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Fehlende 60 Milliarden EuroStreit um Haushaltsloch dauert an

Während sich Wirtschaftsminister Habeck für eine Reform der Schuldenbremse ausspricht, halten FDP und Union dagegen. Die Wissenschaft ist uneins.

Fundamental andere Vorstellungen in der Finanzpolitik: Habeck, Scholz und Lindner (v.l.n.r.) Foto: Annegret Hilse/dpa

Berlin dpa/afp | Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt ist ein Ausweg aus der dramatischen Finanzierungskrise noch nicht in Sicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will an den Vorhaben der Bundesregierung mit Blick auf Klimaschutz und Investitionen dennoch festhalten. „Wir müssen das nach wie vor möglich machen“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.

Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz forderte hingegen einen Verzicht auf die Kindergrundsicherung, das Heizungsgesetz und auf ein höheres Bürgergeld. „Es geht eben nicht mehr alles“, sagte er in der ARD-Talkshow „Maischberger“.

Habeck betonte, es sei nun die Aufgabe, „in Ruhe und konzentriert“ einen Weg aus den Finanzierungsnöten zu finden, die das Karlsruher Urteil nach sich zieht. Diese Lösungen seien zunächst „hinter den Kulissen“ zu erarbeiten und nicht in einer öffentlichen Diskussion. Er verteidigte die Entscheidung der Bundesregierung, für 2023 bei der Schuldenbremse bisher keine „Notsituation“ geltend gemacht zu haben, die möglicherweise die Schuldenaufnahme sicherer gemacht hätte. Dieser Entschluss sei in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gemeinsam getroffen worden.

Der Vorschlag von Habeck für eine Reform der Schuldenbremse wird von deutschen Top-Ökonomen unterschiedlich bewertet. „Die Befürworter einer solchen Reform haben nicht den Investitionsbegriff des Haushaltsrechts im Kopf, sondern Subventionen alter Industrien für die Transformation zur Klimaneutralität“, sagte der frühere Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Mittwoch).

Milliarden für Zukunftsvorhaben wackeln ebenfalls

Anders sieht es der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann, der an der Universität Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana lehrt. „Eine Reform wäre ökonomisch dringend notwendig“, sagte er. Denn die aktuelle Schuldenbremse würde weder Marktsignale zur Schuldentragfähigkeit noch eine adäquate makroökonomische Stabilisierungspolitik erlauben. Mit Bezug auf die Klimainvestitionen betonte Bachmann: „Man sollte die Klimatransformation auch mit Schulden finanzieren, weil es sich ja um ein langfristiges Projekt handelt.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Dies hat zur Folge, dass weitere Milliardensummen für Zukunftsvorhaben gefährdet sind. Da die genauen Auswirkungen auch auf den regulären Haushalt noch unklar sind, entschied das Finanzministerium, vorsorglich bestimmte Zusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt zu sperren.

Als sicherste Lösung des Problems gelten Änderungen des Grundgesetzes, entweder bei der Funktionsweise der Schuldenbremse oder für die Verankerung von Sonderfonds – wie zum Beispiel bei den Investitionen in die Bundeswehr, die in der Verfassung abgesichert sind. Dafür wird jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag benötigt.

Die riesigen Milliardensummen, die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und den am Dienstag ebenfalls gestoppten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit den Energiepreisbremsen benötigt werden, allein mit Einsparungen oder höheren Einnahmen im Haushalt aufbringen zu können, gilt aber ebenso als unrealistisch.

Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sprach sich für eine parteiübergreifende Lösung aus. „Es darf jetzt nicht um parteipolitische Geländegewinne gehen. Jetzt gilt es, in Bündnissen auch über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das müssen sich auch CDU und FDP im Bund auf den Zettel schreiben“, sagte Neubaur der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Sie sei froh, dass kurzfristig eine Sonderkonferenz der Wirtschaftsministerinnen und -minister von Bund und Ländern geplant sei. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: „Der Rotstift allein löst keines unserer Probleme.“

Union und FDP gelten als Befürworter der Schuldenbremse, die eine Neuverschuldung außer in Notsituationen, für die der Staat nichts kann, erschwert. Auch eine Lockerung hält CDU-Parteichef Merz nicht für angesagt: „Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir an die Schuldenbremse heran müssen.“ Höhere Steuern lehnte er bei „Maischberger“ ebenfalls ab: „Deutschland ist schon ein Hochsteuerland, und wir sollten es nicht übertreiben.“

Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach sich in der „Rheinischen Post“ gegen höhere Steuern aus. Notwendig sei stattdessen eine „grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, was wir finanzieren können und was nicht“.

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11 Kommentare

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  • "„Es geht eben nicht mehr alles“, sagte er in der ARD-Talkshow „Maischberger“."

    Das hat Merz Recht. Also Streichen der 100 Milliarden für die Rüstungsindustrie, die niemandem helfen außer deren Aktionären. Kindergrundsicherung, Bürgergeld und Unterstützung des Klimaschutzes sind essentiell. Letzteres übrigens sogar laut Verfassungsgericht.

    • @Jalella:

      @Jaella: Laut Bundesverfassungsgericht hat der Bürger ein Grundrecht auf Sicherheit - sowohl der äußeren wie auch der inneren Sicherheit. Dies ist eine hoheitliche Aufgab des Bundes.



      Die soziale Absicherung der Bevölkerung ist dagegen explizit KEINE der Grundrechte!

      • @Andere Meinung:

        Leider ist das so. Ich frage mich, wieso SPD und Grüne diese Rechte im GG nicht als Bedingung für die Zustimmung zu Militärausgaben im GG gemacht haben. Soziale und pazifistische Parteien hätten das sicherlich wenigstens versucht. Aber die gibt's bei uns nicht mehr.

    • @Jalella:

      Die 100 Mrd Rüstungssondervermögen sind im Grundgesetz festgeschrieben.



      Und zum anderen würde man dann den exakt gleichen Verfassungswidrigen Finanztrick nochmal machen. Auch das Rüstungsvermögen kann nicht umgewandelt werden. Selbst wenn man es auflöst, an die Kreditermächtigung kommt man nicht dran

  • Habeck hat es beim ersten Mal versiebt, und beim zweiten Mal wird er genauso versagen weil er es schlicht und einfach nicht kann. Obwohl er natürlich glaubt dass er der grosse Zampano ist und daher die anderen alle Schuld sind.

    • @Gerald Müller:

      Ist Habeck Finanzminister? Diese Einlassung ist sehr dürftig, das hätte von Merz oder Söder so formuliert werden können - von einem etwas ausgewogenerem Betrachter kann es nicht stammen...

  • Was fehlt: Steuern konsequent erheben. Da gehen jedes Jahr über 110 Milliarden Euro verloren. Und Umweltschädliche Subventionen abschaffen.

    Erstens: Steuerbetrug zurückdrängen. Über 100 Milliarden Euro. Quellen



    z.B. [Finanzverwaltung NRW] und [Hans Böckler Stiftung]. Hintergründe



    und notwendige Maßnahmen [von einer Steuerfahnderin im SWR1].

    Zweitens: Vermögenssteuer wieder erheben. [10-20 Milliarden Euro].

    Außerdem Umweltschädliche Subventionen abschaffen. [65 Milliarden Euro]



    laut Umweltbundesamt.

    [60-Milliarden-Loch - welche Optionen gibt es?]

    [Finanzverwaltung NRW]

    [Hans Böckler Stiftung]

    [von einer Steuerfahnderin im SWR1]

    [10-20 Milliarden Euro]

    [65 Milliarden Euro]

    (von www.draketo.de/pol...konsequent-erheben )

  • Das was Opposition (innerhalb und außerhalb der Koalition) fordert, macht deutlich, was die von einem gesunden, fairen Staatswesen halten. Da ist außer Profitstreben kein Ziel erkennbar. Das Argument qua Schuldenbremse nachfolgenden Generationen eine zu große Schuldenlast zu hinterlassen ist fadenscheiig, ideologisch. Wenn ich an meinem Haus das lecke Dach nicht repariere weil ich €1000.- sparen will wird das Haus dann über kurz oder lang völlig zerfallen und dann kostet es €100000.- Genau diese Entwicklung kann man bei Brücken, Straßen, Bahninfrastruktur und vielen anderen Dingen deutlich erkennen. Die Schuldenbremse kann eine Falle sein - wenn man sie nur aus ideologischen Gründen anwendet. Es ist Sand in die Augen der Bevölkerung.

    • @Perkele:

      Sand in die Augen der Bevölkerung zu streuen ist es doch wohl viel eher, wenn eine Regierung meine diverse Projekte stemmen zu können ohne sich Gedanken über die Finanzierung von morgen machen zu müssen.

      Der mangelnde Erhalt der Infrastruktur hat mit der Schuldenbremse übrigens rein gar nichts zu tun, diese wird schon viel länger geschleift als es die Schuldenbremse gibt. Diese Falle haben sich die Regierungen der letzten 20 Jahre selbst gestellt.

    • @Perkele:

      Dafür bildet man Rücklagen.



      Zum anderen ist ja Geld da, nur halt bereits verplant.



      Sie nehmen auch keinen Kredit auf für ihre Dachreperatur und fahren für diese Summe dann auf ein Festival.



      Sie verzeichnen dann auf das Festival

  • Die Wissenschaft... soso... Jetzt brauchen wir nur noch Studien, die zuviel Soziales anprangern.. am besten von der Bertelsmannstiftung.... ich glaubs nicht.... was z Zt. abgeht ist für Ältere unvorstellbar.