FDP kritisiert Plan für Fleisch-Abgabe: Tierwohlcent wird unwahrscheinlich
Die FDP bemängelt den Vorschlag, mehr Tierschutz durch eine staatliche Abgabe auf Fleisch zu bezahlen. Die Regierungspartei setzt auf private Fonds.
„Schon heute bestehen landwirtschaftliche Einkommen teilweise zu mehr als der Hälfte aus staatlichen Zuschüssen. Wir wollen ja aber gerade mehr Unabhängigkeit erreichen“, begründete Konrad ihre Ablehnung. „Deshalb sind wir grundsätzlich darauf aus, dass die Marktteilnehmer selbst privatwirtschaftliche Lösungen finden. Das kann ein Vertragssystem sein, das kann ein Fonds sein, den es schon so ähnlich über die Initiative Tierwohl gibt.“
Über diese Firma bezahlen Lidl, Edeka und andere Handelskonzerne Landwirte dafür, dass sie ihre Schweine, Hähnchen und Puten artgerechter halten, meist mit etwas mehr Platz im Stall, selten mit Auslauf im Freien. „Vielleicht müssen wir solche Ansätze weiterdenken: für alle Tierarten, für Zeiträume, die die Planbarkeit für die notwendigen Investitionen verbessern“, so Konrad.
Agrarminister offen für Vorschläge
Damit widerspricht die FDP-Politikerin der Kommission unter dem ehemaligen CDU-Bundesagrarminister Jochen Borchert zum Umbau der Tierhaltung. Das überparteiliche Gremium hatte eine staatliche Abgabe oder Steuer empfohlen, um die ihrer Schätzung nach jährlich benötigten 3,6 Milliarden Euro einzunehmen. Sowohl der Deutsche Bauernverband als auch die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) unterstützen das. Der neue Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich offen gezeigt für die Vorschläge, sich aber noch nicht klar positioniert, wie er die Bauern beim Umbau der Tierhaltung finanziell unterstützen will. Auch die SPD hat sich noch nicht festgelegt.
Von der taz nach der Tierwohlabgabe gefragt, antwortete FDP-Politikerin Konrad zwar, noch blieben alle Optionen. Doch die Rheinland-Pfälzerin nannte vor allem Argumente gegen diese Lösung: „Mit einer Tierwohlabgabe, die pauschal und langfristig die Produktion unterstützt, unabhängig von der Nachfrage, würden wir eine Art Tierhaltungs-Direktzahlung schaffen“, sagte sie in Anspielung auf die wichtigste Art Agrarsubventionen. Diese ist umstritten, weil sie vor allem pro Hektar gezahlt wird, weitgehend unabhängig davon, wie umweltfreundlich das Land bewirtschaftet wird. „Wir laufen Gefahr, Fehlanreize zu schaffen und Landwirten falsche Versprechungen zu machen. Dann haben wir keine Butterberge, sondern Fleischberge“, warnte Konrad.
Kennzeichnung für Tierhaltung
Der Koalitionsvertrag sieht nur ein „durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System“ vor, „ohne den Handel bürokratisch zu belasten“. Schon diese Formulierung dürfte eine Abgabe unwahrscheinlich machen, die wohl jeder abrechnen müsste, der mit Fleisch handelt.
Auch Rufen nach staatlichen Anreizen, aus Klimaschutzgründen weniger Tiere zu halten, erteilte die FDP-Politikerin eine Absage. „Wir erleben gerade, dass die Tierzahlen sinken und viele Betriebe durch die schwierige Situation, hervorgerufen durch die Schweinepest und wegbrechende Exportmärkte, aufgeben müssen. Wir brauchen daher gar keine staatlichen Reduktionsmaßnahmen mehr.“
Festlegen will sich Konrad nur auf ein staatliches, verbindliches Tierhaltungskennzeichen, das etwa auf Fleischetiketten zeigt, wie das Vieh gehalten worden ist. Die Kennzeichnung solle zunächst auf nationaler Ebene eingeführt werden „und perspektivisch EU-weit“ gelten. Dann könnten Verbraucher Produkte mit weniger Tierschutz leichter meiden. Özdemir will die Kennzeichnung bereits dieses Jahr einführen.
Keine pauschalen Prämien, sondern gezielte Honorierung
Der AbL-Vorsitzende Martin Schulz kritisierte, es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass über private Lösungen genügend Geld für den Umbau der Tierhaltung eingenommen werden könne. Die Initiative Tierwohl habe nur 130 Millionen Euro pro Jahr gezahlt, nötig seien 4 Milliarden Euro.
„Privatwirtschaftliche Komponenten müssen unbedingt Teil der Lösung sein, aber alleine damit wird es sehr schwierig“, teilte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, der taz mit. „Es müssten alle Marktbeteiligten mitziehen“. Die Initiative Tierwohl erfasst bislang nur den Lebensmitteleinzelhandel, der lediglich ein Drittel des Schweinefleisches aus Deutschland verkauft. Die Gastronomie etwa und Verarbeiter wie Wursthersteller sind nicht beteiligt.
Ein Sprecher von Agrarminister Özdemir schrieb der taz, die Behörde prüfe diverse Finanzierungsmodelle. „Pauschale Prämien wie Direktzahlungen sind jedoch nicht geplant, stattdessen sollen Maßnahmen für eine bessere Tierhaltung gezielt honoriert werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen