Extinction Rebellion startet Proteste: Probier's mal mit Klimastreik
Die Klimaaktivist*innen von Extinction Rebellion starten ihre Protestwoche in Berlin und anderswo. Kritik vom Kanzleramt und den Grünen.
Rund um den Großen Stern singen und tanzen vielleicht 600 Menschen. Banner sind aufgehängt, überall sind mit bunter Kreide Sanduhren in Kreise gemalt – dies ist das Logo der Bewegung. In manchen Zufahrten ist wegen der tiefstehenden Sonne noch Schatten, dort ist es kalt. „Hier bieten uns regelmäßig Leute an, zu rotieren. Oder bringen Tee vorbei“, sagt Laura Metz, Studentin aus Köln. Für die Blockade verpasst sie ihre erste Semesterwoche. Die Klimakrise sei ihr wichtiger, sagt sie.
Wer die Blockaden verlässt, kann rund um die Siegessäule die Sonne genießen. In einem Moment bildet sich ein Kreis mit zwanzig Menschen auf der Straße, die Yoga-Übungen machen. Gleich daneben bildet sich ein weiterer Kreis. Die meisten Demonstrierenden rund um den Großen Stern lachen, singen, tanzen – manche schlafen auch einfach nur.
„Vielleicht können wir das Ruder ja noch herumreißen. Aber wenn die Menschheit ausstirbt, hat sie es nicht anders verdient“, sagt Kai Röth. Er ist aus Frankfurt ins Klima-Camp am Bundeskanzleramt ganz in der Nähe angereist und wie viele andere bereits um viertel vor 4 losgezogen. Auf seinen Rucksack ist ein Schlafsack geschnürt, an seinem Arm baumelt ein Gitarrenkoffer. „Ich singe Lieder aus dem Songbook for Survival“, sagt er. Im Hintergrund singen andere „Probier's mal mit Klimastreik“ im Rhythmus von „Probier's mal mit Gemütlichkeit“.
Pikachu-Kostüm verbreitet Freude
Läuft man vom Brandenburger Tor zum Großen Stern, begegnet man einer Frau im Pikachu-Kostüm, einer Pokémon-Figur. Vanessa Kruse ist müde und auf dem Weg zurück ins Klima-Camp am Bundeskanzleramt: „Wir sind schon seit vier Uhr hier. Wir brauchen eine Pause.“ Vanessa und ihre Begleitung Jan sind aus Lüneburg angereist, seit Samstagmorgen sind sie da. „Mit dem Pikachu-Kostüm wollte ich Freude verbreiten. Das hat auch geklappt. Viele fremde Leute rufen mir ‚Pikachu‘ zu und lachen.“
Extinction Rebellion hat auch eine Arche an der Siegessäule aufgestellt, die auf der Mitte des Großen Sterns steht. Das hölzerne Boot soll an das Artensterben erinnern. Die als Seenotretterin bekannt gewordene Kapitänin Carola Rackete soll dort am Mittag eine Rede halten. Die Polizei wollte die Fläche eigenen Angaben zufolge vorerst nicht räumen.
Das Bündnis will in dieser Woche mit Aktionen des zivilen Ungehorsams auf der ganzen Welt den Druck auf die Regierungen erhöhen, mehr gegen den Klimawandel zu tun. In den kommenden zwei Wochen plant die Gruppe Proteste in rund 60 Städten rund um den Globus. Schwerpunkte sind Europa, Nordamerika und Australien, Proteste sind aber auch in Argentinien, Südafrika und Indien vorgesehen.
Kritik aus dem Bundeskanzleramt
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) kritisiert das Vorgehen der Demonstrant*innen. „Man kann dafür oder dagegen demonstrieren, das ist in Ordnung“, sagt Braun im ZDF-„Morgenmagazin“. „Aber gefährliche Angriffe – etwa auf den Straßenverkehr – anzukündigen, das geht gar nicht.“
Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigt im Rundfunk Berlin-Brandenburg an, dass die Polizei „mit Augenmaß“ gegen die Blockaden vorgehen werde. „Es ist ja so, dass wir Blockaden, Veranstaltungen durchaus als spontane Demonstrationen werten können, die ja nach Demonstrationsrecht zulässig sind“, sagt Geisel.
„Mit Augenmaß heißt, dass wir uns das anschauen werden – es wird dann solche Versammlungen geben, die wir durchaus eine Weile gewähren lassen“, ergänzt der Innensenator. An anderer Stelle werde die Polizei aber bereit sein zu räumen. Gewalttaten würden ebenso wenig geduldet wie Blockaden sogenannter kritischer Infrastruktur wie beispielsweise der Flughäfen.
Am Montagfrüh läuft offenbar alles friedlich ab. Die Demonstrant*innen verteilen Handzettel an die Polizei mit dem Hinweis, dass sie die Erde gewaltfrei retten wollen. „Wir bitten Euch: Respektiert unsere körperliche Unversehrtheit!“, heißt es auf den Zetteln.
Giegold und Palmer kritisieren XR
Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold kritisiert das Vorgehen von Extinction Rebellion, die bereits mit Drohnen in London den Flugverkehr behindern wollten. „In keiner Demokratie darf man Veränderung durch Protest erzwingen – bei Drohnen am Flughafen gehen Proteste zu weit“, sagt Giegold der Bild-Zeitung.
Der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, sagt dem Blatt, wer Demokratie und Rechtsstaat für das Handeln gegen den Klimawandel über Bord werfe, werde sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren. „Protest ja, Rebellion nein.“
Auch in Australien und Neuseeland starten am Montag Anhäng*innen des Klimabündnisses ihre Aktionen. In Melbourne treffen sich Demonstrant*innen am frühen Morgen zu einer Mahnwache auf den Stufen des Parlaments. In Sydney halten hunderte Aktivisten einen Sitzstreik auf einer stark befahrenen Straße in der Innenstadt ab, während sich in Brisbane eine kleine Gruppe von Aktivisten an eine Brücke kettet. Im neuseeländischen Wellington sorgen Aktivisten für Verkehrsstörungen, indem sie sich an ein Auto ketten.
Extinction Rebellion wurde im vergangenen Jahr in Großbritannien gegründet. Das Aktionsbündnis hofft, allein in London 20.000 bis 30.000 Menschen für Blockaden rund um das Parlament und Regierungsgebäude zu mobilisieren.
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