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Fährbetreiber klagen erfolgreichDer Dänentunnel geht unter

Das Finanzmodell der Fehmarnbelt-Querung verstößt gegen EU-Wettbewerbsrecht. Zuschüsse und Staatsgarantien müssen neu geprüft werden – Zeitplan in Trümmern.

Darf noch lange über den Fehmarnbelt pendeln: umweltfreundliche Hybridfähre von Scandlines Foto: dpa

HAMBURG taz | Der von Dänemark geplante Tunnel im Fehmarnbelt steht vor dem Aus. Das ist die Konsequenz aus einem Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) in Luxemburg von Donnerstag. Die Richter erklärten einen möglichen Zuschuss der Europäischen Union in Höhe von 1,4 Milliarden Euro und das dänische Modell der Staatsgarantien für den Tunnelbau für rechtswidrig.

Damit steht das Finanzierungsmodell für das mindestens 7,4 Milliarden Euro teure Vorhaben vor dem Scheitern. „Das ist der Sargnagel für das Projekt“, sagt Schleswig-Holsteins grüner Bundestagsabgeordneter Konstantin von Notz.

Das EuG gab Klagen der Fährreedereien Scandlines und Stena Line zum großen Teil Recht. Scandlines betreibt die Fähren auf der sogenannten Vogelfluglinie über den Fehmarnbelt, Stena fährt auf mehreren Routen zwischen Deutschland und Skandinavien. Beide Unternehmen sehen in dem EU-Zuschuss und den Garantien des dänischen Staats eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der staatlichen Realisierungsgesellschaft Femern A/S, die den Tunnel bauen soll.

„Es darf nicht nach Belieben die Staatskasse benutzt werden, um einen vom Steuerzahler finanzierten Preisdruck auf die Fähren auszuüben“, sagt Scandlines-Chef Søren Poulsgaard Jensen. „Wir sind mit der Entscheidung zufrieden.“

EU-Kommission hatte keine Einwände

Konkret hat das EuG einen Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2015 in einem wichtigen Punkt für nichtig erklärt. Die Kommission hatte erklärt, keine Einwände gegen die von Dänemark geplanten staatlichen Garantien für den staatseigenen Konzern Femern A/S zu erheben und die Tunnelpläne als förderungswürdig einzustufen. Verantwortlich für diese Einschätzung war die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager von der liberalen Venstre-Partei, der auch der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen angehört.

Quer durch den Belt

Kernstück der Fehmarnbelt-Querung (FBQ) ist ein Straßen- und Schienentunnel zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn.

Für den Tunnel sollen 89 an Land vorgefertigte Elemente in einem Meeresgraben versenkt werden. Er soll rund 18 Kilometer lang, 60 Meter breit und 30 Meter tief ausgebuddelt werden.

Die Kostenschätzung für den Tunnel stieg von 4,5 Milliarden Euro vor einigen Jahren auf aktuell 7,4 Milliarden Euro.

Einen EU-Zuschuss von 1,4 Milliarden Euro wollte Dänemark dafür haben. Die restlichen sechs Milliarden Euro sollten über günstige Kredite finanziert werden, für die der dänische Staat garantiert.

Diesen Zuschuss wird es jetzt nicht geben.

Nach Angaben des Luxemburger Gerichts seien die staatlichen Beihilfen ohne förmliches Prüfungsverfahren genehmigt worden. Dies aber sei unerlässlich. Die Kommission habe somit „einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen“, so das Gericht. Deshalb hob es die Zustimmung der Kommission für die Finanzierung des größten und teuersten Verkehrsprojekts in Nordeuropa auf. Das dänische Verkehrsministerium kündigte in einer Stellungnahme am Donnerstag an, die Konsequenzen „neu bewerten“ zu wollen.

Bauherr Femern A/S erklärte in einer ersten Stellungnahme, der Bau sei nicht gefährdet. „Das Urteil gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das Projekt gestoppt wird“, sagte Lars Friis Cornett, Direktor von Femern A/S in Deutschland. Der Fall liege jetzt erneut bei der EU-Kommission, die eine neue Entscheidung treffen müsse. „Femern A/S verfügt über die nötigen Finanzmittel, um auch während der erneuten Prüfung der Europäischen Kommission das Projekt weiter vorantreiben zu können“, sagte Cornett.

Das indes ist unrealistisch. Eine Geldspritze aus Brüssel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro wird es auf Jahre hinaus nicht geben. Die vom Gericht verfügte neue förmliche Beihilfeprüfung der EU-Kommission, die nach der Europawahl im nächsten Mai neu gebildet werden muss, dürfte anschließend mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen. Der Bewilligungszeitraum aber endet 2020. Eine erste Tranche von 589 Millionen Euro, die Femern A/S bis dahin hätte abrufen können, darf nun nicht ausgezahlt werden.

Fördergeld nur für Schienenprojekte

Das Geld dürfte nun an andere, rechtmäßig bewilligte europäische Verkehrsprojekte umverteilt werden. Den neuen EU-Verkehrsplan von 2021 bis 2028 muss das nächste EU-Parlament erarbeiten und beschließen – wie groß dieser Topf nach dem Brexit sein kann, ist jetzt noch offen. Unklar ist zudem, ob die Pläne von Femern A/S eine ordentliche Prüfung überstehen.

Denn nach den EU-Förderregeln dürfen nur Schienenprojekte unterstützt werden, keine Straßen. Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass der Autobahnanteil am Tunnel herausgerechnet werden muss – dann würde der eventuell förderungswürdige Anteil mindestens halbiert und die Finanzierungslücke umso größer.

Damit steht auch der Ausbau der Schienenstrecke zwischen Lübeck und Fehmarn samt einer neuen Brücke über den Fehmarnsund in den Sternen. Ohne Ostseetunnel ist dieses rund vier Milliarden Euro teure Projekt überflüssig.

Der Naturschutzbund NABU, der die Klage der Reedereien unterstützt hatte, begrüßte das Urteil als „gute Nachricht für den Meeresschutz“. Denn der Fehmarnbelt ist nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat geschützt und nach deutschem Recht ein Naturschutzgebiet. Jetzt könne dort, glaubt Nabu-Bundeschef Leif Miller, „ein ökologischer Totalschaden“ verhindert werden.

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2 Kommentare

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  • Der Tunnel ist völlig überflüssig. Die Schiffe bringen die Fracht und die Passagiere seit Jahr und Tag sicher über den Belt. Überdies sichert dies eine Menge Arbeitsplätze. Der Tunnel dagegen kostet enorm viel und das nur, damit skandinavischer Joghurt 45 Minuten schneller auf dem Kontinent ist.

  • Wenn dies zu einem Bahntunnel umgeplant wird, würde die neue Schienenanbindung umso wichtiger.

    Eine Reduzierung auf eine Autospur je Richtung wäre ebenfalls eine Möglichkeit der Kostenminderung. Die Breite des Bodenaushubs würde dadurch allerdings nicht so sehr viel schmaler werden. Aber das ist ja ein temporärer Eingriff.