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Familien mit mehr als zwei ElternAlles andere als kompliziert

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Statt lesbische Mütter gleichzustellen, wird ihnen eine Beratung aufgedrückt. Besser wäre es, endlich Mehrelternschaft anzuerkennen.

Zwei Frauen. Eine ist nach deutschen Recht die Mutter, die andere nicht Foto: Janet Kimber/plainpicture

E s wäre ein familienpolitischer Rückschritt sondergleichen: Lesbischen Paaren soll ab 1. Oktober eine Zwangsberatung vorgeschrieben werden, wenn sie beide rechtlich die Mütter ihrer in der Ehe oder Lebenspartnerschaft geborenen Kinder sein wollen. So hat das der Bundestag Ende Mai im sogenannten Adoptionshilfegesetz beschlossen. Durchgedrückt hat diese Familienverhinderungspolitik die CDU/CSU, die sich gern als Familienpartei geriert.

Zwar hat der Bundesrat, in dem die Große Koalition anders als im Bundestag keine Mehrheit hat, die Reform Anfang Juli erst mal gestoppt. Doch vom Tisch ist der Unsinn noch lange nicht. Familienminsiterin Franziska Giffey (SPD) hat bereits einen neurn Anlauf angekündigt.

Dabei werden homosexuellen Paaren schon jetzt unnötige Hürden in den Weg gelegt. Zwar wurden sie 2017 durch die Ehe für alle mit Heterosexuellen gleichgestellt. Anders als diese werden sie dennoch nicht automatisch beide als Eltern registriert, wenn eine von ihnen ein Kind bekommt. Dafür ist immer noch eine langwierige Stiefkindadoption notwendig. Sie muss vor Gericht durchgefochten werden. Ohne Zustimmung des Jugendamts geht gar nichts.

Und jetzt soll auch noch die Zwangsberatung durch eine Adoptionsvermittlungstelle obendrauf kommen. Als ob hier noch irgendwer irgendwem vermittelt werden müsste.

Gereon Asmuth

Der Autor ist Leiter des taz-Ressorts Regie, das für die zentrale Themenplanung zuständig ist. Er hat drei Kinder, eins davon sozial, zwei auch biologisch. Zudem hat ein befreundetes lesbisches Paar dank seiner Hilfe zwei Kinder.

Familienministerin Giffey hatte im Bundesrat mit dem irren Argument um Zustimmung gebeten, dass die Adoption bei lesbischen Paaren künftig wegfallen soll. Dafür hatte tatsächlich schon vor über einem Jahr die damalige Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen Gesetzentwurf zur Diskussion gestellt, laut dem künftig bei lesbischen Ehepaaren automatisch beide Mütter werden. Eine super Sache. Doch der Entwurf steckt nicht nur wegen der Widerstände aus der Union fest. Er zeigt auch, wie schwer sich selbst fortschrittlich Denkende tun, wenn es um die Akzeptanz von Regenbogenfamilien geht.

Das unantastbare Zwei-Eltern-Prinzip

Das Problem zeigt sich in einem zentralen Satz aus dem Justizministerium: Am sogenannten Zwei-Eltern-Prinzip, heißt es dort, solle festgehalten werden. Zwar wird zur Kenntnis genommen, dass durch Samen- oder Eizellenspende oder gar durch die in Deutschland verbotene Leihmutterschaft offensichtlich mindestens eine dritte Person an der Werdung des Kindes beteiligt war. Eine rechtliche Beteiligung von Dritten an der Elternschaft aber wird definitiv ausgeschlossen. Einzige Begründung dafür: Solche Konstellationen würden zu kompliziert.

Nur wem wird es hier eigentlich zu kompliziert? Den Beteiligten, die sich ja in der Regel deutlich bewusster für dieses komplexe Familiengebilde entscheiden müssen, als es bei Heteros je nötig ist? Oder doch nur den konservativen FamilienpolitikerInnen, denen der Vorstellungswille fehlt?

Das Festhalten am Zwei-Eltern-Prinzip führt zu unübersehbaren Widersprüchen. Während bei Lesben dank der Liberalisierung der biologische Vater ohne Weiteres aus der Verantwortung gekickt werden könnte, bliebe gleichberechtigte Vaterschaft bei Schwulen weiterhin ausgeschlossen. Denn die Gebärende soll ohne Wenn und Aber auch rechtlich Mutter bleiben. Für zwei gleichgestellte Väter bleibt somit gar kein Platz.

Verzichtbarer Vater, heilige Mutter

Es ist geradezu erschütternd, wie die konservativen Gesellschaftsbilder vom abwesenden, ja offenbar gar verzichtbaren Vater hier und der heiligen, unabdingbaren Mutter dort in modernem Familienrecht zementiert werden sollen.

Dabei gibt es längst unzählige Familien mit zwei, drei, vielen Eltern. Doch der Staat stellt sich ihnen mit seiner Regelungswut in den Weg, anstatt die gelebten Realitäten anzuerkennen – und Mehr-Eltern-Familien zuzulassen.

Aber würde andererseits eine solche Öffnung nicht die Rechte lesbischer Paare wieder schmälern, weil sie den Vater beteiligen müssten? Müsste der Staat sich nicht noch mehr einmischen, weil er in jedem Einzelfall über das Recht auf Mitelternschaft entscheiden müsste? Und überhaupt: Würde es nicht tatsächlich alles sehr kompliziert?

Nein, nein und nein. Im Gegenteil könnte alles sehr einfach sein – wenn man die Definition der jeweiligen Familie genau denen überließe, die daran beteiligt sind. Die wissen selbst am besten Bescheid, wie sie es gern hätten.

Bei heterosexuellen Paaren ist das längst gängige Praxis. Sie definieren sich entweder durch Heirat als Familie und damit auch als Eltern der später geborenen Kinder. Oder sie erklären sich selbst zu rechtlichen Eltern durch die Vaterschaftsanerkennung beim Jugendamt. In beiden Fällen reichen ein „Ja, ich will“ – und eine Unterschrift. Die biologische Verwandtschaft mit dem Kind hingegen spielt keine Rolle. Sie wird weder abgefragt noch nachgeprüft. Zum Glück.

Eine überfällige Gleichstellung

Übertragen auf homosexuelle Paare hieße das: Wenn zwei miteinander verheiratete Menschen ein Kind bekommen, sind beide rechtliche Eltern. Punkt. Und wenn noch ein Dritter – oder eine Vierte, wie es bei der Koelternschaft von lesbischen und schwulen Paaren nicht unüblich ist – hinzukommen will, dann erklärt man die erweiterte Elternschaft vor dem Jugendamt. Fertig. Das wäre die überfällige Gleichstellung sämtlicher Familienformen.

Was das in der Praxis bedeutet? Welche Rolle die rechtlichen Väter und Mütter für die Kinder genau spielen? Wer wann für wen da ist? Das müssen die Eltern selbst herausfinden. Ganz so, wie heterosexuelle Eltern auch. Staatlicher Regelungsbedarf darüber hinaus ist nur in einem Punkt vorstellbar: bei der Ermöglichung einer abgestuften oder stellvertretenden Elternschaft.

Von dem sogenannten „kleinen Sorgerecht“, wie es jüngst wieder die Grünen forderten, würden nicht nur Regenbogen-, sondern auch die Patchworkfamilien profitieren, etwa wenn Beteiligte die Möglichkeit bekämen, im Notfall als Elternteil nachzurücken. Weil es dann tatsächlich etwas zu entscheiden gäbe, könnte sogar ein Beratungsprogramm Sinn ergeben. Aber natürlich als Angebot und nicht als Zwang, wie es jetzt für lesbische Mütter geplant ist.

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32 Kommentare

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  • Die Sichtweise, dass "offensichtlich mindestens eine dritte Person an der Werdung des Kindes beteiligt war" ist im Fall von homosexuellen Paaren faktisch falsch. Nur einer der beiden Partner ist an der Werdung des Kindes beteiligt und es kommt eine ZWEITE Person von aussen hinzu, weil sie als zweites Elternteil faktisch notwendig ist. Diese biologischen Tatsachen einfach zu ignorieren hilft doch nicht weiter und entlarvt die rein ideologische Argumentation, die hier geführt wird. Die Regelung der vielen möglichen Konstellationen in rechtssichere, verfassungsgemässe Gesetze, welche die Interessen wirklich aller Beteiligten wahrt, ist alles andere als einfach. Elternschaft betrifft Sorgerecht, Erbrecht, Steuerrecht usw. Wenn es dumm läuft muss ein Kind später für drei greise Eltern Unterhalt zur Pflege zahlen. Man muss die Sache schon zu Ende denken. Manche Konsequenzen werden erst nach Jahrzehnten relevant!

    • @Winnetaz:

      "ist alles andere als einfach"

      Richtig. Und auch die Reduktion auf die biologische Abstammung hilft hier nicht weiter. Die Frage ist eine rechtliche, insofern müssen geltende Definitionen von Elternschaft einbezogen werden, in denen die biologische Abstammung ein Aspekt ist, aber eben nicht der einzige. In den vergangenen juristischen und politische Diskussionen wurde dem Sachverhalt der biologischen Abstammung ausreichend Rechnung getragen (vgl. Link zum Verfassungsblog unten). Festzustellen, dass sich der Gesetzgeber trotz Koalitionsversprechen bisher gedrückt hat, das Recht der heutigen Realität von Familien anzupassen, ist nicht ideologisch, wohl aber parteiisch.

  • "Eine rechtliche Beteiligung von Dritten an der Elternschaft aber wird definitiv ausgeschlossen. Einzige Begründung dafür: Solche Konstellationen würden zu kompliziert."



    Die können nicht auf drei zählen?

  • Das wäre schon alles geklärt wenn Spahn n Kind wollte :-)

  • " Eine rechtliche Beteiligung von Dritten an der Elternschaft aber wird definitiv ausgeschlossen."

    Daran kann man durchaus festhalten. Nur eben anders. Wer nur rein technisch beteiligt ist (Samenspender ect.), kann niemals Elternteil sein.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Und da möchte ich Ihnen widersprechen.

      Auch Samenspender sind nach aktueller Gesetzeslage verpflichtet Unterhalt zu zahlen.

      BGH, 23.09.2015 - XII ZR 99/14

      www.faz.net/aktuel...hlen-13819388.html

      Kinder haben auch einen gesetzlichen Anspruch ihre biologische Mutter oder Vater kennen zu lernen.

      www.spiegel.de/pan...ers-a-1015399.html

      • @Sven Günther:

        Wer lesen kann, ist klar im Vorteil: Zur Zahlung wurde nicht der Samenspender verurteilt, sondern der (ehemalige) Partner der Mutter, der sich mit der Samenspende des Dritten einverstanden erklärt und vertraglich gegenüber der Mutter verpflichtet hat, die Vaterstellung einzunehmen.

        • @thoott:

          Gut bei so Aussagen, "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil:" ist natürlich, wenn man damit auch richtig liegt, ansonsten kommt das immer unglücklich rüber.

          Was hab ich geschrieben, "Auch Samenspender sind nach aktueller Gesetzeslage verpflichtet Unterhalt zu zahlen." Das Urteil erweitert die Gesetzeslage, ist sie aber nicht.

          Das ist § 1601 BGB.



          Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

          www.gesetze-im-int...de/bgb/__1601.html

          Und hier der Artikel den ich, bevor ich kommentiert habe, gelesen habe, wie es denn aktuell aussieht, da ich es nicht wusste.

          "Das Spenderkind kann in diesem Fall den Samenspender auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch nehmen, soweit es diesen ausfindig macht.

          Zum finanziellen Schutz des Samenspenders ist es gängige Praxis in den meisten Samenbanken, von den „Wunscheltern“ eine Freistellung von möglichen Kindesunterhaltsansprüchen zu Gunsten des Samenspenders zu verlangen. Sollte das Kind den Samenspender auf Unterhaltszahlung in Anspruch nehmen, müssten die „Wunscheltern“ diese Zahlungen erstatten.

          Für den Samenspender besteht selbstverständlich ein gewisses Restrisiko, sollten die „Wunscheltern“ mittellos sein."

          meyerhuber.info/sa...unterhaltspflicht/

      • @Sven Günther:

        Die Gesetzeslage ist mir bekannt.

        Gerade das BGH Urteil hat mich in meiner Auffassung bestätigt, dass es Richtern verboten sein sollte, im Dienst zu kiffen.

        Der Sinn von Samenbanken war den Richtern offensichtlich nicht klar. Satt dessen folgen sie einer altertümlichen Blutlinienideologie.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "altertümlichen Blutlinienideologie"

          Das mögen wir beide so sehen, aber wenn ich mir anschaue, das inzwischen auch mit DNA Tests, digitaler Hilfe, vergilbten Stammbüchern bei den Großeltern auf dem Dachboden und was sonst noch so möglich ist, Ahnenforschung von nicht wenigen Leuten betrieben wird, meine Tante macht das seit Jahren, da sind ganze Urlaube für draufgegangen und meine Cousinen und mein Onkel sind absolut genervt, dann ist das für einige Menschen anscheinend wichtig.

          • @Sven Günther:

            Ja. Verstaubtes Denken hat sogar Konjunktur. Leider.

    • Gereon Asmuth , Autor des Artikels, Ressortleiter taz-Regie
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Warum nicht?

      • @Gereon Asmuth:

        Weil der Samenspender nur ein paar Tropfen irgendwo abgibt. Zum Eltern sein, gehört wesentlich mehr.

        Eltern sind diejenigen, die sich tatsächlich um ein Kind kümmern. Die genetische Abstammung ist dagegen völlig nebensächlich.

        Wann sind wir endlich so weit, altes Blutdenken über Bord zu werfen?

        • Gereon Asmuth , Autor des Artikels, Ressortleiter taz-Regie
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Wenn es genau so ist, dann ist ja auch alles gut (außer dass es weiter kein automatisches Elternrecht für homosexuelle Paare gibt). Wenn aber der Samenspender eine aktive Rolle spielen willund darf, was spricht dann dagegen? Was sprichet, wenn zB. ein lesbisches und ein schwules Paar gemeinsame Kinder in die Welt setzen und gemeinsam Verantwotung übernehmen, dass sie dann auch gemeinsame Elternrecht haben? (Und dann noch angemerkt: gibt nicht jeder biologische Vater erstmal "nur" ein paar Tropfen irgendwo ab? Kommt es nicht in jeder Konstellation drauf an, dass Elternschaft viel mehr bedeutet?)

          • @Gereon Asmuth:

            Denkt bei all dem gemeinsamen Besitzdenken auch jemand daran, dass es Kinder schon mit 2 Eltern nicht immer leicht haben? Und ist in diesen Konstellationen auch bedacht, dass die Eintracht nicht ewig währen muss und dann 4 Erwachsene am Kind zerren?

            Sollte ich mal mit meiner Partnerin ein Kind haben, wäre es jedenfalls völlig undenkbar, dass der Samenspender irgend eine Rolle spielt.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Der Samenspender spielt eine Rolle, ob Sie es wollen oder nicht. Kinder haben sogar ein Recht darauf, zu wissen, wer der Vater ist. Und die meisten Fragen danach, wo sie biologisch herkommen, sobald sie alt genug sind, darüber nachzudenken. Diese Fragen werden sie nicht einfach ignorieren können.

              • @Winnetaz:

                " Kinder haben sogar ein Recht darauf, zu wissen, wer der Vater ist."

                Warum eigentlich?

                Tatsächlich ist der gesellschaftliche Druck immer noch groß, die eigene Blutlinie zu kennen. Sobald z.B. im TV ein Kind erfährt, dass es nicht bei seinen biologischen Eltern lebt, begibt es ich wie unter Zwang auf die Suche. Ein Kind, dass diese Bedürfnis nicht spürt, muss sich ja nicht "normal" vorkommen.

                "Diese Fragen werden sie nicht einfach ignorieren können."

                Kann man doch einfach beantworten. Samenspende. Spender anonym. Wo Problem?

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Sehen Sie Kinder als "Besitz"?

              Ich nicht.

              • @mats:

                Ich auch nicht.

                Wenn man allerdings so einige männliche Mitbürger hört, wie sie auf dem Recht an "ihrem" Kind bestehen, ohne dabei an das Wohl des Kindes zu denken, verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass es einfach um die Wahrung eines Besitzstandes geht.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Mag sein. Hier geht es aber um etwas anderes: Eine Rechtsunsicherheit für Kinder und Co-Mütter, die schlimmstenfalls (z.B. wenn der leiblichen Mutter vor der Adoption durch ihre Ehefrau etwas zustößt) dazu führen kann, dass das Kind durch das Jugendamt von seinen elterlichen Bezugspersonen getrennt wird, ohne dass es eine rechtliche Handhabe dagegen gäbe. Auch für Co-Väter geht es darum, dass sie vor allen öffentlichen Stellen (Schule, Arzt, Behörden) rechtelos dastehen - egal, wie die Vereinbarungen zwischen den Erwachsenen aussehen.

                  Man sollte nicht vergessen, dass die jetzige Regelung (§ 1592 Nr. 1 BGB) der automatischen Vaterschaft der Ehemänner eingeführt wurde, um die Rechte der Kinder zu stärken. Lesen Sie verfassungsblog.de...ub-mehr-vertraegt/

                  • @mats:

                    Dafür, dass Ehepartner durch einfache Erklärung ohne weitere Formalitäten die Kinder ihrer Partner adoptieren können, bin ich doch auch.

                    "Man sollte nicht vergessen, dass die jetzige Regelung (§ 1592 Nr. 1 BGB) der automatischen Vaterschaft der Ehemänner eingeführt wurde, um die Rechte der Kinder zu stärken."

                    Ich bezweifle, dass es 1896 um die Rechte der Kinder ging. Kinderrechte waren noch nicht erfunden. Es ging eher um die Bewahrung des Idealbildes der bürgerlichen Ehe. Nebenbei ist diese Reglung auch kontraproduktiv, wenn z.B. eine Frau nach einer Trennung aber vor erfolgter Scheidung von einem neuen Partner schwanger wird. Dann bekommt der alte Partner ein Kuckuckskind angehängt und der neue Partner ist vor dem Gesetz erst mal ein Fremder. Es ist mit einigem Aufwand verbunden, das gerade zu biegen.

                    Unterm Strich sind unsere Familiengesetze ziemlich schräg und wenig praxistauglich.

  • Die Elternschaft ist kein Verschiebebahnhof, bei dem Einzelne ohne Weiteres ausgetauscht werden können. Dem Artikel liebt eine gewisse Beliebigkeit zu Grunde. Dabei wir übersehen, dass die Elternschaft eine biologische und soziale Zuordnung ist, welche gerade nicht beliebig sein sollte.

    Wen die Zweielternschaft aufgelöst werden sollte, wo soll das enden? Was passiert, wenn vier Eltern ein Kind von der Kita abholen wollen? Wer ist unterhaltspflichtig? Wird ein Kind Halbweise wenn ein Elter stirbt und zwei verbleiben oder müssen in diesem Fall zwei Eltern sterben, damit die Rentenkasse zahlt? Wem stehen die Kinderfreibeträge zu? Wie werden zukünftig Sorgerechtsstreitigkeiten ausgetragen? All das soll nicht kompliziert sein?

    Dann doch lieber die althergebrachten Adoptionen.

    • @DiMa:

      Durch die bisherige Adoptionslösung entsteht eine rechtliche Absicherungslücke für das Kind. Nicht alles, was für die Gesellschaft einfacher ist, ist auch besser. Die Realität ist so komplex, wie sie eben ist.

      • @mats:

        Sollte es eine solche Absicherungslücke geben, könnte ohne weitere nachjustiert werden. Es spricht beispielsweise auch nichts dagegen, eine Adoption zeitlich vor die Geburt zu legen, wenn und soweit alle Beteiligten damit einverstanden sind.

        Die Notwendigkeit einer weitergehenden Änderung ist nicht ersichtlich.

        • @DiMa:

          Die Adoptionen nehmen aber anderen Erwachsenen (z.B. den biologischen Vätern, die neben Mutter und Co-Mutter eine Rolle als Co-Vater übernehmen wollen) die Rechte. Wie gesagt, es ist so komplex, wie es ist, und die Notwendigkeit, das in ein überkommenes Schema zu quetschen, nur damit alte Ordnungen nicht angefasst werden müssen, ist nicht ersichtlich.

          • @mats:

            Angesichts der Tatsache, dass das elterliche Rollenbild noch immer auf ein Zweipersonenverhältis abstellt, ist das auch nicht zu beanstanden. Diese Tatsache würde ich auch nicht als "überkommenes Schema" oder "alte Ordnung" bezeichnen.

            Wo sollte sonst die Grenze sein? Wenn es keine Grenzen mehr geben sollte, lasse ich mich von allen meinen Gönnern adoptieren und mache dann so bei Schenkungen mehrfach den Freibetrag von EUR 400.000 anstatt lediglich EUR 20.000 geltend. Gleichzeitig profitieren ich von der besseren Steuerklasse (Eingangssteuersatz 7 % statt 30 %).

            • @DiMa:

              Sie verdrehen "der Komplexität gerecht werden" zu "es soll keine Grenzen mehr geben" - letztlich eine Variation des altgedienten Dammbruch-Arguments (und die Konservativen wissen, das geht immer ... weiß auch AKK).



              Hier geht es darum, dass drei oder vier Erwachsenen bewusst entscheiden, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Sonst nix.

              • @mats:

                Auch heute übernehmen in vielen Familien oftmals mehr als nur zwei Erwachsene Verantwortung. Die Grosseltern sind beispielsweise ein wichtiger Baustein in der Erziehung.

                Dafür braucht es noch nicht einmal eine Adoption. Entsprechende privatschriftliche Vollmachten der Erziehungsberchtigten reichen dafür vollkommen aus. Das Ganze kann als Patenschaft ausgestaltet werden.

                In der ganzen Diskussion fehlt es bisher an einem einzigen Beispiel, weshalb mehr als zwei Erziehungsberechtigte notwendig sein sollten.

                Übrigens, das Beispiel der Patenschaft ist nicht aus der Luft gegriffen. Auch heute wird die Erwachsenenadoption bereits vorgenommen um hierdurch Steuern zu sparen.

                • @DiMa:

                  Es ist immer schön, wenn Menschen vernünftige Vereinbarungen treffen und diese im Alltag verlässlich leben. Im unguten Fall, wenn z.B. Sorgeberechtigten etwas zustößt, werden Jugendämter neben dem Willen der Kinder auf frühere Willensbekundungen der Sorgeberechtigten und weiterer Erwachsener berücksichtigen. Rechtsansprüche von Paten oder bevollmächtigten Dritten aber gibt es keine, weder ggü. Schulen, noch Ärzten oder Behörden. Gerichtlich wirksame Sorgerechtsvollmachten können sich ausschließlich die Sorgeberechtigten ausstellen (z.B. im Fall einer Trennung). Und genau das ist der Punkt: Es geht um Rechtssicherheit für Kinder und Erwachsene - und zwar *vor* der Geburt eines Kindes. Das Beispiel habe ich bereits genannt: Vom Samenspender und (nach Übereinkunft aller) Co-Vater, der zugunsten des Ehemanns oder der Ehefrau der Mutter auf die Vaterschaft verzichtet, wird nach geltendem Recht angenommen, dass er "sich bewusst gegen die Vaterschaft entscheidet", so dass er nicht einmal Umgangsrecht erhält. Das entspricht aber nicht dem tatsächlichen Sachverhalt. Tatsächlich stimmt er der Adoption nur zu, weil ihm der Gesetzgeber keine andere Wahl lässt, wenn das Kind bei den Eheleuten seinen Lebensschwerpunkt haben soll.

                  Darüber hinaus ist das deutsche Abstammungsrecht hinsichtlich der neuen (und auch der nicht mehr so neuen) Möglichkeiten der Fertilitätsmedizin voller Lücken. Ich sehe oder höre im Moment keinen Juristen, der dagegen widerspräche, dass das Abstammungsrecht und insbesondere das Verhältnis von genetischer, biologischer und sozialer Elternschaft neu geregelt werden muss. Wenn Sie sich mal etwas Zeit nehmen, finden sie hier jede Menge Beispielkonstellationen: www.bmjv.de/Shared...ublicationFile&v=4

                  • @mats:

                    Und genau diese Änderungen könnten durch eine Änderung des Adoptionsrechts weitgehend erreicht werden, ohne dass es einer Aufbrechung des bisher mehrheitlichen Elternbildes bedarf.

                    Es spricht beispielsweise nichts dagegen, eine Adoption bereits vor der Samenspende bzw. vor der Geburt durchzuführen. Auch das "Erbe" der Sorgeberechtigung für den Fall des Todes könnte ohne weiteres geregelt werden.

                    Im weiteren sprechen sich selbst die Experten in der von Ihnen zitierten Publikation für eine Beibehaltung der Zwei-Elternschaft und gegen die Einführung einer multiplen Elternschaft mit großer Mehrheit aus, weil diese erhebliche Probleme sehen (siehe unter Teil 3 E). Allein hierum geht es in dem Artikel unter welchem wir diese Diskussion führen.

                    Ich hätte auch nichts gegen die Einräumung einer Sorgeberechtigung an eine dritte Person durch übereinstimmende Erklärung der rechtlichen Eltern unter der Bedingung, dass die rechtlichen Eltern hierdurch nicht ausgeschlossen werden und die rechtlichen Eltern die Sorgeberechtigung frei widerrufen können.

                    • @DiMa:

                      Abstammungsrecht ist das eine, Sorgerecht das andere. Wenn Sie die Begründung zur Abstimmung lesen, erfahren Sie, dass eine Ausweitung des elterlichen Vollrechtsstatus auf mehr als zwei Personen das Problem der sozialen Mehrelternschaft nicht lösen würde. Das heißt nicht, dass es nicht als Problem anerkannt wäre.

                      Ein solche Ausweitung des Vollrechtsstatus wird aber im Artikel gar nicht gefordert. Im letzten Absatz steht, um was es geht: um die rechtliche Absicherung weiterer Sorgeberechtigter mit weniger Rechten und Pflichten. Es geht um Umgangsrecht und beschränktes Entscheidungsrecht sowie darum, im Notfall als Elternteil nachrücken zu können.

                      Insofern argumentieren Sie hier gegen Windmühlen.

                      • @mats:

                        Sämtlichen Änderungsvorschlägen des Arbeitskreises Abstammungsreccht stimme ich ohne Einschränkungen zu.







                        In Übereinstimmung mit dem Arbeitskreis lehne ich eine multible Elternschaft ab.

                        Ich denke, lediglich die Befürworter einer multiblen Elternschaft käpfen derzeit gegen Windmühlen, da eine so weit gehende Änderung in absehbarer Zeit nicht kommen wird.