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FDP fordert Asyl nach „Ruanda-Modell“Von den Briten nichts zu lernen

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Die FDP will Asylverfahren nach dem „Ruanda-Modell“. Wer Geflüchtete um jeden Preis aus dem Blickfeld schaffen will, nimmt enormes menschliches Leid in Kauf.

Abschiebung: FDP wünscht sich ein deutsches „Ruanda-Modell“ Foto: Daniel Kubirsk/imago

G erade erst hat die Bundesregierung die Verschärfung der EU-Asylpolitik mitbeschlossen, schon schreit ihr Mitglied FDP nach noch drastischeren Schritten. Dass die Forderung nach einem „Ruanda-Modell“ inzwischen altbekannt ist und so auch schon von der Union kam, macht sie nicht weniger schäbig.

Gemeint ist mit dem Begriff das System, das Großbritannien am Dienstag beschlossen hat: Wer einreist, um dort Asyl zu beantragen, soll künftig nach Ruanda abgeschoben werden. Dort soll er oder sie nach Prüfung dann Asyl erhalten, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen.

So will es die FDP auch in Deutschland machen – vorausgesetzt, es fände sich ein Land, das bereit wäre, Deutschland Geflüchtete abzunehmen (eher unwahrscheinlich), und vorausgesetzt, es fände sich ein Weg, die Abschiebungen rechtlich überhaupt zu ermöglichen (auch unwahrscheinlich), dann bliebe das Vorhaben menschenrechtlich immer noch eine Katastrophe.

Schon hier in Deutschland gehen Behörden nicht immer zimperlich mit Geflüchteten um. Aber es gibt immerhin eine starke Judikative, argwöhnische Medien und eine kritische Zivilgesellschaft, die den Behörden auf die Finger schauen.

In vielen Ländern, die wohl als potenzielle Aufnahmeländer in Frage kämen, ist das anders. Es dürften vor allem schwache und autoritäre Regierungen im Globalen Süden sein, die sich auf Deals nach dem Ruanda-Muster einlassen werden, um sich Geld und westliches Wohlwollen zu sichern. Dass sie sich dauerhaft hohe Standards im Umgang mit den Geflüchteten vorschreiben lassen, wie es Großbritannien mit Ruanda nun versucht, scheint wenig realistisch. Kontrollierbar wären sie ohnehin nur sehr schwer.

Man sollte sich keine Illusionen machen über das, was die FDP-Politiker*innen da fordern: Wer schutzbedürftige Menschen um jeden Preis aus dem Blickfeld schaffen will, nimmt enormes menschliches Leid in Kauf.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
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11 Kommentare

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  • Ich glaube nicht, dass ein anderes Land gerade bereit wäre, der FDP Asyl zu gewähren. Man könnte es mal bei Präsident Javier Milei mit einem großen Scheck versuchen, aber ich bezweifele, dass der Finanzminister dafür die Schuldenbremse lockern wird.

    Wir müssen, wohl oder übel, mit der



    FDP weiterleben und daruaf hoffen, dass mehr WählerInnen merken, dass man mit den alten Rezepte des Neoliberalismus keines der (Zukunfts-) Probleme lösen kann.

  • Ruanda ist bisher eine idee fixe, die FDP und der Kommentator tun allerdings jetzt schon so, als sei die Projektion Realität.



    Einfach mal Füße stillhalten und die Reflexe bceruhigen. Wir sind nicht Australien und Papua Neuguinea, es ist schon mancher politische Ikarus verglühlt.

  • Es sollte viel mehr dafür getan werden, illegale Migration aussichtslos zu machen und die damit einhergehenden Gefahren für Leib und Leben zu verdeutlichen. Die Wahrscheinlichkeit des Misserfolges muss einfach größer als das Risiko des Versuchs sein.

    • @Trabantus:

      Wie macht man das: Das Internet zensieren oder abschalten? Migranten an der Grenze erschießen -zumindest die Habenichstse?



      Die Migration ist als Folge der Klimakatastrophe ein globales Problem und kann nur international bekämpft werden. Das geht nur mit Maßnahmen, die das Leben jedes Menschen ändern. Keine Angst, das muß nicht schlecht sein. Wer eine Sucht überwindet, erlangt wahre Freiheit! Die Sucht ist ichbezogene Habsucht, mit Hass und Neid im Schlepptau.

  • Menschenhandel als Konjunkturprogramm für Entwicklungsländer. Darauf muss man erstmal kommen.

    Asylbewerber in Ruanda werden in einem autokratischen System Verfahren nach demokratischen Standards zugesichert. Also kostenlose medizinische Versorgung, Rechtsbeistand und unabhängige Gerichtsbarkeit. Alles Standards die der einheimischen Bevölkerung vorenthalten werden.

    Und die FDP steht mit ihrem guten Namen dafür ein, dass diese Kriterien auch in der Praxis greifen.

    Wenn nichts mehr hilft, baut man sich halt ein Wolkenkuckucksheim als letzten Rettungsanker.



    Aber das ausgerechnet im Kant Jahr die FDP mit ihren Positionen weit hinter die Aufklärung zurückfällt ist charakteristisch für diese Partei.

    • @Sam Spade:

      Die Pseudo-Partei FDP hat längst keinen guten Namen mehr, außerhalb ihrer eng begrenzten Klientel. Und mit Kant oder der Aufklärung hatten vielleicht die Gründerväter dieses Lobbyclubs noch etwas anfangen können. Heute ist der Begriff von "Freiheit" bei denen zu einem Fetzen verkommen, der wie ein vom Regen durchnässtes Wahlplakat aussieht.

  • Das alles ändert genau null an den Ursachen für Flucht, aus diesem Grund wird sich an der Anzahl der geflüchteten nichts ändern, es wird sich höchstens verzögern durch neue Routen. Und alles was sich bis dahin angestaut haben wird, wird dann eben in einem Schwall rüberschwappen. Währenddessen haben sich durch die EU Gelder wieder ein paar korrupte Regierungen Zeit und Geld durch die EU verschafft.

  • Die Konservativen (dazu zählt die FDP zweifelsohne) drehen frei.

    *STOP THE BOATS!* brüllen sie, damit kein*er merkt, dass es diese [1] boats sind, die wir stoppen sollten. Und die Wahldackel kläffen brav hinterher.

    [1] www.theguardian.co...plutocrats-britain

  • "Schon hier in Deutschland gehen Behörden nicht immer zimperlich mit Geflüchteten um. Aber es gibt immerhin eine starke Judikative, argwöhnische Medien und eine kritische Zivilgesellschaft, die den Behörden auf die Finger schauen."



    Diese kritische Zivilgesellschaft würde aktuell zu plusminus 30% CDU wählen, 18% AfD und 6% BSW - demgegenüber gerade mal knapp 14% Grüne und unter 5% (und damit obsolet) Linke... 🤷‍♂️



    Kritisch ist diese Gesellschaft - allerdings mehr und mehr gegen die Migranten als mit ihnen - das gilt auch für die 'argwöhnischen Medien', echte Pro-Stimmen für Solidarität kann man mittlerweile an einer Hand abzählen.

  • Ruanda ist ein Gespenst, dieses Modell gibt es noch nicht.



    Ich möchte nur mal zu bedenken geben, wie es über die letzten Jahre teilweise in griechischen Lagern ausgesehen hat und welches Leid dort existierte. Wer der Meinung ist, dass es eine geringere Anzahl von Geflüchteten geben soll, der muss andere Dinge tun. Und ein Problem, was Deutschland hat, was UK nicht mehr hat, ist die EU und wie einzelen Partnerländer hier mit Geflüchteten umgehen. Und das betrifft inzwischen solche Staaten wie Dänemark, Schweden (Norwegen), Rumänien, Bulgarien oder eben Griechenland. Italien bearbeitet Dubllin-Verfahren nicht, die italienische Regierung lässt eine Wanderungsbewegung nach Norden zu.



    Für mich ist das schockierend zu sehen, dass es politisch-strukturell nicht mehr geht, dass ein grundsätzlicher humaner Zug von Politik sehr leichtfertig geopfert wird und immer wildere Ideen fabriziert werden. Und ich wage vorherzusagen, dass Ruanda eine Sackgasse wird, dass selbst die wildesten Staaten diese Deals nicht wollen und nicht machen werden, weil es außenpolitischen und handelspolitischen Schaden bringt. Außerdem gibt es kaum Staaten, die Geflüchteten wirklich ein nachvollziehbares, faires Angebot machen können. Solche Strategien könnten in massiven Menschenrechtsverletzungen und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen enden. Das würde vielen internationalen Verträgen und Bestimmungen zuwider laufen.

    • @Andreas_2020:

      Wir könnten soetwas doch auf Sylt einrichten und als "RwC" deklarieren. Refugees wellcome Center. Hier kann man selektieren.



      Wer durchs Sieb fällt, den verkaufen wir an den meistbietenden Diktator. Wenn wir draufzahlen müssten, lohnt sich eine Integration wieder. Das ist Marktwirtschaft. Rational und frei von jeder Menschlichkeit. So haben wir es gelernt bekommen, so muss es sein!