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Europas TextilkonsumAbzocke auf ganzer Linie

Kommentar von Leila van Rinsum

Der Konsum von Fast Fashion ist besonders bei Top­ver­die­ne­r*in­nen hoch. Doch Qualität, Ar­bei­te­r*in­nen und Umwelt leiden unter den Billigmarken.

Die Konsequenzen europäischer Augenwischerei Foto: Habibur Rahman/imago

E inen großen Reisekoffer voll Kleidung, 19 kg, kaufte laut Europäischer Umweltagentur 2022 jeder EU-Bürger – im Durchschnitt. Das heißt, manch einer hat gleich mehrere solche Reisekoffer voll Kleidungsstücke gekauft. Besonders Topverdiener schlagen laut einer Analyse der Unternehmensberatung Simon-Kucher zu. Deutsche mit einem Einkommen ab 5.000 Euro netto nutzen die chinesischen Billiganbieter Shein am meisten. Bei Temu sind sie gleichauf mit Geringverdienern.

Überraschend ist das nicht unbedingt, denn die billige Fast Fashion muss man sich erst mal leisten können. Fast Fashion meint den schnellen Wechsel vom Kleidungssortiment der Textildiscounter im Laden oder jetzt immer mehr in den Onlineshops. Es ist Geschäftsmodell. Und das nicht nur von den chinesischen Billiganbietern, die die EU immerhin bekämpfen will.

Auch europäische Konzerne machen Milliardengewinne damit, Primark, H&M oder Zalando etwa. Die Kleidung ist billig produziert, günstig zu kaufen und Kun­d*in­nen sollen sie ständig neu kaufen. Das Modell ist, wenig überraschend, Abzocke auf ganzer Linie. Die Abnehmerpreise der Discounter reichen weder für angemessene Arbeitsbedingungen am Anfang der Lieferkette oder Umweltstandards noch für Qualität. Dabei werden Unmengen von Wasser und anderen Ressourcen verbraucht.

Auch zum Ende der Kette geht das Modell nicht auf. Denn wer schon mal ein Fünfer-Pack Strumpfhosen im Discounter fürs schnell wachsende Kind besorgt hat, weiß, die Dinger sind noch schneller kaputt, als das Kind wachsen kann. Der Stoff ist dünn, die Nähte schlecht, das Gummi gleich ausgeleiert.

Das wissen auch Händ­le­r*in­nen im Secondhandmarkt in Afrika, zum Beispiel auf dem Gikomba-Markt in Nairobi, ­Kenia. Die kaufen Kleidungs­säcke aus Europa, die sie nachher wieder verkaufen. Die Hälfte davon kann sofort weggeworfen werden, berichten viele von ihnen. Auch nicht selten landen T-Shirts und Hosen teils noch verpackt im Müll. Denn das nächste Sortiment steht schließlich schon in der Warteschlange.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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