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Bremens Testpflicht in UnternehmenSo bricht die dritte Welle nicht

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Bremen hat vieles richtig gemacht in der Pandemie, zuletzt mit der Testpflicht für Firmen. Aber auch hier wird nur an Symptomen herum gedoktort.

Bremen hat in der Messehalle eins der größten Impfzentren der Republik aufgebaut Foto: Hauke-Christian Dittrich / dpa

B remen führt eine Testpflicht in Unternehmen ein und ist damit anderen Bundesländern wieder einmal ein Stück voraus. Zuletzt hatte sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in überregionalen Tageszeitungen damit brüsten dürfen, dass Bremen an vielen Tagen die Impfstatistik anführt, jedenfalls bezogen auf Erstimpfungen.

Als die Bundesregierung Mitte Dezember an Risiko­gruppen Gratis-FFP2-Masken verteilte, hatten Bre­me­r*in­nen über 65 Jahren vier Wochen zuvor schon welche bekommen. Und als sich ab dem 9. März Bremer Schü­le­r*in­nen und Leh­re­r*in­nen zwei Mal die Woche selbst testen konnten, kündigten andere Bundesländer dies erst an.

Dennoch lief auch in Bremen nicht alles rund und damit sind nicht die kleinen Patzer gemeint, wenn mal unbrauchbare Masken an Schulen geliefert wurden oder die Schlange vor dem Impfzentrum etwas länger war als sonst. Und dass die rot-rot-grüne Landesregierung immer erst mal auf Freiwilligkeit setzte, um dann doch Pflichten einzuführen: Geschenkt.

Übersehen werden darf nicht, dass Bremens hohe Impfquote daher rührt, dass hier viele Menschen aufgrund ihres Berufs geimpft werden und nicht aufgrund ihres Risikos schwer zu erkranken. Seit April werden diese Daten allerdings bundesweit nicht mehr erhoben, sodass nicht mehr nachvollziehbar ist, wer geimpft wird.

Und Bremens Schulpolitik in der Pandemie muss als risikoorientiert bezeichnet werden. Als eins der letzten Länder und ein halbes Jahr nach Schleswig-Holstein führte Bremen die Maskenpflicht in Grundschulen ein. Bis Freitag wurde in diesen in voller Gruppenstärke unterrichtet – erst die Bundesnotbremse machte dem ein Ende.

Das größte Versagen der Bremer Politik ist aber eins, das der Stadtstaat mit allen Bundesländern teilt: Um die dritte Welle zu brechen, braucht es einen Lockdown, der seinen Namen verdient hat, mehr als eine Maßnahme hier und da. Nur wenn die Infektionsraten radikal sinken, findet das Dauerelend ein Ende. Die Testpflicht in Firmen hilft dann, die Inzidenz niedrig zu halten.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; Systemische Beraterin.
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2 Kommentare

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  • Danke Frau Bruhn für die kritischen Worte.

  • Ein Lockdown, der seinen Namen verdient, das heißt, Infektionsketten konsequent und überall zu unterbrechen, um das Virus auszutrocknen: In Krankenhäusern, Kitas, Heimen, Schulen, Wohnhäusern, Fabriken, Verwaltungen.



    Was zum Produktionsbereich gehört, ist - von der Sache her, nicht in den bestehenden Machtverhältnissen - noch rel. leicht zu handeln: Nicht unmittelbar notwendige Produktion stilllegen. Das wird ja auch von etlichen Initiativen wie Zero Covid oder No Covid gefordert.



    Wo aber im Reproduktionsbereich Menschen zusammen leben oder mit Menschen gearbeitet wird, ist der Aufwand - und entsprechend die Kosten und der Widerstand der Wirtschaft - nochmal mehrere Nummern größer: Es braucht überall wo Menschen zusammenleben Einzelzimmer mit je eigenem Bad. So wie andere Länder wie Dänemark, Frankreich, Spanien, Neuseeland es im Interesse des Infektionsschutzes in Krankenhäusern bereits vollständig oder teilweise umsetzen. Es braucht dafür auch genügend Personal. Es braucht kleine Gruppen in Kitas und Schulen, die bei Bedarf weiter teilbar sind. Anstelle von Wohnheimen braucht es Wohnungen.



    Das Gegenargument, es könne während einer Pandemie nicht erst gebaut werden, zählt m.E. nicht. Denn die Pandemie läuft jetzt sei über einem Jahr. Für die Alten hätte man durchaus im Sommer erstmal Behelfsbauten hinstellen können und bei entsprechendem Gehalt auch Personal einstellen können. Jetzt sind sie tot, infiziert in der Enge von Mehrbettzimmern. Das war abzusehen. Zudem sterben in deutschen Krankenhäusern seit langer Zeit jährlich Zehntausende an Krankenhausinfektionen. Die Situation war schon lange vor Corona unmenschlich und spitzt sich jetzt noch weiter zu.



    Das Kapital profitiert davon, dass eine solche Konsequenz im Infektionsschutz und in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung insgesamt nicht zu erwarten ist in einer Gesellschaft, in der der Reproduktionsbereich derart sexistisch abgewertet ist und daher tendenziell immer wieder dem Blickfeld entzogen ist.