Mehrheit gegen Fahrverbote: Kieler Luft bleibt dreckig

Im schleswig-holsteinischen Landtag sprechen sich alle Parteien außer den Grünen gegen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der Landeshauptstadt aus.

Achtspurige Stadtautobahn in Kiel: Die Schadstoffbelastung ist hier sehr hoch Foto: dpa

HAMBURG taz | Jamaika streitet über Fahrverbote in Kiel. In der Debatte des schleswig-holsteinischen Landtages über Beschränkungen für Dieselfahrzeuge in der Landeshauptstadt Kiel sprachen sich am Mittwoch einzig die Grünen für Fahrverbote aus, „wenn es keine anderen Varianten gibt“, so Fraktionschefin Eka von Kalben. Die Koalitionspartner CDU und FDP lehnen Einschränkungen für Autofahrer ebenso ab wie die oppositionellen SPD und SSW.

Die Linie vorgegeben hatte vorige Woche bereits Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit der Aussage, Dieselfahrverbote werde es „garantiert“ nicht geben. Auch FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz ist gegen Fahrteinschränkungen, der grüne Umweltminister Robert Habeck hingegen sieht keinen anderen Weg.

Die Landesregierung befinde sich in einem durch höchstrichterliche Urteile „eng normierten Rechtsbereich, an den wir uns halten müssen“, dozierte er im Landtag und stellte auch klar, wer der Schuldige ist: „Wir hätten das Problem nicht, wenn die Automobilindustrie nicht betrogen hätte.“

Kiel ist eine der am stärksten mit Luftschadstoffen belasteten Städte Deutschlands. Vor allem die täglich knapp 100.000 Fahrzeuge auf der Stadtautobahn Theodor-Heuß-Ring, darunter gut 20 Prozent Dieselfahrzeuge, werden dafür verantwortlich gemacht. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht Ende Februar Fahrverbote ausdrücklich für zulässig erklärt hatte und Hamburg als erste deutsche Stadt diese Maßnahme Ende Mai auf zwei Hauptverkehrsstraßen verhängte, ist die Debatte auch in Kiel hitziger geworden.

Die beiden Fraktionschefs Tobias Koch (CDU) und Christopher Vogt (FDP) sehen vor allem die Stadt Kiel und deren Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) gefordert. „Es droht ein Versagen der Stadt Kiel und des Oberbürgermeisters“, sagte Vogt. Die zu hohen Stickoxid-Emissionen seien seit Jahren bekannt. Dennoch lehnt er „Fahrverbote generell ab.“ Für CDU-Fraktionschef Koch ist entscheidend, welche Vorschläge nun aus Kiel kommen. „Denn keiner in der Koalition will ein Fahrverbot“, behauptete er. Seine grüne Amtskollegin von Kalben widersprach: “Wir hätten schon früher aktiv werden müssen“, räumte sie selbstkritisch ein: „Wenn Politik ernst genommen werden will, muss sie vor den Gerichten handeln.“

Kämpfer hingegen mokierte sich über Kritik „fachlich unbeleckter Politiker“. Die Fraktionschefs versuchten davon abzulenken, dass „die Jamaika-Koalition in der Frage eines Fahrverbots tief zerstritten ist“, sagte Kämpfer. Der Oberbürgermeister, bis 2014 unter Habeck selbst Staatssekretär im Umweltministerium, sieht vor allem das Land in der Verantwortung. „Die Zuständigkeit für den Luftreinhalteplan liegt nicht bei den Kommunen.“ Die Politik habe sich zu sehr darauf verlassen, dass sich das Problem durch einen Ersatz alter Autos durch neuere von selbst erledigt, findet er.

Sein Ex-Chef Habeck hatte am 28. Mai den Entwurf eines Luftreinhalteplans vorgelegt, der Durchfahrverbote auf dem Theodor-Heuß-Ring nur für Diesel-Autos unter Euro 6 in Fahrtrichtung Norden vorsieht. „Das ist das schwächste Fahrverbot, das denkbar ist“, zusammen mit einer Immissionsschutzwand reiche es aber gerade so aus, um die Grenzwerte künftig einzuhalten. „Wir sind verpflichtet, schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte Habeck am Mittwoch. Das Warten auf einen verbesserten Nahverkehr, mehr Radwege und Grünanlagen reiche nicht aus.

Eka von Kalben, Grüne

„Wenn Politik ernst genommen werden will, muss sie vor den Gerichten handeln“

Im Laufe des Sommers werden Stellungnahmen der Stadt Kiel sowie ein Verkehrsgutachten erwartet, danach wird der Luftreinhalteplan öffentlich, auch mit Anwohnern, Umweltverbänden und Verkehrsinitiativen, debattiert.

Erst danach ist die offizielle Festlegung von Streckensperrungen für Dieselfahrzeuge möglich.

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