Faire Entlohnung für Textilarbeiter: 14 Cent pro T-Shirt lösen das Problem
Ein Projekt zu sozial verträglicher Kleidungsproduktion zeigt: Die Preise müssten kaum steigen, um Textilarbeiter ausreichend zu bezahlen.
Das haben die Textilfirma Continental Clothing, die Unternehmensberatung BSD und das Fair Fashion Network (Netzwerk für faire Mode) in einem Pilotprojekt ermittelt, bei dem sie zunächst 150.000 T-Shirts fertigen ließen. Sie wollen damit demonstrieren, dass sozialverträgliche Bekleidungsproduktion möglich ist, ohne in Europa die Preise wesentlich anzuheben. Denn 14 Cent Aufpreis fallen selbst bei Billig-T-Shirts für fünf Euro kaum ins Gewicht. „Existenzsichernde Löhne sind auch im Massenmarkt umsetzbar“, sagt Mark Starmanns, ein Gründer des Netzwerkes.
Augenblicklich ist das allerdings nur eine theoretische Berechnung. Denn derzeit wird erst ein kleiner Teil der Produktion in der Fabrik mit dem 14-Cent-Aufschlag vergütet. Weil das zusätzliche Geld auf das gesamte Personal umgelegt wird, erhalten die Beschäftigten nun einen höheren, aber noch keinen existenzsichernden Lohn. Dieser wäre mittels 14 Cent pro T-Shirt möglich, wenn die gesamt Jahresproduktion so bezahlt würde.
Firmen, die so etwas ausprobieren, bilden allerdings nur eine kleine Minderheit. „Das ist noch immer eine Nische“, so Starmanns. Jedoch eine, die wächst. Die Ethical Fashion Show, eine Sonderveranstaltung über ethische Bekleidung der Messe Fashion Week in Berlin, fand vor fünf Jahren erstmals mit 36 Ausstellern statt. Beim diesjährigen Durchgang, der noch bis zum 1. Juli dauert, sind über 100 Firmen dabei.
Das Netzwerk der Firmen für faire Mode ruft seine Kunden auf, an die großen Modeketten zu schreiben mit der Forderung: Zahlt euren Beschäftigten existenzsichernde Löhne. Hier geht es zur Petition
Diese Kollektionen zeichnen sich durch höhere soziale, aber auch ökologische Qualität aus. So hat etwa die Firma Deepmellow ein Verfahren entwickelt, Leder mit Extrakten aus der Rhabarberwurzel zu gerben statt mit umweltbedenklichem Chrom.
Solche Geschäftsideen zeigen, was möglich ist. Sie sind Vorbilder für die traditionelle Modeindustrie, üben aber auch Druck auf die marktbeherrschenden Handelsketten aus. Denn die fairen Firmen jagen den alten Anbietern Kunden ab, wenngleich nur in beschränktem Umfang. Und die Platzhirsche reagieren. Das bemerkt Deepmellow-Geschäftsführerin Anne-Christin Bansleben zum Beispiel daran, dass sich mehr und mehr große Unternehmen nach dem Rhabarber-gegerbten Leder erkundigen. Sie müssen sich um die sozialen und ökologischen Bedingungen in der globalen Textilproduktion kümmern – das wissen die Konzerne seit Jahren. Praktische Fortschritte machen sie dennoch nur langsam.
Vor fast zwei Jahren gründete CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller das Bündnis für nachhaltige Textilien, an dem sich über 180 Firmen und Institutionen beteiligen. Bis Ende 2016 sollen alle Mitgliedsfirmen eigene Pläne dafür erarbeiten, wie sie die Bedingungen in ihren Zuliefererketten verbessern.
Die Debatte dreht sich darum, ob und wie die Pläne veröffentlicht werden. „Nur dann kann die Öffentlichkeit künftig beurteilen, ob die Unternehmen Fortschritte machen“, sagt Maik Pflaum von der Kampagne für Saubere Kleidung, die ebenfalls in dem Bündnis mitarbeitet. Einen Anfang hat das Bündnis geschafft, indem es den schrittweisen Verzicht auf gefährliche Chemikalien in der Kleidung beschloss.
Aufruf für bessere Löhne: Das Netzwerk der Firmen für faire Mode ruft seine Kunden auf, an die großen Modeketten zu schreiben mit der Forderung: Zahlt euren Beschäftigten existenzsichernde Löhne. Die Seite der Petition findet sich hier: www.getchanged.net/fairshare-kampagne
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