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FDP-WahlparteitagLindners vorerst letztes Argument

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Schafft es die FDP in den Bundestag? Das ist nicht nur für die Partei entscheidend, sondern vor allem für die Karriere ihres Chefs Christian Lindner.

Alles lässt sich ändern – stimmt. Auch die FDP muss nicht länger im Bundestag sein Foto: Michael Kappeler/dpa

Z wei Wochen vor der Bundestagswahl hat Christian Lindner seine Karten vorerst ausgespielt. Das Hauptargument des FDP-Chefs bei seiner Rede auf dem Sonderparteitag am Sonntag in Potsdam war, dass nur die Liberalen nach dem 23. Februar eine mögliche schwarz-grüne Regierung verhindern können. Mit diesem Schreckgespenst kann Lindner die Stimmung bei seinen Mitgliedern zuverlässig entfachen: Nur eine FDP stelle sich im Bundestag einer neuen Amtszeit von Robert Habeck als Wirtschaftsminister in den Weg.

Die strikte Absage an eine neuerliche Koalition mit den Grünen ist das konkreteste Angebot, das Lindner im Wahlkampf unterbreiten kann. Welche Stellschrauben er für seine viel beworbene Wirtschaftswende jenseits des allzeit beschworenen Bürokratieabbaus drehen will, bleibt im Argen. Wie die FDP sich glaubhaft gegen Rassismus und für Diversität einsetzen will, wie sie das in ihrem am Sonntag einstimmig beschlossenen Wahlaufruf fordert, ist ebenfalls schleierhaft – schließlich hat der Parteichef gleichzeitig keine Skrupel, Gesetze im Bundestag im Zweifel gemeinsam mit der AfD durchzubringen.

Kurz vor der Wahl scheint dem FDP-Chef der Laden auseinanderzufliegen: Seine Partei tackert sich in Umfragen bei 4 Prozent fest, der erhoffte Wirtschaftswahlkampf wird vom Angriff in Aschaffenburg und dem Fall der Brandmauer im Bundestag überlagert. Und dann schafft es die Parteiführung nicht, beim Thema Migration einen Konsens in den eigenen Reihen herzustellen.

Mit seiner Rede auf dem Parteitag und den Ohrfeigen gegen den Lieblingsgegner Grüne lieferte Lindner eine sehnlichst gewünschte Selbstvergewisserung. Wird die 5-Prozent-Hürde für den Parteichef zu einer Limbostange, unter der er hindurchtänzelt? Oder zu einer Hochsprunglatte, über die er knapp drübersegelt? Vor allem für den Parteichef ist diese Frage karriereentscheidend. Kaum zu glauben, dass ­Lindner da schon die Argumente ausgegangen sind.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP, die Union und Verteidigungsthemen. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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10 Kommentare

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  • Hoffentlich bleiben die unter 5%.



    FDP kann Wirtschaft? Im letzten Wahlkampf hatten sie das ungerechteste Steuerprogramm - Steuerentlastung für hohe Einkommen, nicht für kleine/ mittlere - und die höchste Neuverschuldung.



    Und in der Ampel haben sie mit ihrem Festhalten an der schwarzen Null jegliche sinnvollen Investitionen verhindert. Dabei hätte D Geld zinsfrei aufnehmen können. Geld aufnehmen um z.B. in Infrastruktur, Bildung, Wirtschaft zu INVESTIEREN gilt nicht mal als Schulden, wäre also auch mit der Schuldenbremse vereinbar gewesen. Aber mit einem Finanzminister, dessen berufliche Qualifikation im Pleitegehen besteht, war wohl nix anderes zu erwarten.

  • Ich denke "karriereentscheidend" ist die BTW für Lindner nur hinsichtlich der Frage, wann er denn seine "richtige" Karriere in der freien Wirtschaft startet kann. Die Vorarbeit ist geleistet!

  • Selbst das Argument, Habeck als Wirtschaftsminister zu verhindern, ist eher zweischneidig.



    Denn schließlich hätte es ohne die FDP gar keinen Wirtschaftsminister Habeck in den vergangenen drei Jahren gegeben.

  • Lindner wird natürlich kraft seines guten Aussehens und der Wirkungsmacht von Schwarz-Weiß-Fotografien auf Wahlplakaten die -ohne ihn sich hoffnungslos am Boden windende Partei der nichts besseres Verdienenden- zu Fast Drei Prozent und damit das deutsche Volk in eine goldene Zukunft führen.

  • Selbst wenn die progressiven Kräfte bei der Wahl es diesmal leider nicht schaffen, so hätte ich meine Genugtuung, wenn Lindner und seine marktradikalen Fanboys aus dem Bundestag raus sind.



    Die sind nicht liberal, die sind libertär.

  • Habe ich jetzt Lindners Dialektik richtig verstanden, dass der bürgerlich-liberale Wähler jetzt die FDP wählen muss, damit es zur Groko unter Merz kommt?

    Er schließt ja Ampel und Jamaika explizit aus und Schwarz-Gelb wird mit 35% auch keine Minerheitsregierung schaffen. Aber wenn die Wähler die Groko wollen, können sie auch Union oder SPD wählen, und wenn sie eine Schwarz-Grüne Mehrheit verhindern wollen, können sie auch die Linke oder das BSW in den Bundestag wählen (oder gar die AfD wählen).

    Die FDP schließt praktisch aus, dass sie regieren will, das ist ja schon mal sehr lobenswert, denn darin ist sie außerordentlich schlecht. Aber wozu braucht es sie in der Opposition, wenn sie da auch nur wieder mit der AfD, dem BSW und der Union stimmt? Die Schuldenbremse als Alleinstellungsmerkmal ist ziemlich dürftig und wird von jeder neuen Koalition als erste Amtshandlung kassiert. Wenn Liberalismus etwas anders sein soll als Lobbyismus, ist die FDP halt nur noch eine inhaltsleere Hülle. Sie verrät ihre Wähler ja schon bei Abtreibungen, Asylrecht, Justizreform und Gesundheit.

  • "Lindner oder Habeck", wäre die Alternative - klare Sache.



    Tschüss, Christian Lindner!



    FDP, komm wieder, wenn Du dieses Trauma auskuriert hast.

    • @Janix:

      „FDP, komm wieder, wenn Du dieses Trauma auskuriert hast."



      Auskurieren. Am besten in der Schweiz. Davos. Zauberberg. Wünsche angenehmen Aufenthalt. (Kann dauern)

  • Naja, Lindners Hauptargument ist scheinbar völlig ausreichend, um nicht über andere Themen reden zu müssen. Wenn das alles ist, und da auch nichts weiter kommt, dann ist die FDP wirklich nicht mehr wählbar.

    • @hechtmaus:

      So isses, z. B. Kubicki und Starwatz. reißen sie auch nicht raus.