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Ex-Geheimdienstchef zu NSU-MordenHelmut Roewers steile Thesen

Thüringens Ex-Verfassungsschutzpräsident verrät seine Sicht auf die NSU-Morde: Mit Rechtsextremismus hätten diese nichts zu tun.

Helmut Roewer gibt jetzt der Türkei die Schuld an den NSU-Morden Foto: dpa

BERLIN taz | Er gehört zu den umstrittensten Figuren im NSU-Komplex und wird seinem Ruf wiedermals gerecht: Helmut Roewer. Von 1994 bis 2000 war er Thüringer Verfassungsschutzpräsident – also auch, als Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 in seinem Bundesland abtauchten. Nun tut Roewer seine Sicht auf deren spätere, zehnfache Mordserie kund: Mit Rechtsextremismus habe diese nichts zu tun.

Roewer formulierte seine Thesen in der verschwörungstheoretischen Internetsendung „Quer-denken.TV“ auf YouTube. Titel: „Das NSU-Märchen“. Ein rechtsextremes Motiv für die zehnfache Mordserie sei „denkbar unwahrscheinlich“, behauptet der einstige Verfassungsschutzchef. Viel eher sei der Tathintergrund „ethnisch bedingt“: „Also Türken gegen Kurden. Das ist sozusagen mein Hauptverdächtiger.“ Seinen früheren Arbeitgeber nimmt Roewer in Schutz: „Wenn man sich vorstellt, dass möglicherweise eine staatliche Stelle in diese Verbrechen involviert war, dann würde mein Finger, bevor er abfällt, eher in Richtung Türkei zeigen.“

Böhnhardt und Mundlos, fährt der 66-Jährige fort, kämen als Täter allenfalls im Sinne eines „Auftragsmords“ infrage. Auch sei klar: „Dass sie dabei draufgegangen sind, ist nicht einem Selbstmord geschuldet, sondern die wurden ermordet.“

Ermittler und Rechtsmediziner haben einen Mord an Böhnhardt und Mundlos indes ausgeschlossen. Und auch das Mordmotiv steht nicht in Zweifel: Böhnhardt und Mundlos hatten in mehreren Dokumenten ihren Rassismus dokumentiert. In einer DVD, die Zschäpe verschickte, bekannte sich der NSU zu den Morden. Auch räumte Zschäpe, die Roewer ein „Flittchen“ nennt, im NSU-Prozess ein, dass ihre Kumpanen ihre Morde damit begründet hätten, dann gebe es eben „einen Ali weniger“.

Der amtierende Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer nannte Roewers Aussagen „völlig abwegig“. „Das reiht sich ein in eine Kette von verwunderlichen Äußerungen von Herrn Roewer. Jeder Kommentar von ihm ist einer zu viel.“

Roewer, heute selbsternannter Publizist, war bereits zu Amtszeiten umstritten. In Kaffeerunden soll er über Informanten geplaudert oder mit dem Fahrrad durch die Gänge gefahren sein. Trotz diverser V-Leute seines Amtes blieb das Jenaer Trio unentdeckt – obwohl es sich nur unweit in Sachsen versteckte. Roewer selbst attestierte sich bereits in einem Buch über seine Dienstzeit, alles richtig gemacht zu haben.

Gegenüber „Quer-denken-TV“ äußerte er sich schon vor einem Jahr steil: Damals sinnierte Roewer über einen bevorstehenden „Umsturz“ in Deutschland und behauptete, der Gegenprotest zu Pegida in Dresden sei von der „öffentlichen Hand“ gefördert. Die Behörden schafften dort „staatlich bezahlte, anreisende Kriminelle“ hin.

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20 Kommentare

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  • Klingt eher nach Ablenkungsmanöver. Tatsächlich dürfte der Verfassungsschutz noch viel tiefer in den NSU-Sumpf verwickelt sein als bisher bekannt ist. Nicht umsonst wurde die Aufklärung der Morde systematisch behindert und Akten geschreddert soviel irgend möglich war. Und das seltsame "Zeugensterben" dürfte wohl auch konkrete Urheber haben.

  • Roewer ist aus meiner Sicht eine schon bei Amtsantritt recht zweifelhafte Wahl gewesen. Es verrät auch viel über den Zustand der CDU in Thüringen, die diesen Mann in dem Amt wollte!

     

    Und ein Artikel, der zu Beiträgen verwirrter Neurechter und social bots aus dieser Szene sicherlich eine Vorlage gibt. Terror von rechts oder Straftaten von rechts? Kann doch nicht sein. Fast muss ich lachen, wenn da an die Beantwortung einer Anfrage der AfD im Landtag von Sachsen Anhalt denke: Mit 51,5 % führten die Rechtsextremen bei der Zahl politisch motivierter Straftaten.

     

    Die Probleme müssen zumindest auch dort engagiert in Angriff genommen werden, wo sie statistisch am häufigsten auftreten. Innerer Terror von rechts ist für die CDU in Bund und Ländern aber kein Thema, weil sie ebenso verwirrten wie wundersamen Thesen von unqualifizierten Personen wie Roewer und Co. folgen.

  • Das Foto ist grandios.Wenn er glaubwürdig sein möchte,sollte er sich als Allererstes ein neues Gesicht zulegen.

    Arroganz hat einen Gesichtsausdruck.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Markus Müller:

      Von Roewer gibt es bestimmt zig Pressefotos, unter denen auch ansprechendere sein dürften.

      Zum Artikel hier passt eben genau dieses vielsagende Foto...

  • Im obigen Artikel steht: “In einer DVD, die Zschäpe verschickte, bekannte sich der NSU zu den Morden.“ Zu diesen Videos folgendes: Bilder von diesem Video wurden damals erstmals vom Spiegel veröffentlicht. Der Spiegel kaufte(!!) das Video vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. (apabiz) Wie kam das apabiz zu dieser Kopie des Videos? Darüber schweigen die sich bis heute aus. Keine Infos von denen selber und es fragte anscheinend auch keiner nach. Keine der 12 DVDs die Z. verschickt haben soll ging direkt ans apabiz. Nur auf einer der DVDs war der komplette „Paulchenfilm“ drauf, auf allen anderen nur Teaser. Und noch was. Zschäpe bzw. ihr Anwalt verlas in ihrer ersten Aussage,daß Sie die Wohnung in Z. ansteckte und die ca. 12 Bekennervideos (in identischen Umschlägen)in den Postkasten, welcher am Gartenzaun direkt vorm Haus angebracht war,einsteckte. Dumm nur,daß die Feuerwehr ausgerechnet diesen Briefkasten zu Beginn des Löscheinsatzes zum Schutz demontierte und ihn an die Polizei übergab.Die Polizei durchsuchte diesen und fand ein paar Briefe/Postkarten, sonst nichts. Die ganze Geschichte ist doch noch „etwas“ verworren, oder besser unaufgeklärt…???

  • Ist die Täterschaft der Uwes wirklich bewiesen? Die TAZ berichtete neulich darüber, daß es an keinem der 27 Tatorte (10 Morde, 15 Banküberfälle, 2 Sprengstoffanschläge) Spuren der Uwes oder der Zschäpe gibt. Keine DNA, keine Fingerabdrücke und kein Phantombild paßt! Absolut nichts! An keiner der Waffen oder über 4000 Schuß Munition aus den Womo und Zwickau fanden sich Fingerabdrücke und DNA der drei. Nicht mal an den angeblichen Selbstmordpumpguns. Die geleakten Tatortbilder mit dem toten Uwes im Netz sind sehr interessant! Uwe M. lehnt mit weggeschossenem Hinterkopf an einer blitzsauberen Wand. Wie geht das? Das müßte alles voll Blut und Hirn sein! In Uwe B‘s Kopf fand man bei der Obduktion 6 Geschossteile, die archiviert aber nicht untersucht wurden (warum nicht? Paßt nicht zum Pumpgun-Geschoß?) Uwe B. wurde seitlich in die Schläfe geschossen, seine Leiche lag seitlich auf den Bauch, Kopf fahrzeughinten, Füße fahrzeugvorn und das Ausschußloch dieses Schläfenschusses befindet sich im Dach der Fahrerkabine! Wie geht das? Keiner der Toten Uwes trug Handschuhe (siehe Tatortbilder im Netz) und trotzdem sind keine Fingerabdrücke an den Waffen, der Munition und dem erbeuteten Geld. Wie geht das? Warum wurden in Stregda von den anwesenden Medizinern weder der Tod noch der Todeszeitpunkt der Uwes untersucht/festgestellt? Diese Ereignisse sind alles andere als aufgeklärt.

  • Daß der Herr Roewers wieder beim "Dönermorde"-Narrativ angekommen ist, ist widerlich, aber geschenkt.. da wuindert mich nix.

    ABER: Hallo taz!?

    "Ermittler und Rechtsmediziner haben einen Mord an Böhnhardt und Mundlos indes ausgeschlossen." -

    Haben sie das? Angesichts der sehr vielen Ungereimtheiten bei der gesamten Aufklärung, angefangen von der völlig stümperhaften Spuren"sicherung" bei den beiden Uwes, bis hin zu den Behinderungsaktionen durch die Politik, Aktenschreddereien bei Behörden und Geheimdiensten, und dem oft befremdlichen Umgang der Justiz in München mit Beweisanträgen der Nebenkläger finde ich es etwas steil, wenn ausgerechnet die sonst so kritische taz sich ausgerechnet hier so schnell die offizielle Position der Behörden zueigen macht. Es ist weder postfaktisch noch eine Verschwörungstheorie, an der Alleinverantwortung des Trios zu zweifeln, dafür sind schon viel zu viele Merkwürdigkeiten am Gericht vorbei v.a. in diversen Untersuchungsausschüssen aufgetaucht.

    • @Da Hias:

      Oh...wie schön ! Er hat's tatsächlich gemacht: "Postfaktisch" und "Verschwörungstheorie" in einem Satz!

      Das ist ... toll...wirklich... ich wußte nicht, dass das geht.

       

      Mal zum Inhalt: Warum Ergebnisse von Ermittlern und Rechtsmedizinern anzweifeln, nur, weill es - berechtigte - Zweifel an dem Gesamtwillen zur vollständigen Aufklärung gibt ? Ist das Eine so logisch mit dem Anderen verknüpft ?

      Weil nicht sein kann, was nicht sein darf ?! Alles und alle nur willige Wahrheitsverdreher und Informationsunterschlager - nur einer kennt die Wahrheit ...ne, ich bin's nicht. Sie vielleicht ?

      • @klugschei__er:

        Warum die in die damaligen Ermittlungen auch einbezogene Figur wie Obiger nicht Platz für Zweifel in Ihrem Erklärungs(erstarrungs)versuch lässt, ist na ja...lustig.

      • @klugschei__er:

        Der Satz mit dem Wort des Jahres und dem passenden Substantiv dazu war mir ein Vergnügen :-)

         

        Ich kenne die Wahrheit so wenig wie Sie, und wahrscheinlich wird sie sich so auch nicht mehr ans Licht bringen lassen.

        Die interessantesten Wahrheit(en) dürften in dem ganzen Komplex die beiden Uwes und eine Reihe von passend verstorbenen Zeugen mit ins Grab bzw. ein paar Herren in Behörden als Feinschnitt mit ins Altpapier genommen haben.

        Zu den beiden Uwes gibt es genügend objektive Zweifel, ob der Ablauf, wie er offiziell gewesen sein soll, real überhaupt möglich sein konnte.

  • Ja, genau... unbestritten ist, dass man mit dem Zeigefinger beider Hände unbeschwert an die Stirn tippen kann... ich mach das mal gerade während ich hier mal die Kommentare lese...

     

    Und ansonsten, wenn man wie der Hr. Roewer schon mal schales Hirnwasser absondern darf - ich tippe mal auf kleine grüne Marsmännchen...ist auch nicht dümmer.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Ist Roewer immer noch auf freiem Fuß?

    Nicht zu glauben.

  • Es macht mir Angst, wenn es solcher Mensch in dieses Amt schafft, ein rechter Phantast, mutmaßlich Paranoiker. Ein Puzzle-Teil davon, dass das Vertrauen in die Führung dieses Landes abhanden gekommen ist, wenn Kontroll- Mechanismen solche Menschen in solchen Positionen nicht zu verhindern wissen.

  • Wie kann so jemand Verfassungsschutzpräsident werden?

    Gibt es vorher keine Eigungstests?

    Psychologische Gutachter gäbe es jedenfalls genug.

    • @Jürgen aus Nürnberg:

      Worauf wollen Sie testen? Psychische Krankheiten oder Zustände wie akute Psychosen, manisch-depressiv, depressiv usw. erkennt ein Psychiater recht schnell. Bei Krankheitsbildern wie Borderline wird es bereits schwieriger. Der Psychiater ist dann auf die Mithilfe des Patienten angewiesen. Dass der Patient selbst erkennt. Oder Verwandte usw. Da Borderliner häufig sehr intelligente Menschen sind, die spüren, wenn ihnen jemand "drauf" kommen will und sich rauswinden.

       

      Ansonsten wäre das eine Art Gesinnungstest. Wer sich um solch ein Amt bemüht kennt sich mit den Gesetzen der Political Correctness aber doch gut aus.

  • die simple antwort ist - er kann sich (schon bio- physikalisch) nicht selbst mit einer schrotflinte erschossen haben - es gibt zweifellos mittäter...

    • @MfAA:

      Warum soll das physikalisch nicht gehen? Abzug mit mit dem großen Zehen. Wenn die Flinte einen Stecher hat, reicht ein leichtes Antippen...

    • 3G
      32795 (Profil gelöscht)
      @MfAA:

      Man muss nicht mit den Fingern an den Abzug kommen, ein Stöckchen tut es auch. Das ist umständlich und "wackelig", aber es geht. Daran ist nichts "bio-physikalisch unmöglich".

      • @32795 (Profil gelöscht):

        Bei einer Sport- oder guten Jagdflinte mit Stecher (Feinabzug) ist das nicht mal wackelig. Eine leichte Berührung reicht. Wer es will, kriegt das hin.

    • @MfAA:

      Hast du schon mal ein Unterlaufrepetiergewehr/Pumpgun in der Hand gehabt?Die hat einen deutlich kürzeren Lauf als eine Schrotflinte.