piwik no script img

Fahrverbote für DieselfahrzeugeStädte in Angst vor Diesel-Urteil

Das Bundesverwaltungsgericht könnte Fahrverboten den Weg ebnen. Kommunen wollen das vermeiden, die Folgen seien „gravierend“.

Die Düsseldorfer Hauptverkehrsader Corneliusstraße im Mittelpunkt der Debatte um Diesel-Verbote Foto: dpa

Berlin taz | Dürfen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in deutschen Städten verhängt werden? Darüber soll Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden. Zwar geht es zunächst nur um die Luftreinhaltepläne von Düsseldorf und Stuttgart, aber das Urteil könnte auch für andere Städte den Weg zu Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge ebnen. Die Stickoxid-Grenzwer­te werden nämlich derzeit in 70 Kommunen überschritten. Diesel aussperren will jedoch eigentlich keine Stadt. Die Pläne der Kommunen:

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) schätzt die Folgen eines Dieselfahrverbots als „gravierend“ ein. Auf seine Stadt sieht er eine „nahezu unlösbare Aufgabe“ zukommen. Pläne, wie das drohende Fahrverbot umgesetzt werden könnte, gibt es nicht. „Man mag sich nur den Schilderwald vorstellen, den ein Dieselfahrverbot nach sich ziehen würde“, teilte das Stadtoberhaupt mit. Für die am stärksten belasteten Strecken müssten Umleitungen ausgeschildert werden – „mit allerhand Ausnahmen für Feuerwehr, Polizei, Pflegedienste und vielleicht auch den einen oder anderen Handwerker“.

Die Sorge ist nicht unberechtigt: In München prognostizieren die Planer, dass es für über 20 Prozent der Fahrzeuge Ausnahmeregelungen geben muss. Der Stadt droht laut Verwaltung im Falle eines Fahrverbots die Montage von 130.000 Schildern. Kosten: 18 Millionen Euro.

Bundesregierung soll „Blaue Plakette“ einführen

„Es ist völlig unklar, wie ein Dieselfahrverbot durchgesetzt werden könnte“, sagt der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) zur taz. Die Papiere aller Fahrzeuge in der Innenstadt zu kontrollieren sei extrem aufwendig und kaum umsetzbar. Die Bundesregierung müsse endlich die „Blaue Plakette“ einführen, mit der Wagen mit der Abgasnorm Euro 6 gekennzeichnet werden. Das werde die Durchsetzung von Fahrverboten erleichtern. Auch wenn Kowol „durchaus Verständnis“ dafür hat, versucht die hessische Landeshauptstadt ein Fahrverbot abzuwenden. Unter anderem sollen dafür in den nächsten vier Jahren die 250 Dieselbusse im öffentlichen Nahverkehr durch ­E-Modelle ersetzt werden.

Köln plant ein Transitverbot für Lastwagen für die Innenstadt, um Fahrverbote zu umgehen. Auch ein Tempolimit für den Rhein-Schiffsverkehr wird geprüft.

Hamburg will besonders belastete Straßen für ältere Dieselfahrzeuge sperren. In den betroffenen Abschnitten werde es „gerade zum Beginn der Regelung vermehrt Schwerpunkt- und Stichprobenkontrollen geben“, sagt Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde.

Essen will zu drastischen Mitteln greifen. Dort denkt man über den Abriss von Häusern entlang der viel befahrenen Gladbecker Straße nach. Bei einer möglichen Neubebauung mit mehr Abstand zur Straße könne eine bessere Entlüftung sichergestellt werden, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling. (mit dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Zu dieser gesammten und aus meiner Sicht auch fehlgeleiteten Fahrverbotsdiskussion gebe ich einmal zum nachdenken mit:

    1. Trotz Dieselskandal hat der VW-Konzern seinen Gewinn verdoppelt. Tja - ohne Worte!

    2. 90% der PKW-Nutzungszeit ist reine Stehzeit. Man kann getrost vom Autoimmobil sprechen.

    3. PKW's werden in >70% der Fälle nur von einem Menschen genutzt. Unabhängig von der Größe.

    4. KfZ-Mobilität ist ein Individualitätsthema.

    5. Der ÖPNV ist in den meisten Großstädten in den Stoßzeiten -genau wie der PKW-/LKW-Verkehr- an seinen Leistungsgrenzen.

    Was will das sagen?

    Auf ÖPNV setzen heißt investieren und attraktiver werden. Das können Städte nicht bezahlen. Fahrverbote führen zu Ausweichhandlungen, z. B. Anschaffung eines Zweitwagens für Stadtfahrten. Ich würde gern auf langfristige Vernunft setzen: Bis einen km gehe ich zu Fuß. Bis 5/7 km fahre ich mit dem Rad. Wenn geht mit ÖPNV a) sowieso und b) außerhalb der Stoßzeiten. Dienstreisen ohnehin nur mit der Bahn (wenn sie fährt).

    Und bis dahin lache ich jeden Morgen über die SUV-Muttis, die ihre Kleinen und Großen (ja, die auch) praktisch bis in die Klassenräume kutschieren um danach auf dem Weg zum Wasweißich noch schnell die Biobrötchen zu kaufen.

  • Wie kommt es, dass die Autogegner und Umweltschützer nichts lernen? Die Abwrackprämie war das beste Konjunkturprogramm für die Autoindustrie, das Dieselfahrverbot wird es auch. Wieso schaut man immer auf die Technik, jetzt gerade eben auf Diesel? Vor ein paar Jahren war der Diesel noch das Heilversprechen, CO2 zu senken. Dumm, dass er NOX ausstößt. Warum macht man keine Fahrverbote in der Art, dass nur noch Autos, in denen mindestens 2 Personen sitzen, über eine Stadtgrenze fahren dürfen? Das fördert Fahrgemeinschaften und halbiert fast die Zahl der Autos in der Stadt. Und es ist leicht kontrollierbar. Bei Verboten bestimmter Diesel werden wir uns wieder auf dubiose Tests verlassen müssen, bei Fahrgemeinschaftsgeboten nur auf die Augen. Eine Enteignung fände so nicht statt. Genauso einfach wäre eine verursachungsgemäße Besteuerung von Autos: Wer viel verbraucht verschmutzt auch viel, also muss das Benzin bzw. der Diesel die gesamte Kfz-Steuer enthalten. Auch da bräuchte man keine gefälschten Abgastests.

  • Nur keine Panik! Es darf selbstverständlich weitergedieselt werden, bis zu einer natürlichen Lösung aller Beteiligten und Unbeteiligten.

    Ausser der Einführung einer Luftsteuer wird die GroKo da ohnehin nichts machen können, ohne massiv gegen ihre ureigenen Partei-Interessen zu handeln.

  • hundertausend verkehrsschilder sind einem bürgermeister zu viel aufwand, um krebserkrankungen zu vermeiden?

    wahnsinn.

    • @chn:

      Ach, der lässt bestimmt schon Zahlungen an die Krankenversicherungen anweisen, um den Atemwegserkrankten zu helfen. Und jetzt auch noch womöglich Schilder aufstellen? ;)

    • @chn:

      Seit wann helfen Verkehrsschilder auch gegen Krebs? Haben Sie da Erkenntnisse der dritten Art?

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @chn:

      Was die Waffe in Amerika ist, ist das Auto in Deutschland.

      Die Freiheit der Waffenbesitzer und der Autofahrer ist unantastbar.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Tja, passender Vergleich, finde ich.

         

        Das Auto ist hierzulande eine "tragende Säule" der Alltagskultur. Seit Jahrzehnten schon wird der ÖPNV zurückgefahren. Gleichzeitig wird allenthalben Mobilität gefordert von den Bürgern. Viele Leute legen jeden Tag lange Wege zurück zur Arbeit und wieder nach Hause. Busse und Bahnen aber fahren sehr viel seltener als noch vor 20 Jahren, als das ÖPNV-Angebot auch schon nicht gut genug war, das massenhafte Umsteigen ins Auto zu verhindern. Viele Leute haben auf dem Dorf gebaut, weil Grundstücke da billig waren und Wohneigentum angeblich glücklich macht. Die Autobauer und ihre Beschäftigten aber haben sich im Glanz des Titels „Exportweltmeister“ gesonnt, wie seinerzeit die Vorgesetzten Adolf Henneckes im Licht des Titels Aktivist der sozialistischen Arbeit... – ich könnte gut noch 2.000 Zeichen weitermachen.

         

        Das alles lässt sich nicht von heute auf morgen mit einem Gesetz korrigieren. Wäre der Umstieg einfach, wäre er längst vollzogen. Das Problem ist schließlich lange bekannt. Die Zuständigen in den Kommunen tagen seit mehr als einem Jahrzehnt regelmäßig zur Frage, was denn zu tun sei gegen die Autofixierung ihrer Landsleute. Sie geben sich wirklich alle Mühe, aber viel mehr als neue Tempo-30-Zonen ist bisher nicht herausgekommen in den „Elefantenrunden“.

         

        Klar, man kann sich hinstellen und sagen: „Erzählt mir nichts von Probleme. Es gibt keine Probleme, wenn man was wirklich will.“ Aber diese beiden Sätze haben noch nie funktioniert. Nicht, als es hieß: „Wir brauchen keine Kraftwerke, unser Strom kommt aus der Steckdose!“ und auch nicht, als es hieß: „Ochs' und Esel in seinem Lauf...“.

         

        Die Stärke westlicher Demokratien ist immer ihre Freiheit gewesen. Echte Freiheit macht die Menschen nämlich kreativ und sorgt dafür, dass es Lösungen gibt, die überzeugen. Sollte „der Westen“ etwa dabei sein, sein Erfolgsrezept unter einem Haufen übergroßer Egos zu begraben? Hat sich "der Westen" zutode gesiegt?

  • Nach 21 Jahren in Ost-Berlin und 44 Jahren in der Bundesrepublik habe ich manchmal den Eindruck, dass die Schuhmacherinnen und Schumacher unserer Demokratie uns viel zu große Schuhe vor die Tür gestellt haben.

     

    Es wird zwar hin und wieder von dieser oder jeder Person nach gemeinsamen Visionen und Utopien gerufen, dennoch ist es uns bis heute nicht gelungen eine einzige gemeinnützige Vision als Staatsziel festzuschreiben oder gar umzusetzen.

     

    Jegliche Vision auf dem Weg einer gemeinnützigen Demokratie versickert in den eigennützigen Anhaftungen an den Besitzstand unzähliger großer und kleiner Lobby Verbunde und Vereine.

     

    Der Mangel an der gemeinsamen Konzentrationsfähigkeit unserer Gedanken auf ein einziges Thema, wird von der eigenen Zerstreutheit der Kurzweil erfolgreich umgarnt.

     

    So verhält es sich zum Leidwesen unserer Kinder, unserer Tiere und unserer Natur auch mit Visionen in der Verkehrspolitik, die ohne wenn und aber der eigenen Erhaltung der Macht geopfert werden.

     

    Wir haben 620 000 Km Straßen, 13 000 Km Bundesautobahnen und nur 7 000 Km Wasserstraßen.

     

    Warum haben wir keine 200 000 Km Fahrradwege und keine 14 000 Km Wasserwege?

     

    Die Belgische Péniche das kleinste Binnenschiff ist 38,5 M lang und 5 M breit. Es transportiert 7 LKW oder 4 Güterwagon an Ladung und kann auf allen Europäischen Binnengewässern fahren.

     

    Was hält uns davon ab moderne Pénichen als Mehrzweckfahrzeuge in Serie ab 15 M länge als gemeinsames gemeinnütziges Gemeinschaftsprojekt zu bauen und genossenschaftlich zu nutzen.

     

    Mobiles urbanes leben, arbeiten und lernen auf den 42 000 Km Europäische Binnenwasserstraßen.

     

    Für kleine Manufakturen, Schulen, zur Erholung, für Handel und Transport, für Kunst, Kultur, Theater Kino, Vereine, für Hartz IV, Arme, Alte, Kranke, Verlierer der Globalisierung und andere Hilfebedürftige von Berlin über Amsterdam, durch Belgien weiter nach Südfrankreich durch die Provence, die Camargue, den Canal du Midi bis zum Atlantik und zurück, warum eigentlich nicht.

    • @Frank Mögling:

      klingt schön, aber auch ein Schiff fährt nicht mit Gänseblümchen, Segeln wird auf den Binnengewässern für große Schiffe nicht so einfach werden. Also wieder Diesel oder Schweröl. Kennen Sie den Verbrauch? Würde mich interessieren.

       

      Aber dem Kern Ihrer Aussage stimme ich voll zu, gemeinsam läuft wenig, die meisten wurschteln für sich & vor sich hin, und unsere - seltsamerweise doch immer wieder gewählten - Politiker sorgen sich vor allem um die Wirtschaft, jemand muß ja die Steuern für ihre Gehälter verdienen.

      Der Mensch ist schon ein seltsames Tier..

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Vorschlag von mir:

    Die Leute des Bundesverwaltungsgerichts erstmal 8 Wochen in die Türkei in Urlaub schicken. Während dieser Zeit das Bundesverwaltungsgericht mit anderen Leuten besetzen und einarbeiten.

    Dann ist der ganze sogenannte 'Dieselskandal' 'vom Tüsch', wie der berühmte Kanzleramtsminister Pofalla gesagt hätte. Und die Bundeskanzlerin könnte fröhlich und unbeschwert losregieren.

  • "Städte in Angst vor Dieselurteil"

     

    Falsch! Autokonzernfreundliche Politiker und Dieselfahrer in Angst vor Dieselurteil - so muss es richtig heißen!

     

    Die Menschen in den Städten, die unter den Abgasen leiden, haben sicher keine Angst vor dem Urteil - endlich Hoffnung für mehr saubere Luft!

  • "Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) schätzt die Folgen eines Dieselfahrverbots als „gravierend“ ein."

    Gravierend gut für die Gesundheit von Mensch und Tier, meint er hoffentlich doch, oder? Oder gravierende Kritik an der Politik, die nicht effektiv Maßnahmen gegen die Autoindustrie unternimmt? Oder übt er sich in Selbstkritik, nichts für die Förderung von Fahrrad und ÖPNV unternommen zu haben?

    "„Man mag sich nur den Schilderwald vorstellen, den ein Dieselfahrverbot nach sich ziehen würde“, teilte das Stadtoberhaupt mit."

    Ah, ne, doch nicht. Was geht ab in seinem Hirn?

  • Es ist unglaublich, wie sich die Kommunalverwaltungen winden. Bloß nichts für den Bürger tun!

     

    Alle Diesel unter Kategorie 6 verbieten, und gut ist, keine Schilder nötig!

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Städte in Angst vor Dieselurteil". Das die Luft, nicht nur in unseren Städten, krank macht? Egal. Das die Autoindustrie die Bürger belogen und betrogen hat? Egal. Das unsere Bundesregierung dies auch noch unterstützt? Egal.

    Hauptsache freie Fahrt, für freie Bürger.