Explosion in Beirut: Die „Bombe“ war seit Jahren bekannt
Im Libanon wusste man seit Jahren von der Gefahr, die im Hafen von Beirut lagerte. Trotzdem ist noch vieles offen. Was wir wissen – und was nicht.
An den Angaben libanesischer Behörden und hochrangiger Politiker, dass Ursache der Detonation rund 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat waren, die seit Jahren im Hafen lagerten, besteht wenig Zweifel. Die Aussagen decken sich mit aktuellen Recherchen und online zugänglichen Berichten, die vor der Explosion über das Material Auskunft geben. Aufgeklärt ist der Vorfall damit allerdings noch lange nicht: Warum lagerte das Ammoniumnitrat in dem Hafen? Und warum unternahmen die Behörden – trotz mehrfacher Warnung – nichts?
Das ist bislang bekannt: Detaillierten Recherchen des Investigativ-Netzwerks Bellingcat zufolge lagerte das Ammoniumnitrat im Hangar 12 des Beiruter Hafens, in unmittelbarer Nähe zu den belebten Beiruter Ausgeh- und Künstlervierteln Gemmayzeh und Mar Mikhael. Wie das Material dort hingelangte, darüber gibt ein kurzer, auf Juli 2014 datierter Eintrag auf der Webseite des Unternehmens Fleetmon Auskunft, das unter anderem Positionsdaten und Bewegungen von Schiffen beobachtet.
Dort heißt es: Das Schiff „‚RHOSUS‘ lief im Oktober letzten Jahres Beirut im Libanon an. Mit Ammoniumnitrat beladenes Schiff war für ein anderes Land bestimmt. Der Grund, warum sie Beirut anrief, ist unklar, möglicherweise für Lieferungen oder aufgrund mechanischer Probleme. Seitdem ist das Schiff in Beirut gestrandet.“ Verfasst wurde der Eintrag von dem Journalisten Mikhail Voytenko, der sich auf seinem Twitter-Account als „Maritim-Experte“ bezeichnet.
Hochexplosive Ladung im Hafen
Seine Angaben decken sich weitgehend mit den Aussagen des libanesischen Regierungschefs Hassan Diab, der noch am Dienstagabend sagte, 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat hätten ohne Vorsichtsmaßnahmen im Hafen von Beirut gelagert – auch wenn er nicht von knapp sieben, sondern nur von nur sechs Jahren sprach, was möglicherweise damit zu erklären ist, dass die Fracht erst später verladen und im Hangar 12 gelagert wurde.
Wann dies genau geschah, ist bislang unklar. Offenbar lag die Rhosus mit der hochexplosiven Ladung monatelang im Hafen. In dem Fleetmon-Eintrag von Juli 2014 ist von einer Verladung noch nicht die Rede. Selbst einige Crew-Mitglieder waren demnach noch an Bord, drei Ukrainer und ein Russe.
Die libanesischen Behörden hätten ihnen nicht gestattet, von Bord zu gehen. „Der Grund liegt auf der Hand“, schreibt der Autor. „Die Hafenbehörden möchten nicht mit verlassenen Schiffen an ihren Händen zurückgelassen werden, die mit gefährlicher Fracht und Sprengstoff beladen sind.“
Hier beginnen die Fragen: Dem Bericht zufolge hatten sowohl der Eigentümer der „Rhosus“ als auch der des Ammoniumnitrats das Schiff mitsamt der Ladung aufgegeben. Warum? Die aus Georgien kommende „Rhosus“ war mit ihrer Ladung eigentlich auf dem Weg nach Mosambik, wie Juristen des Anwaltnetzwerks shiparrested.com angaben, die 2015 mit dem Fall befasst waren.
Briefe warnten vor Gefahr
Das explosive Material im Hafen der Millionenmetropole war also kein Geheimnis. Das untermauern jüngste Angaben des Chefs der libanesischen Zollbehörde, Badri Daher. Ihm zufolge haben Zollmitarbeiter mindestens sechs Briefe verfasst und vor einer Gefahr durch die Ladung gewarnt.
Nach der Explosion – Eine Familie in Beirut
Dies berichtete am Mittwoch der Nachrichtensender Al Jazeera. Den Recherchen zufolge schlug der Zoll drei Optionen vor: das Ammoniumnitrat exportieren, es der libanesischen Armee übergeben oder es an ein Privatunternehmen verkaufen.
Eine Antwort blieb demnach aus, bis es zu spät war. Den Bellingcat-Recherchen zufolge brach am Dienstag zunächst in einer Lagerhalle, offenbar dem Hangar 12, ein Feuer aus. In lokalen Medien war als Ursache von Schweißarbeiten die Rede, was bislang aber nicht bestätigt ist. Auch ungeklärt ist, ob Feuerwerk im Spiel war, wie einige Medien berichteten. Es folgten mehrere kleine Explosionen und schließlich die riesige Detonation, die ganze Stadtteile Beiruts verwüstete und das Land noch über Jahre beschäftigen dürfte.
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