeamten hat Innenminister Georg Maier (SPD) angekündigt, der Sache nachzugehen und den Landtagsinnenausschuss informieren zu wollen. „Vorab: Ich dulde keine rassistischen, homophoben oder andere diskriminierenden beziehungsweise strafbaren Handlungen in der Thüringer Polizei. Ich gehe der Sache nach und berichte im Ausschuss», teilte Maier am Freitag mit. Er antwortet damit auf die Aufforderung des innenpolitischen Sprechers der Linken-Fraktion, Steffen Dittes, den Sachverhalt zum Thema im Ausschuss zu machen.



    Auch die Landespolizeidirektion hat auf den Artikel reagiert. „Zur unmittelbaren Aufklärung des Sachverhalts wird die Landespolizeidirektion mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beitragen. Der Artikel wurde dem Bereich Interne Ermittlungen der Landespolizeidirektion zur Prüfung und anschließenden Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft übergeben“, hieß es in einer Mitteilung. (...)" (thueringer-allgemeine.de, 30.10.20)



    www.thueringer-all...n-id230799926.html

  • Es hilft nur die kollektive Betrafung der ganzen Gruppe inkl. der Führung.



    Bis zu 14 Tage nach dem Vorfall gibt es Straffreiheit für den Kronzeugen - danach ist der Ofen aus.

    Die Polizei hat schließlich die Pflicht alle Delikte zu verfolgen: Jeder einzelne Polizist hat diese Verpflichtung.



    Und daraus ergibt sich eine Pflichtverletzung durch Unterlassung die eine kollektive Bestrafung nicht nur ermöglicht sondern vielmehr zwingend macht.

  • Danke an die mutigen Beamt*innen, dass Ihr nicht geschwiegen habt, sondern mit Eurer Kritik an die Öffentlichkeit gegangen seit. Hoffentlich habt ihr damit einen positiven Veränderungsprozess angestossen.

  • Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das völlig inakzeptabel. Allerdings:

    Es ist schon etwas ulkig, dass ausgerechnet die taz so etwas "exklusiv" bekommt. Die Anzahl der taz-Abos dürfte sich in Weimar und Umgebung im einstelligen Bereich bewegen - denkbar ungünstig wenn es denn tatsächlich darum geht, die Öffentlichkeit zu informieren.



    Wenn man aber nur Stunk machen will ist man bei der polizeifreundlichen taz, die zudem für Quellenprüfung und Sachkenntnis bekannt ist, an der richtigen Adresse.

    • @Samvim:

      Ich finde das garnicht ulkig.



      Das hat etwas mit Quellenschutz zu tun.

      Als Whistleblower muss man schliesslich gut abwägen.

      • @Bolzkopf:

        Bitte lesen Sie meinen Beitrag nochmals. Ich schrieb, dass ich es seltsam finde, dass die taz das Ganze exklusiv hat. Über Quellenschutz habe ich nichts geschrieben

        • @Samvim:

          Ja - das verstehe ich.



          Aber "exklusiv" bedeutet doch "nur eine Zeitung bekommt die Infos".



          Als Whistleblower muss man schon sorgfältig abwägen ob man bei mehreren Zeitungen ins Boot steigt oder nur bei einer (und natürlich auch bei welcher)



          Und das hat dann was mit Quellenschutz zu tun (bzw. mit Kompromittierungsrisiko).



          Ich glaube als Whistleblower ist die Auflage der Zeitung und das Verbreitungsgebiet nicht die Hauptsache.

  • "Uns ist bewusst, dass wir mit diesem Schreiben ein schlechtes Bild auf die Polizeiinspektion Weimar hinterlassen." Nein: Das ergibt ein gutes Bild von den Beamt*innen, die das öffentlich machen.

    Aber, liebe taz, mit Verlaub: Seid ihr noch ganz richtig in der Birne, bei einem solchen Gefährder allen Ernstes und vollkommen unnötig den oder die Absender räumlich einzugrenzen??? Das ist ja wohl mal so richtig krass. Ich kann es nicht fassen. Wenn jetzt was passiert, geht das mit auf eure Kappe.

  • Der Polizeichef Treunert scheint ähnlich kriminell zu sein wie zwei seiner Kollegen, indem er sie deckt und weitere Straftaten ermöglicht.

  • Es ist mehr als beunruhigend & auch in jeder Hinsicht bezeichnend, dass aufrechte Polizeibeamte sich gezwungen sehen, derartige Missstände anonym & in Furcht vor Repressalien zur Anzeige zu bringen. Danke an die taz, dass Sie das ans Licht bringen. Es spricht vieles dafür, dass da noch sehr viel mehr im Dunkeln lauert. Die Aufklärung muss hier unbedingt siegen.

  • Übrigens: Auch Juristen aus der Klassikerstadt raten davon ab, Polizisten mit Vorwürfen zu konfrontieren. Vor diesem Hintergrund ist die neue Beschwerdestelle, für die sich die aktuelle Regierung gern feiern lässt, Makulatur.

  • RS
    Ria Sauter

    Bitte dranbleiben!



    DANKE für Euren Einsatz dazu!

  • Danke. Dranbleiben!

  • Kommentar zum Schutz einer Quelle entfernt. Vielen Dank für den Hinweis.

    Die Moderation

    • @Jona:

      A) Das hat mich auch geärgert. Es war vollkommen unnötig und ist riskant - für diejenigen, die den Mut hatten, der taz „Stoff“ zu liefern.

  • Zwischen diesen Polizisten und die Kriminellen gibt es kein Unterschied, es ist einfach nur noch krass! Das so etwas von oben auch noch gedeckt um nicht zu sagen versucht wird zu vertuschen, ist einfach nur krank, der Horst weiß ganz genau wieso er keine Studie in Auftrag geben möchte! Das schlimme ist, obwohl das Kollegen sind die das anprangern, und trotzdem passiert nichts, da kann man sich gut vorstellen wie viel Chancen gegen die Polizei bei einer Klage, man als Bürger hat!