Experte für Pflichttests in Firmen: „Lockdown der Betriebe konsequent“
Firmen und ihre ChefInnen sollten bei der Coronabekämpfung härter durchgreifen – fordert der Managementexperte Guido Möllering.
taz: Herr Professor Möllering, Sie wollen Unternehmen stärker in die Pflicht gegen Corona nehmen. Wie?
Guido Möllering: Betriebe müssen jetzt an die Spitze der Pandemiebekämpfung gehen. Sie können ihre logistischen, finanziellen und sozialen Ressourcen noch viel mehr ausschöpfen – um zu überleben, um die Belegschaft zu schützen und um gesellschaftliche Verantwortung zu beweisen.
Also notfalls auch durch Zero-Covid?
Der Managementexperte (49) beschäftigt sich mit unternehmerischer Verantwortung und Vertrauen zwischen Institutionen. Als Direktor leitet er das Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung an der privaten Universität Witten/Herdecke. Seit 2018 ist er Mitglied der Jury des Wettbewerbs für Unternehmensverantwortung „Mein gutes Beispiel“.
Ja – zumindest als Anspruch auf Betriebsebene. Es gilt, jetzt keine einzige Infektion mehr zu riskieren, bis die Belegschaft geimpft ist. Die Definition, welche Arbeit unbedingt noch im persönlichen Kontakt erbracht werden muss, sollte in den kommenden Wochen viel enger gefasst werden.
Bedeutet das nicht effektiv einen Lockdown der Betriebe?
Ja, das wäre konsequent. Wenn ein harter Lockdown kommt, dann müssen auch solche Betriebe einige Wochen geschlossen werden, in denen weder Homeoffice noch kontaktloses Arbeiten für den Großteil der Belegschaft möglich ist. Dort sollte man eine Art „Betriebsferien“ machen. Das ist verkraftbar, zumal wenn die Geschäftspartner sich darauf einstellen und mitmachen.
Kann die Wirtschaft einen derartigen Lockdown überhaupt noch vermeiden?
Indem man jetzt schon Kontakte vermeidet. Es soll ja nicht verboten werden zu arbeiten, sondern verhindert werden, sich und andere zu infizieren. Es muss eine Testpflicht in Unternehmen geben. Ohne Negativergebnis kein Zugang zum Betriebsgelände. Aber die Testmöglichkeit oder auch ein Hygienekonzept dürfen jetzt erstmal nicht dazu führen, dass man unnötig in den Betrieb kommt.
Wie können Unternehmen helfen, wenn sie doch stark durch die Pandemie belastet sind?
Unsere Untersuchungen zum Führungskräfte-Radar haben gezeigt, dass die Unternehmen es selbst so einschätzen, dass sie in der Pandemie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Aber das muss heute mehr bedeuten als nur weiter Umsatz zu machen und Gehälter und Dividenden zu zahlen. Jedes Unternehmen kann sich auch außerhalb des eigentlichen Geschäfts bei der Pandemiebekämpfung engagieren.
Konkret?
Es gibt viele Ansatzpunkte, vieles wird auch schon gemacht: Transport- und Lagermöglichkeiten oder Räumlichkeiten bieten, IT-Unterstützung geben, Personal für ehrenamtliche Aufgaben oder die Betreuung Angehöriger freistellen, demnächst den Betriebsärztlichen Dienst gegen Corona nutzen, ausbauen, öffnen. Das alles macht allerdings nur Sinn, wenn im Betrieb selbst die Infektionsketten unterbrochen werden. Kurzfristige Zusatzkosten oder sogar Schulden sollten Manager als Investition sehen, um dauerhafte Kosten und Verluste zu vermeiden. Das Wichtigste aber wird sein, dass die Unternehmen eine Kultur der Verantwortung leben.
Kultur der Verantwortung?
Unternehmen und speziell ihre Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion. Sie können der Belegschaft vermitteln, wie unverantwortlich es ist, Infektionen zu riskieren. Mehr noch als beim normalen Arbeitsschutz zieht Covid-19 weite Kreise. Da sind klare Erwartungen zu formulieren, statt Vorbehalte der Belegschaft als Vorwand zu nehmen, nicht konsequent zu sein. Kollegialer Druck kann helfen, wenn zugleich der kollegialen Entkopplung durch Homeoffice oder Lockdown entgegengewirkt wird, die wir in unseren Studien natürlich auch sehen. Ohne gelebte Solidarität und Einsicht bringen Verbote und Verpflichtungen nichts. Die Devise muss lauten: Wenn die Menschen sich nicht infizieren, überlebt auch das Unternehmen.
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