Evangelischer Theologe in Sachsen: Fragwürdiger Bischof
Carsten Rentzing ist das neue Oberhaupt der sächsischen Protestanten. Er beharrt darauf, die Bibel wörtlich zu nehmen.
Umstritten ist er ohnehin schon: Carsten Rentzing, evangelischer Theologe, am äußersten Zipfel Berlins, in Spandau, 1967 zur Welt gekommen – wurde am Samstagabend in der Dresdner Kreuzkirche als Bischof der sächsischen Landeskirche ins Amt eingeführt.
Der Mann, der bislang im vogtländischen Musikwinkel ein Pfarramt inne hatte, war am 31. Mai dieses Jahres in einer Sondersynode seiner Glaubensgemeinschaft in Sachsen gewählt worden – im sechsten Wahlgang und schließlich mit nur einer Stimme mehr als für die absolute Mehrheit erforderlich.
Die sächsische Landeskirche hat nun einen Bischof, der unverhohlen bekennt, dass die Bibel Homosexualität nicht duldet – die darin enthaltenen Überlieferungen (Berichte, Reportagen, Analysen, Alltagsanekdotisches, Glossen, Abwegiges …) seien im Sinne von Gottes Schöpfung nur so zu deuten, dass gleichgeschlechtliche Liebe ausdrücklich ablehnt wird.
Rentzing, der in einem Gespräch erzählte, er sei erst während des Theologiestudiums in Berlin zum Gläubigen geworden, beharrt darauf, dass die Bibel wörtlich zu nehmen sei – er lehnt Exegetisches im zeitgenössischen Sinne ab: Rentzing und sein Glaubensverständnis ist insofern nah an Interpretationen christlich zu führenden Lebens, wie sie Evangelikalen in den USA und afrikanischen Ländern eigen ist.
Unverwässerter Glaube
Der klassisch verheiratete Mann, inzwischen Vater von vier Kindern, war den Synodalen im evangelikalen Sinne kein Dorn im Auge. In der sächsischen Landeskirche war man bislang schon stolz darauf, den, wie es auf Synoden seit den frühen neunziger Jahren öfters geäußert wurde, „unverwässerten Willen des Glaubens“ leben zu wollen.
Rentzing hat, so sagte er in einem Interview mit der Welt am Sonntag vor Wochen, nur dann nichts gegen ein schwules oder lesbisches Paar im Pfarrhaus, wenn es vom jeweiligen Gemeindevorstand ausdrücklich nicht abgelehnt wird.
Sachsens Landeskirche ist freilich viel weniger weltoffen und anti-elitär wie etwa klassische bundesdeutsche Landeskirchen, Nordelbien oder Bayern. Man empfindet sich – in der Mehrheit – kulturell Männern wie den ultrakonservativen CDU-Mann Steffen Heitmann oder dem Buchautor Uwe Tellkamp (“Der Turm“) näher als etwa theologischen Stars wie die verstorbene Dorothee Sölle oder die frühere Hamburgische Bischöfin Maria Jepsen.
Rentzing, der in seiner Berliner Landeskirche niemals zum Bischof gewählt worden wäre, verlegte sich beruflich umgehend aufs Sächsische. Seine antilibertären, einige würden sagen: fragwürdigen Haltungen im Evangelischen der Jetztzeit, sind in der eigenen Landeskirche nicht unumstritten.
Vatikannah und bibelfundamentalistisch
Kritiker warfen ihm allein vor, in Sachen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften vatikannahe und bibelfundamentalistische Positionen zu vertreten – vielmehr sagen sie, an diesem Punkt verkörpere Carsten Rentzing besonders sichtbar eine engherzige Haltung.
Dessen in einer Thesenreihe formulierter Satz „Wir stehen für eine Kirche, in der bei der Schriftauslegung nicht missachtet wird, was in der Weltkirche seit 2.000 Jahren geglaubt wurde und geglaubt wird“ umreiße ein Verständnis „jesuanischer Nachfolge“, die dem Credo des Sohn Gottes nicht gerecht werde.
Rentzing sparte beim Gottesdienst zu seiner Amtseinführung nicht mit warmen Worten zur Flüchtlingsfrage besonders in seinem Bundesland. Gegen ihn Protestierende, die sich unter der Überschrift „Ja zur Amtseinführung, ABER“ zusammengefunden hatten, gab es vor der Kreuzkirche nur wenige – ihre Stimmen verwehten im Glanz der Zeremonie: Carsten Rentzing, der konservativste unter allen evangelischen Bischöfen in Deutschland, lächelte, als ihm die neue Amtskette umgehängt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“