Bericht zu Muslimfeindlichkeit: Bittere Ergebnisse für Deutschland

Diskriminierung von Mus­li­m:in­nen ist in Deutschland Alltag. Das zeigt der Bericht des Unabhängigen Ex­per­t:in­nen­kreises.

Ein Schild mit der Aufschrifft "Nein zur Hetze gegen Muslime" bei einer Unteilbar-Demo am 4. September 2021

Gegen antimuslimischen Rassismus nachlegen, fordert Antirassismusbeauftragte Alabali-Radovan Foto: imago stock

BERLIN taz | Jede zweite Person in Deutschland stimmt muslimfeindlichen Aussagen zu. Das stellt die am heutigen Donnerstag veröffentlichte Bilanz des unabhängigen Ex­per­t:in­nen­kreises Muslimfeindlichkeit im Auftrag des Bundesinnenministeriums (BMI) fest.

Laut Bericht sind muslimfeindliche Einstellungen also kein alleiniges Phänomen des rechten Rands, sondern gesamtgesellschaftlich verankert. Antidemokratische Gruppen könnten über Muslimfeindlichkeit an die sogenannte Mitte anknüpfen. Oftmals sei diese gepaart mit Antisemitismus.

Die AfD etwa sei manifest muslimfeindlich. Sie habe es aber nicht geschafft, den Diskurs zu verschieben und die anderen Parteien mit ihrem offenen Rassismus anzustecken. Alle anderen Parteien grenzen sich klar ab und benennen Muslimfeindlichkeit als Problem. Dennoch: Insbesondere die Union, aber auch andere Parteien bedienen laut Bericht zumindest latent muslimfeindliche Vorurteile.

So gelten etwa muslimische Männer als vermeintlich gewaltbereit und muslimischen Frauen wird abgesprochen, selbstbestimmt zu handeln. Diese Vorurteile tragen dazu bei, Mus­li­m:in­nen und ihre Religion als gefährlich und fremd zu markieren.

Alle wollen hinschauen, aber Faeser sagt ab

„Wir müssen nachlegen im Kampf gegen antimuslimischen Rassismus“, sagt die Antirassismusbeauftragte des Bundes Reem Alabali-Radovan. Antimuslimische Diskriminierung habe ein erschreckendes Ausmaß, sei teils regelrecht „normal“. Besonders alarmierend findet Alabali-Radovan die Befunde zur Diskriminierung und Anfeindung von Frauen, die zum Beispiel durch das Tragen eines Kopftuchs als Musliminnen sichtbar und damit besonders vulnerabel sind. „Es liegt an uns allen – Politik, Verwaltung, nichtstaatliche Akteure, aber auch jeder und jedem Einzelnen – hinzusehen und zu handeln.“

Diskriminierung erfahren die Betroffenen dabei vor allem bei der Arbeits- und Wohnungssuche und im Bildungssystem. So bewerten Lehrkräfte zum Beispiel Tests von Jugendlichen mit arabischen oder türkischen Namen negativer, als es ihrer Leistung entspräche. Kopftuchtragende Frauen berichten von besonders drastischen Anfeindungen in der Öffentlichkeit.

Innenministerin Nancy Faeser schreibt im Vorwort des Berichts, Musliminnen und Muslime seien seit vielen Jahrzehnten Teil der Gesellschaft. Auch Faeser fordert: Man müsse jetzt hinsehen. Sie selbst sagte eine Teilnahme an der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts aber kurzfristig ab.

Ein wichtiger Schritt

Ähnliche Ergebnisse wie der heutige Bericht des BMI stellte bereits ein am Dienstag veröffentlichtes Lagebild zivilgesellschaftlicher Organisationen unter Federführung von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslim­feind­lichkeit fest. Rima Hanano von CLAIM sagte der taz zum heutigen Bericht aus dem BMI: „Diesen Bericht und die Einsetzung des Ex­per­t:in­nen­kreises haben zivilgesellschaftliche Gruppen lange gefordert.“

Dass der Bericht jetzt erscheint, sei ein wichtiger erster Schritt. Jetzt müssten vor allem strukturelle Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus folgen. Es brauche ein zentrales Monitoring und die Dokumentation antimuslimischer Übergriffe sowie Diskriminierung, ähnlich wie RIAS, die Dokumentationsstelle für Antisemitismus. Auch Beratungsstellen bräuchten eine langfristig gesicherte Finanzierung.

Es sei wichtig, alle gesellschaftlichen Bereiche in den Blick zu nehmen, sagt Hanano: „Antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und wir müssen es gesamtgesellschaftlich angehen.“ Der Erfolg des Berichts lasse sich erst an der konkreten Umsetzung von Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus messen.

Bewusstsein stärken

Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag und Islamwissenschaftlerin, antwortete auf taz-Anfrage, dass Angst vor Islamismus häufig zur Stigmatisierung von Mus­li­m:in­nen führe. Aber: „Angst ist keine gute Beraterin“, so Kaddor. Denn die Angst gehe mit großer Unwissenheit über den Islam und Mus­li­m:in­nen in Deutschland einher. Sie würden als homogene Gruppe dargestellt und auch in den Medien häufig einseitig problembezogen behandelt.

Kaddor fordert eine stärkere Verankerung des Islam in Deutschland über eine heimische Imam:innen-Ausbildung, der Anerkennung muslimischer Religionsgemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts und offizielle Ansprechpersonen, wie etwa die Antisemitismus- und Antiziganismusbeauftragten. Es brauche zudem Fort- und Weiterbildung auch in Justiz- und Sicherheitsbehörden. „Wir sollten ‚ohne Schaum vorm Mund‘ das gesellschaftliche Bewusstsein für strukturellen Rassismus und Diskriminierung in der Bevölkerung insgesamt stärken“, so Kaddor gegenüber der taz.

Zur Veröffentlichung meldete sich Faeser nochmals per Pressemitteilung. Die Ergebnisse des Berichts seien bitter. Die Ministerin verspricht: „Wir werden uns intensiv mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen beschäftigen und alles tun, um Diskriminierungen abzubauen und Musliminnen und Muslime besser vor Ausgrenzung zu schützen.“

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