FDP gegen schnellere Einbürgerung: Die Panik der Liberalen
Die FDP ist offenbar bereit, ihre eigenen Grundsätze und die der Koalition über den Haufen zu werfen. So will sie ihre Umfragewerte aufpolieren.
D ie FDP hat, seit sie in Berlin regiert, vier Landtagswahlen verloren und ist aus zwei Landesregierungen geflogen. Aus dieser misslichen Situation wollen die Liberalen nun Konsequenzen ziehen. Beim Bürgergeld schlugen sie sich im letzten Moment auf die Seite der Union. Den rot-grünen Plan, ein halbes Jahr lang Arbeitslosen zu vertrauen und nicht mit Sanktionen zu kommen, versenkte sie im Zusammenspiel mit CDU und CSU.
Diese Absetzbewegung aus der Regierung konnte man mit etwas Wohlwollen für einen Versuch halten, mal auf der Seite der Sieger zu landen. Das ist ein Irrtum – es war der Versuchsballon, wie weit die FDP die Rolle als Opposition in der Regierung treiben kann. Das Ergebnis lautet für die Liberalen: sehr weit.
Beim Staatsangehörigkeitsrecht führt die FDP nun ein ähnliches Spiel auf wie beim Bürgergeld. SPD und Grüne wollen die Einbürgerung erleichtern und die doppelte Staatsangehörigkeit einführen. Das sind vernünftige Ideen. Zwei Drittel der Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, bekommen ohnehin die doppelte Staatsbürgerschaft. Und die Zahl der MigrantInnen, die einen deutschen Pass bekommen, stagniert seit Langem bei 100.000. Das ist zu wenig, wenn man mehr Integration will. Deshalb ist es rational, die Hürden zu senken. Das steht so auch im Koalitionsvertrag, unterschrieben von Christian Lindner.
Dass die Union im AfD-Stil gegen die „Verramschung“ (Alexander Dobrindt) des deutschen Passes poltert, war zu befürchten. Bemerkenswert ist, dass auch die Liberalen die „Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft“ an die Wand malen.
Damit fegt die FDP nicht nur den Koalitionsvertrag vom Tisch, sondern auch ihr eigenes Wahlprogramm von 2021. Da forderte sie, dass die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich möglich sein soll und dass MigrantInnen schon nach vier (und nicht erst nach acht) Jahren einen Pass bekommen können. Alles egal. Wenn es gegen Arbeitslose und MigrantInnen geht, scheint die FDP in ihrer Panik zu jeder Art von Gedächtnisverlust bereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“