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Expertenkreis MuslimfeindlichkeitRassismusbericht plötzlich offline

Das Innenministerium hat den Bericht des Expertenkreises Antimuslimischer Rassismus zurückgezogen. Ein Mitglied nennt das Vorgehen „irritierend“.

Hat das Vorwort zum Bericht geschrieben: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Foto: Helmut Fricke/dpa

Berlin taz | Erst beauftragt, nun fallengelassen: Das Bundesinnenministerium (BMI) hat den Abschlussbericht des Expertenkreises Antimuslimischer Rassismus aus dem letzten Jahr vorerst zurückgezogen. Hintergrund ist ein juristischer Streit: Mehrere im Bericht genannte Personen sehen sich ungerechtfertigterweise mit Rassismus in Zusammenhang gebracht. Saba-Nur Cheema, damals Mitglied des Expertenkreises, verteidigt den Bericht gegen die Vorwürfe und kritisiert das Verhalten des Innenministeriums als „irrtierend“.

Geklagt hatte unter anderem der Publizist und Welt-Kolumnist Henryk M. Broder, der im Bericht genauso namentlich genannt wird wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries und die selbsterklärte Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann von der hessischen SPD. Sie alle sehen sich durch die Namensnennung in die Nähe von antimuslimischem Rassismus gerückt.

Broders Klage wurde mittlerweile stattgegeben, eine Entscheidung im Fall Hermann steht noch aus. Da das BMI sich nun aber entschieden hat, den Bericht nicht mehr zu verbreiten, ihn von seiner Website genommen und auch die verbliebenen physischen Ausgaben entsorgt hat, sind weitere Gerichtsverfahren wohl vorerst hinfällig. Ein Sprecher des BMI sagte am Mittwoch, das Ministerium plane, den Bericht erneut in einer Fassung ohne die umstrittenen Namensnennungen zu veröffentlichen.

Der Expertenkreis selbst hat sich 2023 mit Erscheinen des Berichts aufgelöst. Das ehemalige Mitglied Saba-Nur Cheema sagt gegenüber der taz, bisher habe sich das BMI nicht direkt an die Mitglieder gewandt. Sie hätten nur aus der Presse erfahren, dass der Bericht nicht mehr auf der Website des BMI zu finden ist, so die Politologin. Die Aussage eines Ministeriumssprechers gegenüber dem RBB, wonach es dem Expertengremium „selbst überlassen“ sei, für eine Neuveröffentlichung zu sorgen, sei „fast schon zynisch“, findet Cheema.

Faeser hatte für Berichtvorstellung keine Zeit

Cheema verweist auch auf die große symbolische Bedeutung des Berichts: „Der Unabhängige Expertenkreis wurde ja nicht zufällig nach dem rassistischen Anschlag von Hanau 2020 einberufen.“ Dass sich die Bundesregierung vom Bericht möglicherweise distanzieren wird, sende auch international ein falsches Signal. „Der Bericht wurde als Pionierarbeit gelobt und in einigen europäischen Ländern werden ähnliche Vorhaben diskutiert.“

Eingesetzt vom damaligen CSU-Innenminister Horst Seehofer, sollten die zwölf unabhängigen Mitglieder des Expertenkreises eine Gesamtübersicht zu antimuslimischem Rassismus in Deutschland liefern und konkrete Handlungsempfehlungen formulieren. Das Ministerium versprach sich davon auch praktische Erkenntnisse für den Kampf gegen Diskriminierung. Da der Bericht unabhängig erarbeitet wurde, handelt es sich bei ihm aber nicht um ein Dokument des Ministeriums selbst, sondern er wurde nur durch dieses verbreitet.

Zentrales Ergebnis des Berichts war, dass etwa je­de*r zweite Deutsche antimuslimische Vorurteile hat. Mus­li­m*in­nen seien in fast jedem Lebensbereich von Diskriminierung betroffen, gleichzeitig lasse sich das tatsächliche Ausmaß der Benachteiligung gar nicht absehen, da es an wissenschaftlichen Studien mangele. Die Ex­per­t*in­nen forderten zudem ei­ne*n Bun­des­be­auf­trag­te*n für antimuslimischen Rassismus.

Die amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte für den Bericht zwar das Vorwort verfasst, war der eigentlichen Vorstellung im Sommer 2023 aber ferngeblieben. Sie nahm stattdessen an einer Veranstaltung in Hessen teil, wo sie sich zu diesem Zeitpunkt als SPD-Spitzenkandidatin im Landtagswahlkampf befand.

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1 Kommentar

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  • Tatsächlich finde ich die Feststellung, dass fast jeder zweite Deutsche gegenüber Muslimen Vorurteile hat eher banal als erschreckend. Es wird wohl kaum eine Gruppe geben, gegen die nicht jeder Zweite Vorurteile hat; ob er nun deutsch ist oder nicht. Wenn jeder mal ehrlich zu sich ist, wird er wohl zugeben, dass er zu gut wie jeder Gruppe ein Bild oder eine Idee hat, was ja nichts anderes ist als ein Vorurteil. Seien es nun Muslime oder Anzugträger, Tätowierte oder Mercedesfahrer. Hier im Forum der TAZ im Übrigen sehr beliebt sind Anti-FDP-Vorurteile; denen wird auch gerne von jenen gefröhnt die sich als besonders progressiv und frei von Vorurteilen wähnen. Auch glaube ich nicht, dass sich Vorurteile einfach abschaffen lassen, so fromm der Wunsch ist. Es wäre schon viel geholfen, wenn sich jeder bewusst würde, dass er seine Vorurteile hat und aus diesem Bewusstsein heraus das berücksichtigt, wenn er sich gegenüber einem Mitglied einer bestimmten Gruppe verhält. Das der Bericht zurückgezogen wird, wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass darin gemachte Vorwürfe (hier gegen Broder) falsch sind, ist weniger skandalös als redlich. Im Spiegel stand, dass der bereinigte Bericht dann auch wieder veröffentlicht werden soll.