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FamilienpflegegeldSo bleibt es wieder an den Frauen hängen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Geld für die private Pflege klingt verlockend, ist aber verkehrt. Es drängt weiter Frauen in die Care-Arbeit und hält sie vom Arbeitsmarkt fern.

Eine alternde Gesellschaft braucht mehr Pflegeleistung Foto: imago

W arum erntet der Vorschlag der neuen CDU-Familienministerin ­Karin Prien, ein Familienpflegegeld einzuführen, eigentlich so viel Zuspruch? Zugegeben, die Idee klingt verlockend: Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, sollen dafür eine Lohnersatzleistung bekommen – analog zum Elterngeld. So wie Mütter und Väter eine Zeit lang für die Kinderbetreuung aus dem Job aussteigen können und dafür – gemäß ihrem Einkommen – vom Staat Geld erhalten, sollen auch Menschen, die ihre Eltern oder andere Familienmitglieder für einen begrenzten Zeitraum pflegen, dafür finanziell unterstützt werden.

Die Idee hinter der Idee ist schon richtig: Eine alternde Gesellschaft braucht mehr Pflegeleistung – mehr Pflegeheime, Pflegekräfte, professionelle Pflege. Hier allerdings beginnt das erste von zahlreichen Problemen. Warum sollen ausgerechnet Familienangehörige zu Pflegekräften mutieren? Sie sind in der Regel keine examinierten Fachkräfte und sollen, weil sie jetzt Geld dafür bekommen, Tätigkeiten übernehmen, für die andere jahrelang ausgebildet werden? Um nicht falsch verstanden zu werden: Viele Menschen möchten sich um ihre Angehörigen kümmern, und das sollen sie dann auch.

Warum sollen Familienangehörige zu Pflegekräften mutieren?

Wer aber schon einmal mit Altenpflege zu tun hatte, weiß, dass das zu Hause nur so lange gut geht, wie es sich um einigermaßen leichte Pflege handelt: waschen, einkaufen, putzen, reden oder einfach nur da sein. Ist jemand bettlägerig, braucht es Profis, die wissen, wie man die Pflegeperson richtig hebt, sie dreht, einen Dekubitus vermeidet, wie man im Bett am leichtesten die Windeln wechselt. Intensivpflege zu Hause ist ein 24-Stunden-Job, diejenigen, die das machen, sind spätestens nach einem Jahr selbst ein Pflegefall.

Und machen wir uns nichts vor: Die Pflege bleibt am Ende an den Frauen hängen. Das war schon immer so, und das dürfte sich mit Priens Vorschlag nicht ändern. Lagert man die Pflege ins Private aus, tut man Familien damit keinen Gefallen – Lohnersatzleistung hin oder her. Die Idee folgt jener konservativen Leitlinie, vor allem Frauen die Care-Arbeit zu überlassen – und sie so am Ende auch vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.

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In Deutschland fehlen dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge mehr als 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte, in zwei Jahren könnten es über 700.000 sein. Das auch, weil fast die Hälfte der berufstätigen Frauen in Teilzeitjobs hängt – unter anderem wegen der Care-Arbeit. Dem Land – und auch den Frauen, Stichwort finanzielle Unabhängigkeit und Rente – wäre geholfen, wenn die Kompetenzen von Frauen nicht zu Hause als Pflegekraft ausgebeutet würden, sondern sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung ständen. Gern auch als examinierte Pflegekräfte mit geregelter Arbeitszeit, Feierabend, Urlaub.

Prien könnte durchaus punkten, wenn sie eine Idee unterstützen würde, die weder neu noch ­unausführbar ist: ein Pflegegeld, mit dem sich Familien professionelle Pflege kaufen könnten – und das, ohne aus dem Beruf aussteigen zu müssen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • 1) "... wenn die Kompetenzen von Frauen nicht zu Hause als Pflegekraft ausgebeutet würden, sondern sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung ständen.": Wo sie selbstverständlich nicht ausgebeutet würden.

    2) "... ein Pflegegeld, mit dem sich Familien professionelle Pflege kaufen könnten": Das dafür erforderliche Pflegepersonal steht ja Schlange, bei uns klingeln jede Woche ein paar an der Haustür, auf der Suche nach Arbeit.

    Um nur zwei Punkte herauszugreifen. Wie kommt man eigentlich auf derart Weltfremdes?

  • Frauen an den Herd passt doch zur merzschen Ideologie.

  • Ist ja irgendwie quatsch und scheint mir irgendwie ideologisch motiviert, der Beitrag. Über 80% der Pflege findet zuhause statt, natürlich häufig mit Unterstützung durch Pflegedienste. Aber bis zur 24h Pflegebedürftigkeit ist es ein weiter Weg. Bis dahin bleibt selbstverständlich die Hauptarbeit an den Angehörigen, ja, meist Frauen, hängen. Diesen aber aus vermeintlich feministisch-progressiven Gründen zusätzliche finanzielle Unterstützung zu verwehren, ist irgendwie ein Schuss ins Knie.

  • Ihr letzter Gedanke zum Pflegegeld, mit dem Familien sich professionelle Pflege kaufen könnten, löst doch das Problem überhaupt nicht, dass es zu wenige ausgebildete Pflegekräfte gibt auf dem Markt.



    Die bekommen dann diejenigen, die am besten zahlen.

  • Die oft und von vielen Seiten gelobte Frau Prien haut mittlerweile im Tagesrhythmus irgendwelche Empfehlung, Forderungen oder einfach nur Ideen raus (Handyverbot an Grundschulen, Genderverbot an Schulen...) ... diese Frau ist überaus überbewertet und steht dem ganzen Mackertum in Ihrer inzwischen äußerst rechtslastigen Parteiengemeinschaft im Ausstoßen von symbolpolitischer Heißluft in nichts nach... ungut!

  • Ist das nicht ein Verschiebeproblem?



    Weil insgesamt in so großem Umfang Arbeitskräfte fehlen , fehlen immer irgendwo welche.



    Gibt es Daten dazu, wie viele Menschen sich vorstellen können und möchten, in der Pflege zu arbeiten?

  • "Und machen wir uns nichts vor: Die Pflege bleibt am Ende an den Frauen hängen."

    Und anscheinend sollen auch die 37 Prozent der männlichen Pflegenden (DIW) vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden.

    Überhaupt wird ein Großteil zu Hause gepflegt /betreut und es hat auch etwas mit dem Respekt gegenüber dem Wunsch der Eltern zu tun. Natürlich spart der Staat und wir alle viel Geld, wenn Angehörige das übernehmen. Weshalb ich es gut finde wenn es eine Unterstützung gibt, man aus dem einen Bereich etwas zurücktreten kann, um vielleicht auch etwas mehr Zeit für sich zu haben.

    Ich hab ein Jahr mein Onkel gepflegt. Es war eine schöne Zeit aber auch mental super anstrengend. Geärgert hat es mich schon ein wenig, wie kompliziert alles war und ich alles von meinem Geld finanziert habe. (ich hab einfach Kapituliert bei Behörden) Ich hätte mich über eine Unterstützung gefreut, so war das nämlich emotional und finanziell beides sehr anspruchsvoll. Normal ist es nicht von Belang aber ich bin männlich und es hat mich von einem Job abgehalten ;)

  • Der Artikel geht, wie so oft, von einer falschen Grundannahme aus.



    Man bekommt immer den Eindruck, dass Frauen alle arbeiten wollen aber durch strukturelle Problem davon abgehalten werden und so gezwungen sind eine "traditionelle" Rolle einzunehmen.



    Dabei gibt es in der Realität ein nicht kleine Gruppe die genau das gerne macht. Die bewusst nur ein paar Stunden die Woche arbeitet. In linken Akademikerhaushalten mag man das wenig bis gar nicht antreffen. Die Gesellschaft besteht aber nun mal nich nur aus diesem Millieu.