Exit aus Corona-Lockdown: Wir müssen reden
Die Debatte über ein Ende des Corona-Lockdowns steht in der Kritik. Ein Diskussionsverbot aber wäre paternalistisch.
![Eingezäunte Sitzmöbel in einem Einlaufszentrum. Eingezäunte Sitzmöbel in einem Einlaufszentrum.](https://taz.de/picture/4065786/14/corona-deutschland-diskussion-umgang-politik-1.jpeg)
D erzeit verwandelt sich das Gefühl der Krise. Der Thrill des Ungewohnten, das auf eine paradoxe Weise alle trifft und gleichsam vereinzelt, verblasst. Die Krise verwandelt sich vom Besonderen zum Alltäglichen – und die Kosten der Isolation werden konkreter sichtbar. Es gibt erste Anzeichen, dass häusliche Gewalt zunimmt. Bei Friseuren und Kinos, bei Hotels und Physiotherapeuten sind die Schäden nichts mehr, was man für morgen befürchtet – es passiert jetzt. Die Krise wandelt sich von düsterer Aussicht zur Tatsache. Damit drängt eine Frage nach vorne: Wann ist das alles vorbei?
CDU-Mann Armin Laschet räsoniert, wann die Zeit danach beginnt. Wirtschaftsnahe CDU-Politiker wie Carsten Linnemann fordern, dass spätestens nach Ostern die Fabriken, Geschäfte und Büros schrittweise wieder öffnen sollen. Das ist bedenklich nahe an Trumps Politik, mehr Tote zu riskieren, um die wirtschaftlichen Schäden zu begrenzen. Ist das also die falsche Debatte? Sollten PolitikerInnen sie nicht führen, weil sie verantwortungslos ist? Diese Debatte birgt, so die Befürchtung, eine Gefahr. Sie weckt womöglich Hoffnungen auf eine rasche Rückkehr zur Normalität, die enttäuscht werden und Politikverdruss beflügeln.
Denn nach Ostern ist keinesfalls alles wieder gut. Doch eine Debatte zu unterdrücken, weil manche sie missverstehen, hat etwas Paternalistisches, ja Autoritäres. PolitikerInnen müssen diese Debatte führen, nicht verdruckst, sondern kontovers. Die Frage, wann die Kontaktsperre endet, wird ja in sozialen Netzwerken und Familien ventiliert. Mit einem Debattenverbot würde sich die politische Klasse in eine Art kommunikativer Quarantäne begeben.
Bislang hat die bundesdeutsche Politik die Krise rhetorisch besonnen gemanagt: ohne Kriegsmetaphorik und krachende Ansagen von oben. Jetzt wäre nichts falscher als ein mit Verantwortungsethik imprägniertes Diskursverbot. Gerade in der Krise, gerade angesichts massiver Einschränkungen von Grundrechten, braucht die Demokratie Debatten ohne Geländer. Sie sind so nötig wie Schutzmasken und Abstandsregeln.
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